Aufarbeitung der Geschichte Stolpersteine für deportierte Schüler

Bockum. · Ein Geschichtskurs arbeitet die Geschichte ehemaliger Moltke-Schüler auf.

 Künstler Gunter Demnig hat die Steine vorab selbst gefertigt und konnte sie nun, nach einem Aufschub wegen Corona, in Krefeld verlegen. Die Stelle an der Wilhelmshofallee war die erste von sechs an diesem Tag.

Künstler Gunter Demnig hat die Steine vorab selbst gefertigt und konnte sie nun, nach einem Aufschub wegen Corona, in Krefeld verlegen. Die Stelle an der Wilhelmshofallee war die erste von sechs an diesem Tag.

Foto: abi/Andreas Bischof

Schüler des Moltke-Gymnasiums und Auszubildende des Kommunalbetriebs Krefeld (KBK) stehen am Mittwochmorgen bei Regen mit weiteren etwa 50 Personen an der Wilhelmshofallee 182. Dort, wie auch an fünf weiteren Stellen, gestalten sie eine kleine Feierstunde, um die Verlegung von Stolpersteinen herum. Eigentlich hätte das bereits im März stattfinden sollen. Zu 18 Stolpersteinen haben die Schüler sich schlau gemacht. „Sie sind politisch interessiert und engagieren sich sehr“, erklärt Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle in der Villa Merländer. „Sie sind am Thema drangeblieben, auch als es wegen der Corona-Pandemie nicht weiterging.“ Andreas Horster, Vorstand des KBK, ergänzt: „Sie haben nicht nur die Geschichte aufgearbeitet, sondern auch aktuelle Ereignisse bearbeitet.“

Die vorbereiteten Texte der Schüler lassen aufhorchen: „...Es mag absurd klingen, aber es gibt tatsächlich Menschen, die auf die Straße gehen und Schilder hochhalten, auf denen steht: ,Ausgangsbeschränkungen sind sozialer Holocaust.` So ein Verhalten ist absolut inakzeptabel und darf nicht toleriert werden. Noch erschreckender ist es, dass es Menschen gibt, die behaupten, dass jüdische Menschen das Corona-Virus in Laboren hergestellt hätten“, sagen Emma, Annemarie und Frederik in ihrem Vortrag. Eine Glaubensgemeinschaft als Sündenbock der Pandemie verantwortlich zu machen und aktiv gegen sie zu hetzen, seien Handlungen, die im Keim erstickt werden müssen, heißt es weiter.

„Wir gehen jeden Morgen an der Tafel mit den Namen der früheren jüdischen Moltke-Schüler vorbei, die deportiert worden sind“, berichtet Olivia. Sie besucht, wie alle anderen auch, den Geschichtskurs der Jahrgangsstufe zwölf. „Ich wusste bisher nicht, dass hier jüdische Familien wohnten. Wir haben Spenden gesammelt und wenn wir heute fertig sind, haben alle deportierten Moltke-Schüler ihren Stolperstein.“

Mitschülerin Jule hält drei weiße Rosen zum Gedenken in der Hand. Dann erinnern die Schüler an das Ehepaar Gottfried und Luise Gompertz, das 1938 zur Wilhelmshofallee gezogen war. „Sie wohnten dort bis zum November 1941, dann mussten sie in das Haus Schlagerterallee 41 – die heutige Friedrich-Ebert-Straße – in ein sogenanntes Judenhaus umziehen. 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert. Wenig später wurden sie im Lager Treblinka ermordet. Tochter Luise war 1938 nach Kalkutta emigriert.“

Nach den Texten sind die fünf KBK-Azubis aus dem Bereich Straßenunterhaltung aktiv. Sie stehen Künstler Gunter Demnig bei seiner Arbeit zur Seite und verlegen das Mosaik um die glänzenden Stolpersteine herum. Denis Misini ist dabei und sagt: „Wir waren in der Villa Merländer und haben dort Dinge über die Einrichtung, das Haus selbst und Richard Merländer erfahren, die wir bisher nicht kannten.“

Von der Wilhelmshofallee führt der Weg zur zweiten Verlegstelle. Im Haus an der Grenzstraße 59 wohnte die Familie Hirtz/Pappenheimer, die Genozid-Opfer in den Lagern Chelmno, Treblinka, Auschwitz und Izbica wurde.

Die dritte Stelle ist am Bismarckplatz 83. Dort wurde an Felix Kaufmann erinnert, der aufgrund einer geistigen Erkrankung in die Jacoby’sche Anstalt Bendorf-Sayn eingeliefert wurde, wo er von den Nazis wegen seiner Krankheit ermordet wurde. Die vierte Stelle war das Haus an der Luisenstraße 147. Die dort verlegten Steine erinnern an die Familie Bach. Das Ehepaar Henriette und Albert Bach sowie der älteste Sohn Henry wurden 1941 deportiert und ermordet.

Die fünfte Stelle befindet sich am Ostwall 263 und 265. Dort geht es um zwei Frauen, Rosa Glauberg und Karolina Kanthal, die deportiert und ermordet wurden. An der Tannenstraße 141 erinnert ein Stein künftig an Heinz Schriesheimer, der 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet wurde.

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