Soziales Schritt für Schritt ins selbstbestimmte Leben

Krefeld · Nach der Zeit im Frauenhaus können Betroffene das Leben in der eigenen Wohnung üben.

 V.l.: Anne Schneider und Tanja Himer vom SkF, Martin Novak (Bischöfliche Stiftung „Hilfe für Mutter und Kind“) und Martina Müller-West (Leiterin des Frauenhauses) in der Küche des Projektes an der Blumenstraße.

V.l.: Anne Schneider und Tanja Himer vom SkF, Martin Novak (Bischöfliche Stiftung „Hilfe für Mutter und Kind“) und Martina Müller-West (Leiterin des Frauenhauses) in der Küche des Projektes an der Blumenstraße.

Foto: Dirk Jochmann

Der Schritt in ein Frauenhaus ist wohl einer den schwersten, den man als Frau gehen kann. Er bedeutet den Ausbruch aus einer Situation der Gewalt oder Unterdrückung. Aber er bedeutet auch den vollständigen Kontaktabbruch zum bisherigen sozialen Umfeld, zu Familie, zu Freunden. Arbeitsverhältnisse werden aufgelöst, Kinder von Schule, Kindergarten und Bezugspersonen getrennt.

Der Schritt aus dem Frauenhaus wieder heraus ist allerdings auch nicht einfach. Die Frauen müssen lernen, mit der gewonnen Freiheit und der neuen Verantwortung umzugehen. Mit dem Alleinsein. Und sie müssen natürlich auch erst einmal eine eigene Wohnung finden. „Es ist zunehmend schwierig, geeigneten Wohnraum zu finden“, sagt Tanja Himer, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Krefeld, der hier das Frauen- und Kinderschutzhaus betreibt. Die Verweildauer der Frauen im Frauenhaus sei dadurch höher geworden, so würden Plätze dauerhaft blockiert.

Hier setzt das „Second-Stage“-Projekt des SkF an: Der Verein hat nahe dem Frauenhaus zwei kleine Wohnungen angemietet, in denen Frauen das Alleine-Leben üben können. Maximal drei Monate sollen sie hier übergangsweise, bei Bedarf mit Kindern, leben und weiterhin von Sozialpädagogen betreut werden. „Ziel ist es, die Frauen zu verselbstständigen und sie an ein Leben alleine mit ihren Kindern zu gewöhnen“, sagt Martina Müller-West, Leiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses. Für viele der Frauen sei es eine gänzlich neue Situation.

Die Gründe der Frauen, Schutz zu suchen, seien vielfältig. Körperliche und psychologische Gewalt, Unterdrückung, drohende Zwangsverheiratung oder Misshandlungen durch Pflegekräfte. „Gewalt gibt es in allen sozialen Schichten und Altersgruppen“, sagt Müller-West.

Die meisten Frauen können
kaum etwas mitbringen

Manche Frauen kämen über die Polizei oder ein Krankenhaus ins Frauenhaus, andere über Beratungsstellen oder aus eigener initiative. Gemeinsam haben sie, dass sie in der Regel so gut wie nichts von zu Hause mitnehmen konnten. „Sie beantragen dann Arbeitslosengeld II, aber das deckt natürlich noch lange nicht alle Kosten ab“, so Müller-West. Neue Dokumente, Kleidung, Grundausstattung für den eigenen Haushalt - das alles koste viel Geld.

Für die Einrichtung der beiden Schutzwohnungen gibt es eine Förderung vom Land. Die Bischöfliche Stiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ hat zudem 12 129 Euro für das Modellprojekt zur Verfügung gestellt. „So konnten wir Wohnungen und Ausstattungen finanzieren und unsere Sozialpädagogen ihre Stunden aufstocken“, sagt die Frauenhausleiterin. Zudem stellt die Stiftung für die nächsten drei Jahre 5000 Euro pro Jahr für Sonderausgaben zur Verfügung - beispielsweise für die teure Beschaffung von Papieren aus dem Ausland, oder Herzenswünsche wie ein Fahrrad für die Kinder.

Seit April werden die 50 Quadratmeter großen Wohnungen bereits genutzt. Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv. „Anfangs sind die Frauen noch ängstlich, aber es ist eine gute Übung für sie.“ Und sie kehrten weniger häufig zu ihren Partnern zurück.

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