Wirtschaft So kommt der Spekulatius zu seiner Form

Krefeld · Seit 1872 ist die Niederrheinische Formenfabrik Janssen am Markt. Heute produzieren die Krefelder für eine exklusive Kundschaft.

 Inhaber Andreas Kalweit überprüft die Gravur einer Formwalze, die gerade aus der Fräsmaschine kommt.

Inhaber Andreas Kalweit überprüft die Gravur einer Formwalze, die gerade aus der Fräsmaschine kommt.

Foto: Bischof/Andreas Bischof

Wenn es stimmt, dass die Deutschen in Krisenzeiten vermehrt zu Süßigkeiten greifen, dann haben Andreas Kalweit und seine Frau Petra Gersch ein sicheres Geschäft. Das Ehepaar führt den Krefelder Familienbetrieb Niederrheinische Formenfabrik Janssen in der fünften Generation. Die Manufaktur an der Moerser Straße hat alle Auf- und Abschwünge in der Wirtschaft seit 1872 mitgemacht und bedient heute eine Nische. Das Unternehmen stellt Formmaschinen und Handgeräte für Gebäck her.

Kleine Walzen mit unterschiedlichen Motiven kommen dabei zum Einsatz. Die Kunden können auch individuelle Motive bestellen. Auf der Homepage des Unternehmens kann man sich die „Themenwelten“ anschauen. „Janssen formt Geschmack“ heißt der Leitspruch des kleinen Betriebs mit derzeit elf Mitarbeitern, der aber Kunden von den Philippinen bis nach Amerika hat. „Wenn es in der Welt kriselt, haben wir viel zu tun. Das ist eine relativ stetige Einnahmequelle“, sagt Inhaber Kalweit. Die Abkühlung im Maschinenbau habe sich noch nicht auf Janssen ausgewirkt: „Wir stehen sehr gut da.“

1872 war es Gerhard Janssen, der Holzformen für Spekulatius herstellte. Er gewann damals viele Formenstecher aus der Gewerbeschule. Sie alle stellte er an. Es wurde geschnitzt und die Waren auf den Märkten verkauft. Sein Sohn Fritz arbeitete dann schon mit Holzrollern. Später wurden daraus Handgeräte.

Heute produziert die Firma Maschinen mit hohen Ansprüchen an Design. Jede Generation hat quasi mit anderen Maschinen gearbeitet. Andreas Kalweit kam vor zehn Jahren an die Spitze des Unternehmens. Sein Vater suchte einen Nachfolger, er fragte seinen Filius, der eine Schlosserlehre bei ihm gemacht hatte. Entweder Verkauf oder Übernahme. Das waren die Optionen. Eine Woche hatten Kalweit und Gersch Bedenkzeit. Dann sagten sie zu. Heute ist Kalweit Uni-Professor in Wuppertal für Industriedesign. Seine Frau ist Geschäftsführerin, sie kümmert sich um die Abwicklungen und Strategie.

Die beiden Krefelder führen das Nischen-Unternehmen. Früher gab es vier bis fünf solcher Formmaschinenbauer am Niederrhein. „Durch das Bäckerei­sterben aber ist die Nachfrage eingebrochen“, sagt der 51-Jährige. Alle Geräte werden in Krefeld produziert. Die Hälfte von ihnen geht ins Ausland. Da ist hohe Qualität ein Anspruch und Muss, um auf dem Markt zu bestehen. „Wir haben keinen Kundendienst. Die Maschinen müssen 20 Jahre halten. Wir müssen Reklamationen vermeiden. Das wäre das Ende der Firma“, sagt Andreas Kalweit. Ein treuer Kundenstamm, der sich auf die Qualität der kleinen Fabrik verlässt. „Unsere Produkte sind langlebig. Wir setzen auf Nachhaltigkeit“, sagt der Inhaber.

Die Philosophie ist schnell umrissen: „Authentizität, Wertigkeit, Individualität und auch respektvoller Umgang mit der jungen Generation“, verrät Kalweit. Bescheidenheit und Achtsamkeit seien extrem wichtig, um in der Branche erfolgreich zu sein. „Wir sprechen mit unseren Maschinen auch die junge Generation an, die mehr Sinn für Design hat“, sagt er. Vor allem seien dies exklusivere Bäckereien und Konditoreien.

Die Mitarbeiter sind ein erlesener Kreis. Sie sollen ins Betriebsklima passen, reden bei Neueinstellungen mit, müssen aber auch verschiedene Fähigkeiten besitzen: „Unsere Mitarbeiter können mehr als normale Fachkräfte. Jeder muss vieles drauf haben bei uns. Wir fertigen alles selbst.“

Grafik-Design, Montage, Fräßarbeit, bald auch Anwendungstechniker – um nur einige Tätigkeitsfelder aus dem Spektrum der Firma zu nennen. Zwei Mitarbeiter hat Janssen kürzlich an die Konkurrenz verloren, die Stellen werden neu besetzt.

Um die Nachfolge in der Führung wollen sich die Anfang-Fünfziger Andreas Kalweit und Petra Gersch bald kümmern, sie wollen nicht noch zehn Jahre warten. Die 14-jährige Tochter möchte allerdings Tierärztin werden. Was noch nicht ist, kann ja noch werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort