Architektur 100 Stadthäuser innerhalb der vier Wälle

Krefeld · Baulücken in der Innenstadt bieten das Potenzial, neuen individuellen Wohnraum zu schaffen. Eine Ausstellung zeigt die Möglichkeiten.

 In der am Donnerstag eröffneten Ausstellung „100 Stadthäuser für Krefeld“ im „Labor Stadtkultur“ an der Königstraße 126 zeigt unter anderem Yago Wiedemann seinen Entwurf (l.) für die Rheinstraße Hausnummer 92. Rechts neben dem großen Modell ist das Haus im Querschnitt zu sehen.

In der am Donnerstag eröffneten Ausstellung „100 Stadthäuser für Krefeld“ im „Labor Stadtkultur“ an der Königstraße 126 zeigt unter anderem Yago Wiedemann seinen Entwurf (l.) für die Rheinstraße Hausnummer 92. Rechts neben dem großen Modell ist das Haus im Querschnitt zu sehen.

Foto: Andreas Bischof

In der Krefelder Innenstadt gibt es auffällig viele Baulücken, die auch 75 Jahre nach Kriegsende immer noch nicht geschlossen worden sind. Andererseits fehlen in Krefeld langfristig mindestens 9000 Wohneinheiten. Manche Rechnungen gehen sogar von über 12 000 aus. Obwohl immer mehr Menschen in die Stadt ziehen wollen, ist das Wohnangebot begrenzt ebenso wie Flächen, auf denen neu gebaut werden kann. Dass es innerhalb der vier Wälle in Krefeld bislang nicht beachtetes Potenzial dafür gibt, beweisen Studenten der Fakultät für Architektur der Hochschule München in der am Donnerstag eröffneten Ausstellung „100 Stadthäuser in Krefeld“.

Ein Pendant zum Wohnen auf der grünen Wiese vor der Stadt

Anderthalb Tage lang im vergangenen Oktober haben 25 Studierende mit ihrem Professor Frederik Künzel im Rahmen eines Fachprojektes Krefeld besucht. Initiiert worden war das von der Krefelder Initiative „wirstadt.org“ gemeinsam mit dem Amsterdamer Architekturbüro Mir Architects von Claudia Schmidt, die zuvor in einer ersten Studie mehr als 100 Baulücken im Innenstadtbereich von Krefeld entdeckt und katalogisiert haben. „Die Innenstadt darf nicht ausbluten“, sagt der Krefelder Architekt Rainer Lucas von „wirstadt.org“, indem dort nur noch Arbeiten und Einkaufen möglich ist. Immer mehr junge, gebildete Bürger und Familien ziehe es zum Leben wieder in die Städte. Ihnen will die Initiative mit Hilfe der Studenten Anregungen für das Wohnen in der Innenstadt bieten und sie gleichzeitig auch nach Ladenschluss beleben. „Ein Pendant sozusagen zum Wohnen vor der Stadt“, so Lucas.

Das Krefelder Haus an heutige Wohnansprüche angepasst

Bei ihrem Besuch in Krefeld haben die Studierenden des Masterstudiengangs sich nach einer ersten Begehung für den östlichen Teil der Innenstadt als Projektraum entschieden, wo viele Kriegsschäden noch sichtbar sind, die Grundstücke kartiert und eine ganze Reihe von typischen Krefelder Häusern analysiert. „Sie haben sozusagen danach geschaut, ob eine gemeinsame DNA zu erkennen ist“, erzählt Claudia Schmidt. Dazu zählen eine durchlaufene Trauflinie (Tropfkante eines Daches), durchlaufende Fensterbänder und durchlaufende Sockel. Durch diese durchgängigen Linien entstehe ein sehr harmonischer und zusammenhängender Straßenraum.

Das typische Krefelder Stadthaus ist das Drei- oder Vier-Fenster-Haus, auch als „Krefelder Haus“ bekannt. Für Rainer Lucas liegt der Reiz darin, die Typologie des Krefelder Hauses weiter zu denken und für heutige Wohnansprüche zu entwickeln. Frederik Künzel ist begeistert von dem Potenzial und sieht in solchen Stadthäusern die große Chance, dass sich ein Privatier den Traum vom Wohnen in der Stadt – auch sehr individuell – erfüllen kann.

Die Aufgabe für seine Studierenden lautete, einen Gebäudeentwurf für ein kleines Stadthaus in Zeichnungen und Modell zu erstellen für eine bestimmte Baulücke in der Innenstadt. Yago Wiedemann ist einer von ihnen. Der 23-Jährige ist südlich von München „auf dem platten Land“ aufgewachsen, wie er erzählt. Arbeiten und Wohnen steht für ihn in engem Zusammenhang und „Blickbeziehungen“ zwischen den beiden Lebensbereichen haben für ihn eine große Bedeutung.

Sein Stadthaus im Modell hat er für das Grundstück Rheinstraße 92 entworfen, zwischen McDonald’s und Vodafone-Laden. Seine Studienkollegin Nisa Caylar hat die nächste Baulücke zwei Häuser weiter Richtung Ostwall modellhaft geschlossen. Auf dieser stark frequentierten Straße kann Yago Wiedemann sich ein Stadthaus für jüngere Leute gut vorstellen. Im Erd- und ersten Obergeschoss – optisch auf der Höhe der Fensterfront des Schnellrestaurants – kann er sich ein Ladenlokal für Handwerksprodukte mit Entwurfsbüro in Zusammenarbeit mit mehreren Leuten vorstellen und aufgrund der Grundstückstiefe im hinteren Bereich ein kleines Häuschen, das die dazugehörige Werkstatt aufnimmt. Dazwischen ein grüner Innenhof mit Aufenthaltsqualtität. Im Vorderhaus ab der zweiten Etage hat er Wohnen vorgesehen, obendrauf mit einer zweistöckigen Wohnung inklusive Dachterrasse. Die Dachform orientiert sich an den vorhandenen der Nachbarhäuser.

Vier Wochen lang sind die individuellen Entwürfe zu sehen

Die Ausstellung im sogenannten Stadtlabor der Initiative „wirstadt.org“ an der Königstraße 126 zeigt ganz verschiedene, individuelle und dennoch konkrete Entwürfe für die jeweils ausgesuchten Grundstücke. „Wir wollen damit Lust machen auf städtischen Wohnen“, sagt Frederik Künzel, in der Hoffnung, dass die Besucher die Möglichkeiten und das Potenzial der Krefelder Innenstadt erkennen. „Und Krefeld hat das nötig“, sagt der Professor für Baukonstruktion und Entwerfen, der 2004 mit Ralf Pasel zusammen ein gemeinsames Architekturbüro in Rotterdam gegründet hat und aus dieser Zeit auch die Krefelder Architektin Claudia Schmidt kennt. Heute lehrt und lebt er in München.

Während die Isar-Metropole um 30 000 Einwohner pro Jahr wächst, würden kleinere Städte verwaisen. Um sie wieder attraktiver zu machen, wären solche individuellen Stadthäuser – nicht nur in Krefeld – eine attraktive Möglichkeit zur Belebung der Innenstädte.

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