Serie Krefeld und seine Straßenbahnen – ein besonderes Verhältnis

Krefeld · Es gibt sie schon seit mehr als 135 Jahren in der Stadt, dennoch gehen die Bürger mit den Straßenbahnen eher distanziert um. Dabei kann man wunderbare Stadtrundfahrten damit machen, wie unsere neue Serie zeigt.

 Eine der vier Straßenbahn-Linien, die das Krefelder Stadtbild prägen (hier: die Linie 042 auf der Uerdinger Straße).

Eine der vier Straßenbahn-Linien, die das Krefelder Stadtbild prägen (hier: die Linie 042 auf der Uerdinger Straße).

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Vor knapp 120 Jahren ist ein sehr schöner Leserbrief geschrieben worden: „Bedenken wir, um wie viel großstädtischer unsere Straßen seit der Einführung des elektrischen Betriebs sich ausnehmen, wie sehr uns der Verkehr auf weitere Entfernungen erleichtert wurde, so werden wir nicht jeden Wunsch zu einem Tadel machen, sondern froh sein, daß wir sie haben, die Elektrische!“, heißt es darin. Der Brief erschien, als die ersten elektrischen Straßenbahnen durch Krefeld fuhren, und er enthält alle wesentlichen Aspekte, die auch heute das Verhältnis der Bürger zum Nahverkehr auf Schienen prägen.

Krefeld hat gemessen an seiner Einwohnerzahl das seltene und eben historisch bedingte Glück, über ein Straßenbahn-Netz zu verfügen. Das gibt es in vergleichbaren Städten kaum. Diese besondere Möglichkeit, durch die Stadt zu fahren, wissen die Krefelder durchaus zu schätzen, was aber nicht bedeutet, dass sie sie nutzen. Als Schüler ja, danach vielleicht mal, wenn man samstags keine Lust hat, in der Innenstadt einen Parkplatz zu suchen. Die Tadel (schmale Schienen draußen, wenig Platz drinnen, geringes Tempo im Zentrum) sind schnell bei der Hand, um zu erklären, warum man dann doch nicht mit der Bahn fährt. Dabei bieten die Linien 041 bis 044 noch eine andere wunderbare Möglichkeit: Man kann mit ihnen in alle Himmelsrichtungen fahren und so eine etwas andere Stadtrundfahrt durch Krefeld unternehmen. Das wollen wir in einer neuen Serie zeigen, die in den nächsten Wochen in unserer Ausgabe erscheint.

Das hiesige Straßenbahn-Netz ist noch 17 Jahre älter als der eingangs erwähnte Leserbrief. Ab Mai 1883 wurden die ersten Linien in Betrieb genommen, dank Dampf und Pferden ging es damals nach Hüls, Uerdingen oder Fischeln sowie durch den Stadtkern. Zur Jahrhundertwende wurde der Blitz gebändigt, so die schöne Metapher zur Elektrifizierung, 1930 reichte das Angebot bis zur Linie 16 und die Verbindungen nach Willich, Mönchengladbach und Duisburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg schrumpfte das Netz immer weiter, wiederholt gab es Abstimmungen im Rathaus, ob man die Straßenbahn überhaupt noch braucht und will. Die Antwort lautete bis jetzt immer Ja.

Heute ähnelt das Netz wieder dem der Anfangstage. Es geht nach Hüls, Uerdingen und Fischeln, hinzugekommen sind die Äste zur Elfrather Mühle, nach Linn und nach St. Tönis. Die Bahnen, die heute von der SWK mobil betrieben werden, sind mit einem ungewöhnlichen Phänomenen verbunden. Kunden können ihre Tickets immer noch beim Fahrer kaufen, sich also persönlich beraten lassen, statt vor einem Automaten am Tarifsystem des VRR zu verzweifeln.

Mit alledem befindet sich Krefeld in einer seltsamen Situation: Müsste man heute entscheiden, ob man ein Straßenbahn-System schafft, würde es mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit wohl kaum eine Mehrheit geben. Da dass System aber vorhanden ist und inzwischen weitgehend anerkannt ist, dass wir alle etwas für den Klimaschutz tun müssen, wird auf absehbare Zeit kaum jemand die Strecken stilllegen wollen. Vielmehr wird es interessant zu sehen sein, welche Rolle die Straßenbahnen im Mobilitätskonzept, das derzeit erarbeitet wird, spielen. Ob sie mehr Vorrang an Kreuzungen erhalten (und die dortige Technik entsprechend erneuert wird) und ob die ein oder andere Linksabbiegespur für Autos auf dem Ostwall oder der St.-Anton-Straße wegfällt.

Es könnte sogar soweit kommen, dass das Krefelder Netz, nachdem es Jahrzehnte ausschließlich geschrumpft ist, in Zukunft mal wieder wächst. Aus Sicht der SWK mobil sind dafür drei Richtungen denkbar: Es könnte wieder eine Bahn-Verbindung zum Eisstadion geben, denn die Busse dorthin zählen zu den meistgenutzten in Krefeld. Es könnte eine Verbindung ins Hülser Zentrum geben, denn bisher ist die Linie 044, die dort in einer Art Garage ihre Endhaltestelle hat, nur für Menschen attraktiv, die im Hülser Süden wohnen. Und es könnte eine Verlängerung bis Willich geben, wie sie bis in die Sechziger noch existierte.

Alle drei Vorschläge haben etwas Schönes gemeinsam: Der Wunsch ist wirklich nur Wunsch und enthält keinen Tadel.

Literatur zum Thema: Gisbert Arts, Gabriele Franken, Wolfgang Herbrandt, Ernst-Moritz Müller: „Gut, daß wir sie haben“. 100 Jahre elektrische Straßenbahn in Krefeld (Niederrhein-Verlag)

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