Jubiläum Das Flaggschiff unter den Fusionstheatern

Krefeld · Die Theaterehe zwischen Krefeld und Mönchengladbach wird vor 70 Jahren geschlossen. Anfangs gibt es viel Kritik – heute sind alle glücklich darüber.

 Historische Fotos des Theaters Krefeld hat das Krefelder Stadtarchiv unserer Redaktion zur Verfügung gestellt. Im Bild das Theatergebäude im Jahr 1976.  

Historische Fotos des Theaters Krefeld hat das Krefelder Stadtarchiv unserer Redaktion zur Verfügung gestellt. Im Bild das Theatergebäude im Jahr 1976.  

Foto: Stadtarchiv Krefeld

Bei Eheleuten spricht man von der Gnadenhochzeit: Vor 70 Jahren haben Vertreter der Städte Mönchengladbach und Krefeld den Vertrag für das neu gegründete Gemeinschaftstheater unterzeichnet. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die verminderten Kosten. Das älteste Fusionstheater Deutschlands begeht sein Jubiläum in schwierigen Zeiten: Ausgerechnet jetzt fallen alle Vorstellungen wegen der Corona-Pandemie aus.

Wie in jeder Beziehung gab es Krisen und Konflikte – bis hin zu drei Beinahe-Scheidungen. Aber weder in Krefeld noch in Mönchengldbach herrscht heute ernsthaft ein Zweifel daran: Die lange Theaterehe ist eine Erfolgsgeschichte.

In den Anfangsjahren hatten ausgerechnet die sonst ja immer alles (besser) wissenden Journalisten damit nicht gerechnet. „Kommunalpolitisch, wirtschaftlich und künstlerisch unsinnig“, lautete eines ihrer knackigen Urteile jener Zeit. In einer Zeitungsüberschrift wurde gar das Zusammengehen als „Grotesker Tanz um Goldenes Fusionskalb“ bezeichnet.

Beim 50-jährigen Bestehen der Theaterehe im Jahr 2000 konnte sich der damalige Generalintendant Jens Pesel einen genüsslichen Seitenhieb auf diese kapitalen Fehlurteile nicht verkneifen. „Mäkelige Journalisten klopften ihren Geist nach Witz ab“, schrieb er damals über das Rauschen im Blätterwald des Jahres 1950. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass die Fusionsverhandlungen zeitweilig eher Konfusionsverhandlungen gewesen seien.

Tatsächlich gab es Proteste der Mitarbeiter, die um ihre Jobs fürchteten, und tumultartige Szenen. In Gladbach musste die Polizei vor der entscheidenden Ratssitzung am 19. April 1950 sogar den Ratssaal sperren. Äußerst knapp mit 22 zu 21 Stimmen wurde die Fusion dort schließlich abgesegnet.

Nach dem fürchterlichen Krieg spielten die Theater in beiden Städten zu jener Zeit auf Behelfsbühnen: In Krefeld war das Theater an der Rheinstraße – es befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum WZ-Pressehaus – dem Bombenhagel von 1943 zum Opfer gefallen. Als Spielstätten dienten deshalb die Burg Linn, das Dreikönigenhaus und die Aula des Lyzeums (später: Ricarda-Huch-Gymnasium). Und die erste Premiere des Gemeinschaftstheaters in Gladbach, die Oper „Carmen“, wurde im September 1950 in der Kaiser-Friedrich-Halle gezeigt.

In den Folgejahren erlebten beide Städte den Neubau von Spielstätten. In Krefeld entstand am Theaterplatz 1952 als Provisorium die sogenannte Kulturscheune. 1963 konnte schließlich das heutige Theatergebäude mit „Don Giovanni“ eröffnet werden.

Und auch Gladbach bekam an der Hindenburgstraße ein Theatergebäude. Denn die weitgehend unbeschädigte Spielstätte in Rheydt konnte nicht mehr genutzt werden, nachdem die Städte Mönchengladbach und Rheydt nach dem Krieg in Sachen Theater wieder getrennte Wege gingen. Erst 1977 nach der Städte-Fusion wurde das Theater an der Odenkirchener Straße Teil der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld-Mönchengladbach – anfangs noch als reines Opernhaus.

Eine Aussage von Jens Pesel zum Jubiläum vor 20 Jahren kann sein Nachfolger Michael Grosse sicherlich auch heute unterschreiben: „Für vergleichsweise wenig öffentliche Mittel bekommen die Zuschauer in beiden Städten qualitätsvolles Theater in drei Sparten und ein umfangreiches Konzertprogramm geboten. Ohne die Fusionierung wäre eine Finanzierung dieser Leistungen heute angesichts der gebeutelten kommunalen Haushalte sicherlich nicht möglich.“

Im Hinblick auf seine Arbeit in zwei Städten und zwei Häusern hat Michael Grosse erst kürzlich gespöttelt: „Man ist immer am falschen Platz.“ Er wurde 2010 neuer Generalintendant und musste gleich zu Beginn seiner Tätigkeit eine wichtige Aufgabe umsetzen: Die Vereinigten Städtischen Bühnen wurden in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt.

Zur aktuellen Bedeutung der Bühnen Krefeld-Mönchengladbach sagt er: „In meiner Tätigkeit als Generalintendant, der mittlerweile ununterbrochen seit 29 Jahren fusionierten Bühnen vorstehen durfte und darf, ist die Theaterehe von Krefeld und Mönchengladbach das Flaggschiff unter den Fusionstheatern in Deutschland und zurecht immer Vorzeigebeispiel, wenn es um die Zusammenlegung von Theaterbetrieben ging und geht. Eine absolute Erfolgsgeschichte in künstlerischer, wirtschaftlicher und struktureller Hinsicht, die in ihrer siebzigjährigen Dauer auch alle Krisenphasen erfolgreich meistern konnte. In unserer mittelfristigen Planung fiebern wir jetzt schon der Spielzeit 2024/25 entgegen, die dann eine Jubiläumsspielzeit zum 75. Geburtstag des Fusionstheaters sein wird.“

Der 70. Geburtstag wird übrigens nicht besonders begangen. Theatersprecherin Sabine Mund.: „Es wurden bisher immer die 25er Schritte gefeiert; das werden wir auch weiterhin so handhaben.“

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