Wissenschaft Insektenforscher suchen neues Domizil

Krefeld · Der Entomologische Verein an der Marktstraße ist an seine räumlichen Grenzen gestoßen. Ehrung der Mitglieder wird verschoben.

 Der Entomologische Verein Krefeld beherbergt in seiner Sammlung an der Marktstraße mehr als 3000 Sammlungskästen mit über einer Million Präparaten. Werner Stenmans ist einer der Experten des Vereins und gehört mit zum Vorstand.

Der Entomologische Verein Krefeld beherbergt in seiner Sammlung an der Marktstraße mehr als 3000 Sammlungskästen mit über einer Million Präparaten. Werner Stenmans ist einer der Experten des Vereins und gehört mit zum Vorstand.

Foto: Andreas Bischof

Mit einer 2017 veröffentlichten Studie zum Insektensterben hat der Entomologische Verein Krefeld für ein weltweites Echo in Wissenschaft, Medien und Politik gesorgt. Zu den Autoren der Studie gehören Martin Sorg, Andreas Müller, Heinz Schwan und Werner Stenmans vom Entomologischen Verein. Mitgewirkt an der Ausarbeitung haben aber noch 30 weitere Krefelder. Mit der Studie haben sie die globale Aufmerksamkeit auf ein drängendes Umweltproblem gerichtet und fundierte wissenschaftliche Daten zur Verfügung gestellt. Aus diesem Anlass wird ihnen nach entsprechendem Beschluss im Rat die Ehrenplakette der Stadt Krefeld verliehen. Allerdings aus aktuellen Gründen nicht während einer Feierstunde, die ursprünglich für Mittwoch, 18. März, im historischen Saal des Krefelder Rathauses vorgesehen war.

Wenn auch durch weltweite Anfragen insbesondere von Medienvertretern aufgrund der Veröffentlichung das Leben der Vereinsmitglieder ordentlich durcheinandergewirbelt wurde und immer noch nachhallt, bleibt die eigentliche Arbeit nicht liegen: „Unsere vordringlichste Aufgabe ist die Betreuung und Bewahrung der Entomologischen Sammlung“, sagt Vorstandsmitglied Werner Stenmans. Nach Angabe des Vereins handelt es sich um eine der bedeutendsten Sammlungen in der Region. Deutlich mehr als eine Million Insektenpräparate werden in einer ehemaligen Schule an der Marktstraße nicht nur aufbewahrt, sondern akribisch wissenschaftlich betreut. Jedes Insekt ist somit präzise etikettiert: Art, Fangmethode, Gerätschaften, Örtlichkeit und Finder sind dokumentiert. Hinzu kommen noch 80 bis 100 Millionen Insekten in Flüssigkeiten.

Die meisten Trockenpräparate sind trotz ihrer systematischen und akribischen Sortierung allerdings kaum mit dem bloßen Auge zu identifizieren – weil sie so klein sind. Auch in der freien Natur bleiben somit die meisten von ihnen dem Otto-Normal-Bürger verborgen. Und auch die Experten wundern sich immer mal wieder über Exemplare, deren Existenz bislang gar nicht bekannt war. „Die Kollegen finden immer noch Käfer, die für die Wissenschaft neu sind“, sagt Stenmans.

Sammlung mit unschätzbarem und unersetzbarem Wert

Bei dem Bestand im Haus an der Marktstraße handelt es sich um „unschätzbare und unersetzbare Güter hinsichtlich ihres wissenschaftlichen wie kulturhistorischen Wertes“, schreiben die Entomologen auf ihrer Homepage. Alle heutigen und künftigen Arbeiten würden diese Originale als Datenbasis, als Fundament nutzen, „um von hieraus in der Erkenntnis zu irgendeinem, diese Tierarten betreffenden Thema einen Schritt weiter zu kommen“.

Auch Schülern würden sie gerne einen Einblick in den Bestand und auch ihre Arbeit geben. Allerdings gibt es ein Raumproblem. Eine andere Örtlichkeit steht somit auf dem Wunschzettel des Vereins. Und wer die Räume insbesondere in der obersten Etage betritt, dem bleibt der Sanierungsbedarf des gesamten Gebäudes nicht verborgen.

Die Krefelder Insektenforscher sorgten 2017 für weltweite Aufmerksamkeit. In ihrer Studie „More than 75 percent decline over 27 years in total flying insects biomass in protected areas“ wiesen sie ein Insektensterben dramatischen Ausmaßes nach. Kaum einen Autofahrer gab es wohl nach der Veröffentlichung dieser Studie, der keine Erklärung mehr für die in den vergangenen Jahren fehlenden Überreste der Insekten an der Windschutzscheibe nach Reisen quer durch Deutschland hatte.

Allerdings beließen es die Mitglieder des Entomologischen Vereins Crefeld nicht bei einer Beschreibung des Phänomens. Sie warnten auch vor den Auswirkungen auf den Fortbestand der menschlichen Spezies. Die Folge auch dieser kausalen Verknüpfung war schnell in unserem alltäglichen Umfeld zu spüren: Die Diskussion über die Steingärten, die Insekten keine Nahrung geben, ist danach sehr intensiv und breit entbrannt.

In 27 Jahren hat die Masse um mehr als 75 Prozent abgenommen

Die Krefelder Gruppe hatte herausgefunden und im Oktober 2017 auch publiziert, dass in einem Zeitraum von 27 Jahren an 63 Standorten in Schutzgebieten in Deutschland die Masse fliegender Insekten um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer lobte schon damals das Engagement des Vereins: „Die Entomologischen Sammlungen sind für die Stadt Krefeld ein wissenschaftlicher Schatz von großem Wert“, erklärte der OB damals. „Es ist gut, dass nun eine breite Öffentlichkeit davon erfährt, wie präzise und hartnäckig hier eine so bedeutsame naturwissenschaftliche Forschungsarbeit geleistet wird – und zwar in weiten Teilen ehrenamtlich.“

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