Wirtschaft in NRW : Industrie und Handel: Die Lage ist bitter, aber es gibt Hoffnungsmomente
Krefeld Die Situation wird so schlecht bewertet wie 2009, die meisten rechnen damit, dass sie sich erst im nächsten Jahr verbessert.
Man kann auch mit den Worten Tiefpunkt und Krise optimistisch klingen. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) Düsseldorf und Mittlerer Niederrhein haben dies mit dem Titel ihres Konjunkturberichts für diesen Sommer geschafft: „Tiefpunkt der Krise erreicht?“ Das impliziert mindestens die Möglichkeit, dass die wirtschaftliche Lage bald wieder besser wird.
Die Zahlen, die die Umfrage bei knapp 800 Betrieben mit rund 75 000 Beschäftigten in der Region ergeben haben, implizieren dies auf den ersten Blick weniger. Sie sind überwiegend Rot oder stehen am Ende einer Kurve, die sich ziemlich senkrecht nach unten neigt. Alle Branchen sind betroffen, am schwersten Dienstleister, Teile des Einzel- und der Großhandel. 18 Prozent aller befragten Unternehmen bezeichnen ihre Geschäftslage als „gut“, 45 Prozent als „schlecht“. Das ergibt ein Minus von 27. Bei den Erwartungen für die nächsten zwölf Monate liegt der Wert sogar fast bei minus 30 – beides ist in den oben stehenden Kurven zu erkennen. Die Krefelder Werte liegen im Vergleich mit dem Durchschnitt in der Region etwas besser, bei minus 22 (Lage) und minus 27 (Erwartungen). So oder so, mit diesen Zahlen ist etwas Positives verbunden – so wie sich im Bericht an weiteren Stellen Momente der Hoffnung finden lassen.
Homeoffice wird in Teilen auch nach der Krise bleiben
Das Gute an den negativen Zahlen bei Geschäftslage und -erwartungen: Sie bilden mit einer Ausnahme (die Kapazitätsauslastungen der Industrie liegen bei 70,8 Prozent) keinen historischen Tiefstand. Sie erreichen ein ähnliches Niveau wie in der Krise 2009, der Wert bei den Erwartungen lag damals sogar deutlich tiefer, bei minus 60. Noch gilt also, dass es vor elf Jahren schlimmer war. „Aber eine zweite Welle würde die Wirtschaft massiv schädigen. Dann müssten wir die Einordnung im Vergleich zu 2009 neu definieren“, sagte Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch.
Zu den weiteren positiven Aspekten gehören die Lerneffekte: Die Unternehmen hätten einen massiven Digitalisierungsschub erlebt, der in dieser Form bis vor kurzem noch nicht vorstellbar gewesen sei, sagte Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Deshalb gehören IT- und Telekommunikationsfirmen zu den wenigen Gewinnern unter den Dienstleistern, während der Rest der Branche, also Gastronomie, Tourismus-, Freizeit- und Unterhaltungsfirmen, leidet. Die Unternehmen hätten zudem neue Strukturen für sich entdeckt, etwa das Arbeiten im Homeoffice. Mindestens Teile davon blieben auch nach der Krise, sagte Berghausen.
Außerdem haben die Unternehmen ihre Lieferketten überdacht. Die längsten roten Balken finden sich bei den Umfrageergebnissen zu den Exporterwartungen. 55 bis 65 Prozent der Unternehmen in den verschiedenen Branchen haben diese Erwartungen als schlechter oder schlecht bezeichnet. Dies und das Wissen, dass andere Länder noch stärker von der Corona-Krise betroffen sind und sich deshalb stärker abschotten, haben zu dem erwähnten Umdenken geführt. „Wir erleben eine Re-Nationalisierung und eine Diversifizierung der Lieferketten“, sagte der Düsseldorfer IHK-Geschäftsführer Berghausen.