Fußball Justin Aydin hat ein besonderes Gefühl für Fußball

Der 17-Jährige gehört dem erweiterten Kader der Deutschen Gehörlosen-Nationalmannschaft an, die vom 2. bis zum 15. Juni an der Europameisterschaft in Griechenland teilnimmt.

 Justin Aydin auf dem Sportplatz des TSV Meerbusch.

Justin Aydin auf dem Sportplatz des TSV Meerbusch.

Foto: Ja/Bischof, Andreas (abi)

Mit gerade Mal 17 Jahren als Spieler bei einer Fußball-Europameisterschaft teilzunehmen, davon träumen viele Tausende Nachwuchskicker. Der gehörlose Justin Aydin ist von diesem Traum nur einen Anruf entfernt. Er gehört dem erweiterten Kader der Deutschen Gehörlosen-Nationalmannschaft an, die vom 2. bis zum 15. Juni an der EM in Griechenland teilnimmt und gilt als einer der ersten Nachrück-Kandidaten von Trainer Torben Meyer.

Jeder potentielle Nationalspieler braucht natürlich auch einen Klub, für den er regelmäßig aufläuft. Bei Aydin sind es gleich zwei. Um für die Gehörlosen-Nationalmannschaft spielberechtigt zu sein, muss man in einem Verein für Gehörlose angemeldet sein. Bei Aydin ist dies der Gehörlosen Sportverein Düsseldorf. Doch sein Fokus liegt beim TSV Meerbusch, für den er in B-Junioren-Kreisleistungsklasse antritt. Seit gut dreieinhalb Jahren spielt der 17-Jährige mittlerweile für die Meerbuscher. Trainer Karl-Heinz Winkler hatte ihn in einem Freundschaftsspiel entdeckt. Damals trug Aydin noch das Trikot von Spiel und Sport Krefeld, bei denen er im Alter von neun Jahren seine Laufbahn startete. Dieser Schritt kostete vor allem Justins Vater Sela Aydin, der in der Jugend für den BV Union Krefeld spielte, Überwindung: „Ich war anfangs skeptisch, ob es das richtige für Justin ist, mit dem Fußballspielen anzufangen. Ich wusste nicht ob er den Anschluss findet.“

Die Bedenken legten sich schnell, obwohl Justin nicht wirklich mit seinen Mitspielern sprechen oder sie verstehen konnte. „Justin wusste schnell, wie er sich auf dem Platz Gehör verschaffen konnte. Und neben dem Spielfeld fand er ebenfalls Mittel und Weg, um sich zu verständigen“, sagt Sela Aydin. In seiner damaligen Mannschaft gehörte Justin zu den Leistungsträgern.

Der Zehntklässler kann kaum sprechen und trägt ein Hörgerät. Durch das kann er jedoch nicht alle Geräusche in seiner Umgebung wahrnehmen. Zudem kann er Lippen lesen und natürlich die Gebärdensprache. Sela Aydin erklärt: „Justin spielt fast ausschließlich nach Gefühl und über das, was er mit seinen Augen wahrnimmt. Die Hörgeräte helfen natürlich, aber wenn es beispielsweise regnet, dann funktionieren sie nicht.“ So gab es schon den einen oder anderen kuriosen Moment. Dazu gehören Aktionen, in denen Justin den Pfiff des Schiedsrichters oder die Anweisungen seines Trainers überhört hat. Mit der Zeit hat Aydin seine eigene Technik entwickelt, um sich auf dem Platz zu verständigen. Er blickt dabei öfter zum Trainer als seine Mitspieler. Hinsichtlich der Kommunikationsmöglichkeit ist der TSV Meerbusch ein Glücksfall für den Nachwuchskicker. Mit Jules Carolus hat Justin einen ebenfalls gehörlosen Mitspieler und auch Trainer Winkler beherrscht die Gebärdensprache.

Für Außenstehende ist es ohnehin nicht ersichtlich, mit welchen Handicaps der gebürtige Krefelder auf dem Platz agiert, wenn er als Sechser die Angriffe der Gegner abfängt und in der Offensive das Spiel der Meerbuscher ankurbelt. „Justins Ehrgeiz ist bemerkenswert. Seine größten Stärken sind seine Schnelligkeit und seine Zweikampfstärke“ – so beschreibt Winkler die Vorzüge seines Schützlings. Beim TSV Meerbusch fühlt sich Justin rundum wohl, dennoch gibt er zu: „Am liebsten spiele ich nur mit Gehörlosen.“ Es sei einfacher für Justin unter Gleichgesinnten, weil es mit der Kommunikation innerhalb der Mannschaft, aber auch mit dem Schiedsrichter besser funktioniere, erklärt Justins Vater.

Einmal pro Woche trainiert Justin, der in Krefeld-Hüls die LVR-Luise-Leven-Schule, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Hören und Kommunikation, besucht in Düsseldorf beim GSV. In Meerbusch steht er im gleichen Zeitraum dreimal auf dem Trainingsplatz. Sela Aydin, der seinem Sohn den Sprung in Ober- oder Landesliga zutraut, sagt: „Diese Trainings-Konstellation ist optimal. Das Training in Meerbusch bringt Justin enorm weiter. Er hat sein Level in den vergangenen Jahren stetig verbessert.“

Sollte das Telefon der Aydins nicht klingeln und die Nachnominierung ausbleiben, richtet Justin den Blick nach vorne. Im kommenden Jahr ist die Teilnahme an der U21-Europameisterschaft das große Ziel. Dabei ist Justin eines gewiss: der Stolz der Familie, der gesamten Schule und der Meerbuscher, mit denen er den ersten Titel bereits gewann. Am 1. Mai ist Justin mit dem TSV Meerbusch Kreispokalsieger geworden.

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