Welle der Hilfsbereitschaft Krefelder Familien bangen um bei Erdbeben in der Türkei verschüttete Angehörige

Krefeld · Die Hilfsbereitschaft und Anteilnahme für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei ist enorm: Auch Vereine, Unternehmer und Privatleute in Krefeld organisieren zahlreiche Hilfsaktionen – am Rathaus wird Trauerbeflaggung gehisst.

Gesammelte Hilfsgüter werden in Lastwagen an der Mevissenstraße aufgeladen. Am Freitag soll der Transport in das Krisengebiet rollen.

Gesammelte Hilfsgüter werden in Lastwagen an der Mevissenstraße aufgeladen. Am Freitag soll der Transport in das Krisengebiet rollen.

Foto: Andreas Bischof

Mehr als 6000 Tote, zahlreiche Verletzte und Vermisste. Ein Erdbeben an der türkisch-syrischen Grenze hat am Montagmorgen ganze Landstriche zerstört. Bis zu 23 Millionen Menschen leben in dem Gebiet. Ihr Schicksal erschüttert die Menschen in Krefeld. Von den 16 296 Menschen mit türkischen und 3578 mit syrischen Wurzeln, die laut statistischem Jahrbuch 2020 der Stadt in Krefeld leben, sind einige direkt betroffen, weil sie Verwandte in den Trümmern im Erdbebengebiet verloren haben.

„Wir wissen von mindestens drei Familien aus Krefeld, von denen Angehörige verschüttet worden sind“, erklärt Salih Tufan Ünal, Sprecher des Vereins Union türkischer und islamischer Vereine in Krefeld und Umgebung. Er sagt, dass sich viele Familien bereits am Montag auf den Weg in die Türkei gemacht haben, um die Rettungskräfte bei den Sucharbeiten in dem weitläufigen Katastrophengebiet zu unterstützen. Auch Verwandte seiner Frau, die aus der am stärksten betroffenen Region Gaziantep stamme, seien in die Türkei gereist. Die weitreichenden Schäden an der Infrastruktur erschwerten jedoch die Anreise. Flugzeuge können nur 300 bis 400 Kilometer an das Katastrophenschutzgebiet heranfliegen. Die restliche Strecke werde mit Bussen zurückgelegt.

Vereine arbeiten mit staatlicher Organisation zusammen

Die Union sammelt seit Montag Geldspenden mit lokalen Gemeinden und Privataufrufen. Das gesammelte Geld wird unter anderem an die staatliche Organisation AFAD gegeben. Deren Hilfskräfte sind mit Krisenteams auf der Suche nach verschütteten Personen und organisieren die Vermittlung von Hilfsgütern. Vor allem Decken, Winterkleidung und Grundversorgungsmittel werden in den betroffenen Gebieten gebraucht, wie eine von AFAD veröffentlichte Liste aufzeigt.

In Krefeld gibt es bereits mehrere Anlaufstellen für die Annahme und den Transport von Hilfsgütern in das Gefahrengebiet. Serkan Olgun, Geschäftsführer von S&W Adler Logistik GmbH, sammelt Hilfsgüter an der Mevissenstraße 66. Bis Donnerstagmittag können Hilfsgüter auf das Firmengelände geliefert werden. Am Freitag schickt Olgun eine Lkw-Kolonne los, die die Güter dann in das Krisengebiet bringt. Auch er arbeitet intensiv mit AFAD zusammen. Seine Firma wird die Fahrt via Social Media live übertragen. So können die Leute verfolgen, wie die Reise verläuft. „Bis zur Grenze brauchen wir circa drei bis fünf Tage, danach müssen wir die Lage der Infrastruktur beobachten. Viele Straßen und Städte wurden zerstört. Es wird sicher zehn Tage dauern, bis wir im Krisengebiet ankommen. Wir stehen in engem Kontakt mit den Hilfsorganisationen vor Ort und beobachten die Lage“, erklärt Olgun im Gespräch mit der WZ.

Das Logistikunternehmen organisiert eine von vielen Spendenaktionen in Krefeld. Auch das Lebensmittelunternehmen Yayla nimmt Hilfsgüter an. Der Imbiss Genc aus Uerdingen hat mit einer Spedition vor Ort in drei Stunden Hilfsgüter für eine komplette Lkw-Ladung gesammelt. Nach kurzer Zeit mussten sie die Annahme von Gütern stoppen. Ein Lkw macht sich am Donnerstag auf den Weg in die Türkei. „Wir sind überwältigt von der großen Unterstützung. Wenn jemand in Krefeld Hilfe braucht, dann sind die Krefelder füreinander da“, erklärte ein Sprecher.

Gebetsabend am Donnerstag in der Krefelder Zentralmoschee

Am Donnerstagabend um 18.30 Uhr findet außerdem ein großer Gebetsabend in der Zentralmoschee in Krefeld statt. Die muslimische Gemeinde erwartet um die 500 Menschen, die für das Wohl der türkischen und syrischen Familien beten wollen.

Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer zeigt sich ebenfalls bestürzt über die Situation: „Wir sind in Gedanken bei den betroffenen Menschen in der Türkei und auch in Syrien, wo seit zwölf Jahren Bürgerkrieg herrscht und die Bevölkerung nun eine doppelte Tragödie erleiden muss. In beide Länder gibt es von Krefeld aus zahlreiche private Verbindungen, viele Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt haben Familie und Freunde vor Ort. Einige sorgen sich um ihre Lieben und versuchen verzweifelt, Kontakt herzustellen. Andere trauern um nahe Menschen, die bei der Katastrophe ums Leben gekommen sind. Soweit wir wissen, gehört unsere Partnerstadt Kayseri nicht zu den am schlimmsten betroffenen Gebieten. Wir werden dennoch Kontakt aufnehmen und unsere Hilfe anbieten.“ Der Oberbürgermeister ordnete zudem Trauerbeflaggung am Rathaus an. Am Dienstagmittag wurden die Flaggen auf Halbmast gesetzt und mit einem schwarzen Trauerflor versehen.

Die Stadtwerke Krefeld haben angesichts der Bilder purer Zerstörung 34 000 Euro an action medeor aus Tönisvorst gespendet – zehn Euro pro Mitarbeiter. Mit dem Geld soll vor Ort mit Medikamenten, Wundverbänden und medizinischer Ausrüstung Hilfe geleistet werden, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Die ersten Pakete mit Hilfsmitteln werden in Tönisvorst gepackt.

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