Zusammenleben „Wer klingelt, bekommt Hilfe“

Krefeld · Mit einem drahtlosen Auslöser für eine Klingel sollen behinderte Menschen jetzt bessern Zugang zu Ladenlokalen und Arztpraxen bekommen.

 So funktioniert es: Jeanette Merkel klingelt am Cafe Mari an der Stephanstraße an.

So funktioniert es: Jeanette Merkel klingelt am Cafe Mari an der Stephanstraße an.

Foto: Andreas Bischof

Behinderte Menschen stoßen im Alltag oftmals auf Probleme in der Stadt – beispielsweise beim Einkaufen oder dem Arztbesuch. Die Schwierigkeiten beginnen meistens schon vor dem Geschäft. Manchmal ist die Eingangstür zu schwer oder schwingt zu schnell zurück. Oftmals hindert eine Schwelle am ungehinderten Zugang. Mit der neuen Serviceklingel ist Hilfe nun ganz nah und einfach.

„Wer klingelt, bekommt Hilfe“, erklären Jeanette Merkel und Sabine Weinmann. Die beiden Frauen sitzen im Rollstuhl, gehören zur Behinderten-Selbsthilfegruppe im Paritätischen und nennen sich „Die Krebse Krefeld“. Als sie von dem Projekt der Serviceklingel im Fernsehen erfuhren, waren sie sofort begeistert. „Spitze“, fanden es die engagierten Frauen, die nicht aufgeben, sondern sich für mehr Teilhabe am öffentlichen Leben einsetzen und dafür kämpfen.

André Sole-Bergers, Inklusionsmanager der Lebenshilfe im Kreis Viersen, hat das klingelnde Hilfsgerät gemeinsam bei einem Runden Tisch mit dem Kempener Stadtmarketing und Tourismus erarbeitet und im TV vorgestellt. „In der Altstadt sind viele Geschäfte nicht barrierefrei. Die Klingel kann helfen, ohne dass umgebaut werden muss. Der Mensch kann so auf sich aufmerksam machen, ohne zu klopfen oder rufen zu müssen.“ Denn manchmal seien die nicht behinderten Mitmenschen sehr freundlich und helfen, manchmal eher nicht, ergänzen die Frauen.

Das Prinzip ist genial einfach: Überall da, wo Barrieren, wie Treppen und schwere Drehtüren den Zutritt in ein Geschäft oder eine Arztpraxis – beispielsweise für Rollstuhlfahrer – erschweren, werden die relativ kleinen Klingelschilder angebracht.

Das ist eine einfache Sache mit doppelseitigem Klebeband. „Der Klingelknopf funktioniert drahtlos, per Funk, und steuert die Klingel im Ladenlokal an, die lediglich in eine Steckdose gesteckt werden muss“, erklärt Andreas Blinzler vom Paritätischen. „Umbauarbeiten sind nicht notwendig. Wenn es klingelt, heißt es einfach: Zur Türe gehen und Hilfe anbieten.“

Das kleine weiße Schild mit dem blauen Aufdruck zeigt: „Rollstuhlfahrer, Blinde, Menschen mit Rollatoren und Frauen mit Kinderwagen können damit die Hilfe der Inhaber oder ihrer Mitarbeiter anfordern. Es ist eine Information in Blindenschrift darauf angebracht. Die Klingel leuchtet in verschiedenen Farben, 30 Klingeltöne stehen zur Verfügung. Sie ist wetterfest, funktioniert immer.“ Blinzler: „Das Beste daran: Sie ist kostenlos.“

Paritätischer und Lebenshilfe helfen bei der Anschaffung

Seit Mai verteilen Jeanette Merkel und Sabine Weinmann die kleine Klingel mit der großen Wirkung. Dem Paritätischen und der Lebenshilfe in Krefeld gefiel die Idee so gut, dass sie einen finanziellen Beitrag zur Anschaffung von 60 Serviceklingeln für diesen guten Zweck zur Verfügung stellten. Als zusätzlicher Kooperations- und Werbepartner wurde die Stadt Krefeld gewonnen.

„Oberbürgermeister Frank Meyer hat uns nach unserer Einladung sofort besucht und erklärt, dass er es toll findet, dass wir nicht nur nehmen, sondern aktiv daran arbeiten, dass sich etwas ändert“, sagen Weinmann und Merkel. „Wir haben ihm unser Projekt in der Selbsthilfegruppe vorgestellt“, führen sie weiter aus.

60 Klingeln stehen also derzeit zur Verfügung. Drei wurden bisher angefordert und angebracht: Am Café Mari, bei der Lebenshilfe und dem KoKoBe, der Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung.

Blinzler sagt: „Zwanzig weitere Inhaber sind interessiert, wollen die Klingel haben, darunter sind Geschäftsleute und die Verantwortlichen sozialer Einrichtungen. Stets wird sie möglichst an die rechte Seite der Tür geklebt, in etwa 80 Zentimetern Höhe.“

Die beiden Botschafterinnen lassen es sich nicht nehmen, die tönende Hilfe selbst vorbeizubringen. „Wer möchte, kann dann ein Foto machen. Wir stellen es auf die Homepage des Paritätischen.“ „Es ist sicher eine kleine Werbung fürs Geschäft“, sagen Blinzler und Sole-Bergers.

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