Krefeld - Die neutrale Insel im großen Krieg

Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg. Die WZ schaut auf die Auswirkungen für Krefeld zurück.

Vor 400 Jahren begann mit dem Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 der Dreißigjährige Krieg. Katholiken gegen Protestanten sowie diverse europäische Mächte kämpfen gegeneinander — und im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation ist etwa ein Drittel der Bevölkerung am Krieg oder dessen Folgen gestorben. Und bald wüteten die Kriegsparteien auch rund um Krefeld.

Doch Krefeld selbst hat Glück. Im Konflikt zwischen der Katholischen Liga mit dem kaiserlichen Haus Habsburg mit Österreich und Spanien, mit dem Herzogtum Bayern und dem Kurfürstentum Köln gegen die Protestantische Union mit der Pfalz, Hessen-Kassel, aber auch Frankreich, den niederländischen Generalstaaten, Dänemark und Schweden ist die Herrlichkeit Krefeld mit der Burg Cracau bereits seit 1607 neutral. Dafür sorgt Prinz Moritz von Oranien, der für die niederländischen Generalstaaten mit den Spaniern diesen Neutralitätsvertrag schloss und stets erneuerte.

Olaf Richter, Leiter Stadtarchiv

Dies führt zwar dazu, dass das katholische Bekenntnis neben dem offiziellen reformierten Bekenntnis bloß noch geduldet wird und Bürger Gelder an die Oranier für die Neutralität zahlen — doch dafür herrscht lange Ruhe und Frieden. Die Literatur bezeichnet diese Krefelder (und Moerser) Neutralität häufig als „kostbarste Errungenschaft“ dieser Zeit. Krefeld liegt in einer Art Insellage innerhalb der kurkölnischen, also katholischen, Territorien.

Krefeld, noch arg geschunden und für knapp zwei Jahrzehnte nahezu unbewohnt nach der völligen Zerstörung im Truchsessischen Krieg 1584 sowie durch den Stadtbrand von 1602, wird in den ersten Jahren noch nicht vom Krieg heimgesucht. Erst im August 1621 lagert ein großes spanisches Herr unter Oberbefehlshaber Ambrosio Spinola bei Willich, acht Kompanien in Fischeln und später 23 Kompanien im Krefeldschen Feld. Spinola selbst hat sein Quartier in Hüls.

Allerdings dürfte es der Neutralitätsstatus sein, der die Spanier wie auch vier Monate später bei einem weiteren „Besuch“ in Krefeld von einem Angriff auf die Stadt abhält. „Krefeld hatte mit den Generalstaaten einen starken militärischen Partner. Dieses heiße Eisen wollten die Spanier nicht anfassen“, sagt Olaf Richter, Leiter des hiesigen Stadtarchives. Dafür sorgt auch Prinz Moritz selbst, der etwa 1623, als die Neutralität zwischenzeitlich auf der Kippe steht, die Garnison direkt um acht Kompanien verstärkt.

Der heftigste Einschnitt war für Krefeld das Pestjahr 1636. Einige Indizien sprechen dafür, dass die Seuche zunächst bei einer Familie in Hüls sowie bei den Soldatenfamilien auf der Festung Cracau ausgebrochen war. 1636 wurden 86 Tote namentlich genannt, die eigentliche Zahl war wohl deutlich höher. Es lässt sich allerdings nicht feststellen, wie viel Prozent der Bewohner in Stadt und Herrschaft Krefeld der Pest zum Opfer fielen. Allerdings wurde Krefeld in den Umlagen der Kontributionskosten (Zwangserhebungen) der Grafschaft Moers als zahlungsunfähig behandelt.

Die Zeit von 1640 bis zum Friedensschluss von Münster 1648 werden als Hessenjahre oder Hessenkrieg bezeichnet. Die Truppen Hessen-Kassels rücken verstärkt gegen Kur-köln vor und fügen in der Schlacht an der Hückelsmay mit Unterstützung der französischen und weimarischen Truppen den Kaiserlichen eine schwere Niederlage zu.

Das neutrale Krefeld ist stark von Reformierten und Mennoniten geprägt, wenngleich die Mehrzahl der etwa 350 Einwohner katholisch ist. Gerade der Einfluss mennonitischer Textilunternehmen führt zum wirtschaftlichen Aufschwung Krefelds nach dem Krieg.

Der zunächst größte Einwanderungsschub kam 1654, also nur sechs Jahre nach dem Friedensschluss. Zwei Jähre später ließ sich der Mennonit Adolf von der Leyen aus Radevormwald in Krefeld nieder, dessen Söhne hier die bedeutendste Dynastie von Seidenfabrikanten gründeten.

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