Krefeld hautnah „Die Südstädter halten zusammen“

Krefeld · Bei einem Rundgang durch Lehmheide zeigen sich die schönen und unschönen Stellen des Krefelder Südens.

 Bedrohlich hängt eine Sperrholzplatte über dem Hoftor des sogenannten weißen Hauses im Südviertel.

Bedrohlich hängt eine Sperrholzplatte über dem Hoftor des sogenannten weißen Hauses im Südviertel.

Foto: ja/Werner Dohmen

Keine Frage: Die Menschen im Krefelder Süden ärgern sich über Schrottimmobilien und Schmuddel-Ecken. Davon gibt es nicht wenige rechts und links der Gladbacher Straße. Doch der Stadtbezirk hat auch viele schöne Seiten, betont Bernd Albrecht, seit 26 Jahren Vorsitzender des Bürgervereins Lehmheide (früher: Süd-West), immer wieder – zuletzt auch auf dem Neujahrsempfang des Vereins. Die WZ hat sich mit ihm zu einem Rundgang durch den Südbezirk getroffen.

„Die alte Baumwollspinnerei hat den Bezirk geprägt“, weiß Albrecht und blickt auf eine alte Mauer, die von der längst durch Neubauten ersetzen Fabrik noch übriggeblieben ist. Straßennamen wie Baumwollweg und Spinnereistraße im Umfeld erinnern ebenso an die alte Zeit wie die denkmalgeschützte Arbeitersiedlung an der Ulmenstraße.

Nur wenige Schritte weiter an der Vennfelder Straße steht eine Schrott-Immobilie der besonders hässlichen Art: Das sogenannte „weiße Haus“ – heute eher ein „graues Haus“ – ist ein Schandfleck. Einst befand sich darin ein Bordell, gegen das die Anwohner erfolgreich Sturm liefen. Seitdem steht das Gebäude leer und verfällt immer mehr. Eigentümer war ab 2014 das Land NRW, das 2016 einen Käufer fand. Die Bürger im Südbezirk schöpften Hoffnung, als ein Baustellenschild montiert und Arbeiter gesichtet wurden. Doch seitdem sei nichts mehr passiert, bedauert Bernd Albrecht. Derzeit hängt ein Brett über der Toreinfahrt bedrohlich in Richtung Bürgersteig.

Der Rundgang geht weiter über die Gladbacher Straße hinweg zur Lehmheide. Hier freut sich der Vorsitzende des Bürgervereins, dass ein rund 20-jähriger Kampf 2017 schließlich zum Erfolg geführt habe: Die Straße hat eine neue Fahrbahndecke bekommen, die schon lange nicht mehr benötigten Straßenbahnschienen wurden entfernt. Nur noch alte Strommasten der Straßenbahn-Trasse sind stehen geblieben.

Ein langer Atem war nötig, um etwas zu erreichen. Das gilt vermutlich auch für die Glascontainer an der Lehmheide, die sich in direkter Nachbarschaft zu schmucken neuen Häusern befinden. Bernd Albrecht erinnert an den bisher vergeblichen Einsatz zur Verlegung der Container – zum Beispiel in die direkte Nachbarschaft des Rewe-Marktes. Und kopfschüttelnd erinnert er auch an einen Ortstermin, den man deshalb mit der Verwaltung gehabt habe: „Da wurde uns nur eineinhalb Stunden erklärt, was alles nicht geht.“ Dieses Kapitel ist nach wie vor nicht abgeschlossen.

Entlang der Lehmheide parken viele Autos – unter anderem von Mitarbeitern naher Firmen. „Dabei wäre auf dem großen Parkplatz am Friedhof dafür Platz genug. Doch der ist von der Stadt mit einer Parkscheibenregelung versehen worden“, bedauert Albrecht.

An der Heideckstraße wird gebaut: Auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei sollen zehn Einfamilienhäuser entstehen. So ist es zumindest auf einem Schild am Rande des eingezäunten Geländes zu sehen. Auf diesem befindet sich ansonsten nur ein großer Erdhaufen, ein tiefes Loch – und etliche blaue Müllsäcke mit Dämmmaterial. „Die sind hier offenbar entsorgt worden“, ärgert sich der Vereinsvorsitzende.

Bauarbeiten gibt es auch auf einem Gelände an der Martinstraße, auf dem sich früher die Gaststätte „Zum alten Friedhof“ befand. Daran vorbei geht es in Richtung Kurt-Tucholsky-Gesamtschule. „Die wird sehr gut geführt, leidet bei den Anmeldungen aber unter der Nachbarschaft“, sagt Bernd Albrecht und zeigt auf die andere Straßenseite. Dort befindet sich an der Alten Gladbacher Straße das ehemalige Studentenwohnheim – eine Ruine.

Das alte Studentenwohnheim wirkt wie ein Mahnmal

Wie ein Mahnmal ragt das 44 Jahre alte, zwölfstöckige Gebäude in den grauen Januar-Himmel. Eigentümerwechsel, Abrisspläne, Neubauideen für ein Seniorenheim – all diese Ansätze, das Problem in den Griff zu bekommen, sind gescheitert. Mit einem Bauzaun versucht die Stadt ein Betreten des Geländes zu verhindern, denn die Ruine ist ein ebenso beliebter wie gefährlicher Abenteuerspielplatz. Der Zaun wird nach Auskunft der Stadt regelmäßig kontrolliert, weist beim Rundgang jedoch Lücken auf. „Das reparieren wir“, lässt die Stadt auf Anfrage wissen. Die Kosten für die Pflege des Zauns – schon 9251 Euro sind bisher zusammengekommen – werden dem Eigentümer, der nicht aus Krefeld kommt, in Rechnung gestellt.

„Auch für den benachbarten Kindergarten mit seiner engagierten Leiterin ist das Ganze ein großes Ärgernis“, sagt Bernd Albrecht. Von angeblichen Plänen eines Unternehmens, die Schrottimmobilie zu sanieren und darin Wohnungen zu schaffen, hält er offenbar wenig: Ein Abriss mache wohl mehr Sinn.

Dann geht es über das Gesamtschul-Gelände und die Buchenstraße zurück in Richtung Lutherplatz. Der gilt als sozialer Brennpunkt, doch an diesem kalten, regnerischen Tag ist von der Obdachlosen- und Trinkerszene wenig zu sehen. Lediglich ein kleines Zelt, das auf einer Rasenfläche am Rande aufgebaut worden ist, erinnert daran, dass hier Menschen quasi auf der Straße wohnen.

Der immer stärker werdende Regen zwingt schließlich dazu, den knapp zweistündigen Rundgang mit einem Überraschungsbesuch bei Bezirksvorsteherin Gisela Brendle-Vierke an der Märklinstraße zu beenden. Diese serviert heißen Kaffee in der Küche, betont aber auch, dass der Südbezirk nicht nur „Knackpunkte“ habe, sondern auch viel Grün, Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf sowie gute Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Am Lutherplatz entsteht zudem Krefelds größte Kindertagesstätte. Vor allem aber betont sie die nette Nachbarschaft im Bezirk: „Die Südstädter halten zusammen.“

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