Kassiererin (59) schreit - Räuber ergreift Flucht

Drei Jahre Haft für einen 23-Jährigen: Er hatte eine Netto-Mitarbeiterin mit einer Gaspistole bedroht. Das beeindruckte die Frau zunächst gar nicht.

Kassiererin (59) schreit - Räuber ergreift Flucht
Foto: dpa

Krefeld. Als der Richter eine schwarze Gaspistole aus einer Plastiktüte zieht, atmet die Frau im Zeugenstand schwer aus. Sie kennt die Waffe, weil sie am 24. Juli 2013 in ihren Lauf schauen musste. Die 59-jährige Kassierin des Netto-Markts an der Sternstraße hatte an diesem Tag gegen 22 Uhr einen letzten Kunden, den sie wohl nie vergessen wird. Er zückte die Waffe und sagte nur zwei Worte zu ihr: „Kasse auf!“

Am Ende der Verhandlung sollten Vorsitzender und Schöffen des Landgerichtes zur Überzeugung kommen, dass diese Worte der Angeklagte gesprochen haben muss, ein gedrungener 23-Jähriger mit weichen Gesichtszügen und einem Kotelettenbart. Wegen des versuchten Überfalls und Fahrens ohne Führerschein schickte ihn das Gericht für drei Jahre ins Gefängnis und verhängte eine Geldstrafe von 500 Euro.

„Mit dem Überfall habe ich nichts am Hut“, wehrte sich der junge Mann, der in seiner Kindheit bereits eine Schule für Schwererziehbare besuchte. Allerdings kämpfte er vor Gericht gegen eine erdrückende Beweislast an. Ein V-Mann hatte der Polizei gesteckt, dass sich ein Kumpel des Angeklagten auf der Straße damit gebrüstet habe, dass man zusammen „das Ding bei Netto“ gedreht habe — er im Auto, der 23-Jährige im Laden.

Daraufhin durchsuchte die Polizei die Wohnung des Angeklagten und stellte unter anderem eine Gaspistole, eine Sporttasche, ein gestreiftes T-Shirt und eine Schiebermütze sicher. Quasi die Komplettausrüstung des Überfalls, so wie sie die Kassiererin und ein weiterer Zeuge der Polizei aus der Erinnerung nannten.

Dafür hatte der Angeklagte eine Erklärung parat: „Mein Kumpel hatte einen Zweitschlüssel zu meiner Wohnung.“ Dass dieser der Täter im Netto-Markt gewesen sein soll, wollte das Gericht nicht so recht glauben. Die Zeugen konnten sich besonders an das runde Gesicht des Täters erinnern. Der Kumpel, der sich inzwischen nach Moskau abgesetzt hat, hat hingegen eine längliche Kopfform.

Der Kassiererin war außerdem die „sympathische Art“ des Täters in Erinnerung geblieben. „Er war ruhig und nicht aggressiv.“ Laut wurde in der Situation nur die Bedrohte. Sie sagte dem Fremden, sie könne die Kasse nicht öffnen. Als sie merkte, dass ihn das abschreckte, schrie sie ihn sogar an: „Hau ab!“ Sie gab vor Gericht zu, dass sie überzeugt war, ihr Gegenüber fuchtele lediglich mit einer Spielzeugpistole herum.

Doch die Folgen des Überfalls machten sich später bemerkbar. Noch zwei Mal erschien die 59-Jährige zur Arbeit. Dann ging für drei Monate nichts mehr. Nur eine Therapie konnte ihre Angstzustände lindern.

Obwohl kein Geld erbeutet wurde und ein leeres Magazin in der Gaspistole steckte, ließ sich das Gericht auf kein milderes Urteil ein. Schließlich gab es kein Geständnis und das störte den Vorsitzenden sichtlich. „Sie wären gut bedient gewesen, noch einmal in sich zu gehen“, sagte er dem Angeklagten.

Ebenfalls in das Strafmaß eingerechnet wurde eine Verfolgungsjagd, die sich der 23-Jährige mit der Polizei geliefert hatte, nachdem er mit Drogen und Alkohol sowie ohne Führerschein am Steuer erwischt worden war. neuk

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