Koscher? Ein Rabbi macht den Test

Salzsäure und Natronlauge von Covestro werden in der Lebensmittelindustrie verwendet — auch von Herstellern, die nach den jüdischen Speisegesetzen produzieren.

Koscher? Ein Rabbi macht den Test
Foto: Covestro

Krefeld. Ellenlange Listen über Sicherheitsvorschriften, Produktionsabläufe, Inhaltsstoffe gehören in einem Chemieunternehmen wie Covestro in Uerdingen für viele zum Alltag — einmal im Jahr jedoch kommt eine ganz andere Liste ins Spiel. Die bringt Rabbiner Tuvia Hod-Hochwald mit: ein Koscher-Informationsblatt für die europäische Lebensmittelindustrie. Dann überzeugt sich der Seelsorger der jüdischen Gemeinde in Kissingen, dass an den drei Covestro-Standorten in Krefeld, Dormagen und Leverkusen alles koscher ist, also den jüdischen Regeln zur Zubereitung von Essen entspricht.

Dem Rabbi geht es dabei um Salzsäure und Natronlauge, Produkte, die das Unternehmen in der Betriebseinheit Basic Chemicals produziert und in die ganze Welt verkauft.

Die beiden chemischen Lösungen werden auch bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet. Salzsäure zum Beispiel ist zwar in Nahrungsmitteln nicht enthalten, wird aber in der Lebensmittelindustrie zum Reinigen von Anlagen verwendet. „Zu unseren Kunden zählen Hersteller von Lebensmittel-Zusatzstoffen und Aromen, die wiederum große Food-Konzerne beliefern, die für den koscheren Markt produzieren“, erklärt Theo Schablack, Chemotechniker bei Basic Chemicals. Einfach gesagt: Wenn am Ende der Produktionskette das Koscher-Symbol auf die Konservendose gedruckt werden soll, dann muss am Anfang auch die Salzsäure koscher sein.

Dafür müssen die Chemiker nachweisen können, dass wirklich jeder einzelne Produktionsschritt die jüdsichen Speisegesetze erfüllt. „Die jüdischen Speisegesetze verlangen, dass alle Zutaten, die bei der Herstellung von koscheren Lebensmitteln zum Einsatz kommen, selbst auch durch einen Rabbiner entsprechend zertifiziert wurden“, sagt Rabbiner Hod, der für die Zertifizierungen von Nahrungsmitteln von Käse bis Schokolade schon fast die ganze Welt bereist hat. Schon der Vater des gebürtigen Israelis war als Rabbi in Sachen Koscher-Zertifizierung unterwegs. Der Schwiegersohn soll auch Kaschrut-Experte werden.

Hod-Hochwalds Kundenliste liest sich dabei wie das Who is who der Lebensmittelindustrie: Mit Masterfood und Kraft besichtigt und zertifiziert er zwei der bekanntesten und größten Lebensmittelkonzerne weltweit. Darüberhinaus ist Hod der Chef der Kaschrut-Abteilung der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) und Autor einer Kaschrut-Liste.

Für den einmal pro Jahr kontrollierten Basic-Chemicals-Bereich ist es nach eigenen Angaben nicht schwer, koscher zu produzieren. „Bei uns gibt es keine anderen Zutaten als Salz, Wasser und Strom — insbesondere keine tierischen Einsatzstoffe“, erklärt Covestro-Plant-Manager Thomas Wächter. Alle Produkte aus dem Verfahren seien somit rein synthetisch und damit nicht nur koscher, sondern sogar „mehadrin“, also „super-koscher“. „Das bedeutet, auch bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, die während des Passah-Festes, eines der wichtigsten Feste des Judentums, auf den Tisch kommen, dürfen unsere Produkte eingesetzt werden“, erklärt Wächter.

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