Natur Krefeld: Immer mehr Vorgärten werden zu Schotterwüsten

Krefeld · Der Trend zur (vermeintlich) pflegeleichten Gartengestaltung ist auch in Krefeld verbreitet. Ob und wie die Stadt etwas dagegen unternehmen sollte, ist umstritten.

 Solche Schotterflächen im Vorgarten sind kein Tummelplatz für Bienen und Schmetterlinge.

Solche Schotterflächen im Vorgarten sind kein Tummelplatz für Bienen und Schmetterlinge.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Graue Schotterflächen in ehemals grünen Vorgärten werden immer beliebter. Auch in Krefeld finden sich dazu viele Beispiele. Die Umweltminister der Bundesländer haben vor einer Woche mobil gemacht gegen solche „Steinwüsten“ und die Rückkehr zu mehr Grün gefordert. Doch wie kann das geschehen? Durch Überzeugungsarbeit? Durch finanzielle Anreize? Durch Verbote?

Die Stadt Krefeld hält derzeit nichts davon, die Hausbesitzer über Bebauungspläne zum Grün zu zwingen. Das erklärte Umweltdezernent Thomas Visser auf Anfrage unserer Zeitung. Man wolle „durch Überzeugung rüber bringen“, dass man mit Splitt statt Grün im Vorgarten „gegen die Natur arbeitet“. Diese Zielsetzung werde ein wesentlicher Punkt des Konzepts „Krefelder Klima 2030“ werden, das bis zum Herbst unter breiter Beteiligung der Bürger – von „Fridays for Future“ bis zum Mieterbund – erstellt wird.

Bündnis 90/Die Grünen hatten sich schon im Vorjahr für Aufklärungsarbeit zu Gärten mit artenreichen Pflanzungen eingesetzt. Und die UWG hat für die Ratssitzung am Dienstag, 21. Mai, den Antrag eingebracht, nach dem Vorbild der Stadt Xanten Festsetzungen für Vorgärten festzuschreiben. Der Kreisparteitag der CDU hat dagegen seine Ratsfraktion aufgefordert, sich gegen solche Verbote zu stellen. „Als CDU sollten wir uns für den Schutz des Eigentums sowie der persönlichen Freiheiten einsetzen“, heißt es dazu.

Xanten hatte für Neubaugebiete in der Bauordnung festgelegt: Versiegelungen in Vorgärten dürfen nicht über ein gewisses Maß hinaus gehen, der Rest ist zu begrünen.

Gemeinde informiert über blühende Vielfalt

Die Stadt Köln hat dagegen schon 2019 ein Projekt unter dem Titel „Wildbienenschutz aktiv – ganz Köln macht mit“ gestartet und unter anderem Blumensamen an Bürger ausgegeben. Und die Gemeinde Grefrath im Kreis Viersen fügt dem Grundsteuerbescheid einen Flyer der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW mit dem Titel „Blühende Vielfalt im Vorgarten“ bei.

„Das könnte ich mir auch für Krefeld vorstellen“, sagt Michael Müller, Leiter der Ortsgruppe im Naturschutzbund (Nabu). Aus seiner Sicht sind die „Steinwüsten“, die ordentlich aussehen sollen, eine Modeerscheinung, vor allem in Neubaugebieten. Sie würden zumeist nur noch mit etwas „Anstandsgrün“ und Kunstwerken verziert.

Die Bürger träumten davon, mit diesen Schotter- oder Kiesschichten, die meist auf einem wasserdurchlässigen Vlies aufgebracht werden, weniger Arbeit zu haben – doch das sei ein Irrtum: Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich die Nährstoffe wie Pollen, Samen und Blätter aus der Luft in den Zwischenräumen breit gemacht hätten. Und dann sprießen auch dort die Wildkräuter.

Michael Müller betont: Gärten in Großstädten sind wichtige Rückzugsräume für Schmetterlinge, Bienen und weitere Insekten. Gerade erst hat ein Bericht des Weltbiodiversitätsrats darauf aufmerksam gemacht, dass eine Million Tier- und Pflanzenarten in den kommenden Jahrzehnten vom Aussterben bedroht sind, wenn es zu keinen grundlegenden Änderungen bei der Landnutzung, beim Umweltschutz, bei der Eindämmung des Klimawandels kommt. Eine ökologische Gestaltung der Vorgärten könne dazu einen Beitrag leisten, sagt auch Müller. „Sie bilden ökologische Trittsteine für Pflanzenarten, Insekten und Vögel, die auf der Suche nach Nahrung und Nistplätzen von Trittstein zu Trittstein wandern. Grünflächen liefern saubere, frische Luft. Kies- und Steinflächen heizen sich dagegen stärker auf, speichern Wärme und strahlen sie wieder ab.“

„Bei der Gestaltung kommt es natürlich auf die Auswahl der Pflanzen an“, sagt Müller und warnt vor 08/15-Samentütchen. Neophyten, die nicht nach Krefeld gehörten, müsse man vermeiden. Es gebe nur zwei Lieferanten, die passendes Regio-Saatgut liefern könnten.

Müllers Kollegen vom Nabu in Willich haben kürzlich vorgemacht, wie ein „Vorgarten für Faule“ auch ohne Schotter entstehen kann: Auf einer 80 Quadratmeter großen Fläche wurden ökologisch wertvolle Stauden gesetzt und eine Wildblumenwiese angelegt. So wird nach und nach ein dichter Pflanzen-Teppich entstehen. Die Wege dazwischen wurden mit Mulch bedeckt. „Solchen Projekten müssen wir uns auch in Krefeld stärker widmen“, sagt Michael Müller. Damit aus Gedankenlosigkeit nicht noch weitere Steinwüsten im Vorgarten entstehen.

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