Kunst im öffentlichen Raum Aus jeder Perspektive eine neue Sicht

Krefeld · Kunst im öffentlichen Raum: Die Werke von Hans Joachim Albrecht sind an vielen Stellen der Stadt für jedermann vom Straßenraum aus zu erfahren.

 Hans Joachim Albrecht vor seiner Skulptur „Großes Kopfzeichen“ an der Kreuzung Steeger Dyk/Krefelder Straße in Hüls.

Hans Joachim Albrecht vor seiner Skulptur „Großes Kopfzeichen“ an der Kreuzung Steeger Dyk/Krefelder Straße in Hüls.

Foto: Andreas Bischof

Sicherlich ist es ein Genuss, sich jedes Kunstwerk von Hans Joachim Albrecht im öffentlichen Raum einzeln anzusehen. Wer etwas mehr Zeit hat, setze sich am kommenden langen Wochenende doch aufs Rad und genieße eine Retrospektive des Krefelder Bildhauers, Zeichners und Kunstschriftstellers in Corona-Zeiten und fahre die Skulpturen im Straßenraum ab. Stationen können zweimal an der Uerdinger Straße, auf dem Westwall und in Hüls sein. Albrecht würde das gefallen. Schließlich ist das Hauptmotiv seiner Kunst die Bewegung, oder besser: Menschen in Bewegung.

„Es war die Zeit, als der alte Krefelder Hof Geschichte war und der neue an der Uerdinger Straße gebaut wurde“, erinnert sich Albrecht an eine frühe Arbeit von 1969 bis 1970. „Damals entstand die ,Bewegliche figürliche Doppelform’, so der Titel der silbrig-glänzenden Stahlskulptur.“ Hier widmet sich der Künstler dem Element der Dopplung und zusätzlich dem Aspekt der Kinetik.

Albrecht: „Die beiden über drei Meter hohen Stelen drehen sich – wenn der Motor denn funktioniert – in entgegengesetzter Richtung und im unterschiedlichen zeitlichen Rahmen. Eine braucht 60 Sekunden, die andere 55 für eine Umdrehung und exakt 15 Minuten, bis sie sich wieder in Ausgangsstellung befinden.“

Der Bildhauer hat hier das Thema des Hotels aufgegriffen, das Symbol des Kommens und Gehens geschaffen. Der Charme der Skulptur und ihre Intensität zeigten sich, wenn sich in den drehenden, polierten Flächen das Licht und die Umgebung spiegeln, in unterschiedlichem Licht sehe sie plötzlich auch anders aus, erklärt der 81-Jährige.

Eine Weiterführung der Arbeit bildet die – nicht bewegliche – „Figürliche Doppelform“ im Sollbrüggenpark. Hier werden jedem Betrachter die Gedankenverbindung und Deutung des künstlerischen Werkes freigestellt. Er muss jedoch auch hier darum herum gehen, will er das Spiel der Andeutungen sehen.

„Zwischen den beiden Pfosten, im Luftraum, ist die menschliche Figur zu erkennen, der Luftraum bildet die aufrecht stehende Figur, ohne sie wirklich zu zeigen“, erklärt der Künstler. „Die Bewegung und der Körper eines Menschen sind zu erkennen, mit Rücken, Gesäß und Wade.“

Der Betrachter muss sie also umschreiten, die komplexen Körperformen der Stehenden, Gehenden oder Hockenden von Albrecht, um alles zu sehen und zu verstehen. So auch bei dem als „Hockende, entgegengesetzt - Paar“ überschriebenen Werk auf dem Westwall. Hier trifft der Blick auf ausladenden Stahlplatten und erkennt erst nach und nach und dann ganz plötzlich in den Umrissen die viel aktivere Frau neben der ein wenig zurückgelehnten Männerfigur.

In Hüls steht das „Große Kopfzeichen“ – kein Kopf – an der Kreuzung Steeger Dyk/Krefelder Straße. Hier ist zu erkennen: „Keine Farbe hält für immer“, sagt der Künstler und lächelt. „Ich würde mich aber freuen, wenn der Heimatverein, dem das Kunstwerk gehört, einen neuen Anstrich in den genormten Farben Grün und Rot in Auftrag geben würde. Ebenso wie nach dem Motor der Arbeit am Krefelder Hof gesehen werden sollte.“

Auch hier in Hüls gilt: nicht stehen und staunen, sondern um das Werk herumgehen, das auf einem hohen Sockel – über Augenhöhe – steht und somit stets gut sichtbar ist. Platz für die Betrachtung ist auf der Wiese genug, keiner wird von der Straßenbahn auf der vorbeiführenden Linie überrollt.

Von der Haltestelle aus erkennt der Betrachter das Profil, vom Steeger Dyk beispielsweise die schmale Seite. „Der Betrachter wird keiner Sichtweise den Vorzug geben. Es besteht eine Öffnung in der Mitte, den Ohrschlitz.“ Die Seiten sind ausgedreht und eingezogen, fast wie ein Dreieck als Schulterblätter und Halsgrundlage. Der sechseckige Sockel wird ein Dreieck, auf dem die Skulptur an der Kreuzung steht.

Sein Lieblingswerk sei immer sein aktuelles, sagt der Künstler. Derzeit wartet eine Eisenguss-Skulptur von drei Profilen, die sich drehen und höher gehen, wie auf einer Wendeltreppe darauf, nach Warschau transportiert zu werden. „Es handelt sich um eine Arbeit zum politischen Widerstand, der Solidarnosc-Bewegung.“ Nach der Corona-Pandemie wird sie reisen.

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