Moderne Technik am Helios-Klinikum Am Helios-Klinikum hilft jetzt der Roboter dem Chirurgen

Krefeld · Die erste Operation geht dem Reporter recht locker von der Hand. Nur Daumen und Mittelfinger beider Hände sowie der linke Fuß kommen zum Einsatz. Doch das OP-Besteck lässt sich über den Monitor intuitiv bedienen.

 Den Einsatz der Robotik in der Chirurgie am Helios führen (v.l.) Dr. Christoph Wullstein und Prof. Dr. Martin Friedrich vor.

Den Einsatz der Robotik in der Chirurgie am Helios führen (v.l.) Dr. Christoph Wullstein und Prof. Dr. Martin Friedrich vor.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Selbst schwierige Manöver um die Ecke herum bekomme ich schnell in den Griff. Zum Chirurgen fühle ich mich deshalb aber nicht berufen: Ich sitze nur an der Trainingskonsole der roboterassistierten Chirurgie und lasse mich in die ersten groben Handreichungen dieser faszinierenden Technik einweisen.

Die Faszination für das Da-Vinci-Xi-Operationssystem spüren offensichtlich auch Professor Dr. Martin Friedrich, Chefarzt der Urologie am Krefelder Helios-Klinikum, sowie sein Kollege Dr. Christoph Wullstein, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie. Seit Anfang des Jahres können sie auf diese modernste Technik für minimal-invasive Eingriffe (Schlüsselloch-Chirurgie) zurückgreifen. „Man arbeitet langsamer, aber mit einer viel höheren Präzision. Selbst in Bereichen, die man bisher nur ganz schlecht erreichen konnte“, berichtet Wullstein, der schon seit 2002 mit Vorgänger-Modellen Erfahrungen gesammelt hat.

Das System besteht aus einer Steuerkonsole mit Videobildschirm, an der ein Chirurg über fingergeführte Handsensoren die vier Arme mit den Instrumenten steuert. Diese sind am sogenannten Patientenwagen befestigt. Per Fußpedal kann zwischen den Armen gewechselt werden. Am Rechnerturm, dem Herzstück der Anlage, laufen sämtliche Informationen zusammen.

Der verlängerte Arm zittert keinen Millimeter

Dank einer dreidimensionalen Kamera und eingebauter Lichttechnik erhält der Arzt eine 3D-Videoübertragung des Operationsfeldes in HD-Qualität, wobei eine bis zu zehnfache Vergrößerung möglich ist. Alle Bewegungen des Operateurs werden millimetergenau und in Echtzeit auf die extrem beweglichen Instrumentenarme übertragen. Eigene Entscheidungen trifft das High-Tech-Gerät nicht. Insofern ist es also kein „Roboter“, sondern der verlängerte Arm des Operateurs – der allerdings auch bei Ermüdung des Arztes keinen Millimeter zittert.

„Man ist plötzlich Teil der Operation, so als würde man drinnen sitzen“, berichtet Wullstein begeistert. Selbst feine Strukturen von Gefäßen und Nerven sind erkennbar. Vor allem Krebspatienten mit Tumoren an den inneren Organen können von dieser OP-Technik profitieren – müssen es aber nicht. „Ob das Gerät zum Einsatz kommt, wird im Vorfeld mit dem Patienten besprochen. Viele fragen aber schon danach“, berichtet Marina Dorsch, Leiterin der Unternehmenskommunikation am Klinikum.

Bevor Friedrich und Wullstein mit dem System ihre erste Operation am Patienten durchgeführt haben, hatten sie schon unzählige Übungsstunden hinter sich. Sie mussten eine mehrstufige Prüfung durchlaufen und können konkrete Operationen auch 100-mal digital durchspielen, ehe sie tatsächlich am Patienten stattfindet.

Welche Vorteile hat die Roboter-Technik im OP-Saal? Wie Wullstein und Friedrich erläutern, sei der Blutverlust geringer, die Wunden heilen schneller, große äußerliche Schnittwunden werden überflüssig. Neben dem Operateur ist ein speziell geschultes OP-Team sowie ein weiterer Chirurg dabei. Alle haben über die Monitore den gleichen Blick aufs OP-Feld.

Theoretisch wäre es möglich, mit dem Gerät Operationen auszuführen, bei denen der Arzt Hunderte Kilometer entfernt ist. Vorgesehen ist das aber nicht: Der Chirurg bleibt im OP, an der emotionalen Bindung zum Patienten soll sich nichts ändern. „Auch das ist eine ganz normale Operation“, betont Wullstein. Bislang wurden in Krefeld wegen der Corona-Beschränkungen erst rund 20 Patienten so operiert.

Eine Investition in dieses „Flaggschiff“ unter den Operationssystemen ist groß. Laut Marina Dorsch ist das Krefelder Gerät geleast – gekauft würde es Millionen kosten. Gute Nachricht für Krankenkassen und Patienten: Auch beim Einsatz des Roboters wird die Operation nicht teurer.

Professor Friedrich hat mittlerweile damit begonnen vorzuführen, wie ein Harnleiter angenäht werden kann. Millimeterarbeit, bei der der Reporter noch passen muss.

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