Hoever: So war mein Sabbatjahr

Ein Jahr lang sind Wolfgang K. Hoever und seine Frau gemeinsam mit den drei Kindern und dem Kindermädchen mit nur jeweils einem Koffer durch die Welt gereist. Der Gründer von inoges erzählt von der Reise zu den wesentlichen Dingen des Lebens.

Hoever: So war mein Sabbatjahr
Foto: Dirk Jochmann

Mark Twain beschreibt es so: „Man muss reisen, um zu lernen“. Wolfgang K. Hoever komplettiert das Zitat mit seinen eigenen Erfahrungen: Man muss reisen, um zu lernen, wie wichtig Bildung für Lösungen ist, wie gut es ist, auch mal loszulassen und wie wertvoll Vertrauen und Familie ist. Ein Jahr lang hat der Krefelder Unternehmer mit seiner Frau Annekathrin Edelmann, den drei Kindern und dem Kindermädchen ein Sabbath-Jahr eingelegt und die Welt bereist. Ohne Luxus, per Bed&Breakfast mitten im Alltags-Leben des jeweiligen Gastlandes. Während dieser zwölf Monate ging der Umbau des denkmalgeschützten ehemaligen Husaren-Casinos zum neuen Firmensitz an der Westparkstraße weiter. Beim Wiedersehen steht Hoever an gleicher Stelle wie vor seiner Abreise, nur jetzt ist alles fertig, die architektonische ursprüngliche Pracht in dem Gebäude wieder erkennbar.

Hoever: So war mein Sabbatjahr
Foto: Andreas Bischof

Für einen Selfmade-Mann wie Wolfgang K. Hoever, der mit dem Salvea Westparkstraße an der Spitze als Modellprojekt für komplementäre Medizin in nur 14 Jahren ein Unternehmen mit 32 Betriebsstätten, über 4,2 Millionen Kundenterminen pro Jahr und rund 1400 Mitarbeitern aufgebaut hat, war diese Reise eine Herkules-Aufgabe. „Loslassen, dem Team vertrauen, das war als Unternehmer schwierig“, gibt Hoever unumwunden zu.

Bis vor einem Jahr galt für ihn die unternehmerische Devise: 80 Prozent Wachstum, 20 Prozent Strukturaufbau. Den Arbeitsauftrag an sein Team formulierte er für seine Abwesenheit genau umgekehrt. Die Organisationsstrukturen mussten an das Wachstum angepasst werden. „Die Mitarbeiter haben einen exzellenten Job gemacht, auch deshalb, weil ich nicht da war“, sagt er heute zufrieden.

Es war aber nicht nur sein unternehmerischer Mut, den Hoever stärken wollte. „Diese Reise diente vor allem der Familienzusammenführung“, erzählt der 61-Jährige. Schon als sein erster Sohn vor bald acht Jahren geboren wurde, plante er einen Paradigmenwechsel, heißt: von nun an mehr Zeit für die Familie. Gleichzeitig wuchs sein Unternehmen mit jedem Vierteljahr. Zwei Jahre später kamen die Zwillinge zur Welt. Zeit nahm er sich immer noch nicht. „Gleichzeitig habe ich aber festgestellt, mir geht etwas verloren, das kommt nicht wieder.“ Und so reifte in den Eheleuten der Wunsch, alles Private hier aufzugeben und für ein Jahr gemeinsam durch die Welt zu reisen.

„Ich hatte zunächst größte Ängste davor, wie ich 24 Stunden lang mit Familie klar komme und was mit dem Unternehmen passiert, wenn ich nicht da bin“, erzählt Hoever offen. Mit nur jeweils einem Koffer pro Person bricht die Familie im August 2016 auf. Haus, Autos, persönliche Gegenstände sind verkauft.

Wie fühlt es sich an, von all dem befreit zu sein? „Gut“, sagt Hoever für die gesamte Familie - auch im Rückblick. Man müsse bereit sein, loszulassen, sich auf Neues einzulassen und sich und dem Anderen zu vertrauen. Dazu gehöre auch, das Scheitern mit einzukalkulieren. Wer davor Angst hat, werde es schwer haben, innerlich zu wachsen. Privat wie auch beruflich.

An insgesamt 367 Tagen war die Familie unterwegs. Die Route führt von Island im Norden bis nach Ushuaia im argentinischen Feuerland im Süden, von den Galapagos im Westen bis nach Fidschi im Osten. Sechs Kontinente, 30 Länder, 100 Unterkünfte haben sie zusammen besucht. Übernachtet wurde in Privatunterkünften, im Camping-Mobil, im Zelt oder auf einem Boot. Nur ein einziges Mal machten die drei Erwachsenen und drei Kinder in einer Ferienanlage Rast - alles gebucht, meist von einem Tag auf den anderen, über eine Reise-App im Internet.

Wolfgang K. Hoever

„In all der Zeit haben wir nirgendwo eine kritische Situation erlebt und wir haben uns immer mitten im Leben bewegt“, sagt Hoever dankbar. Dass dazu auch eine Portion Glück gehört, ist ihm bewusst. Einen Tag, nachdem seine Frau mit den Kindern alleine auf einem Ausflug durch eine auf der Strecke liegende Favela in Rio gelaufen war, wurden an selber Stelle zwei durchfahrende Motorradfahrer erschossen.

Überrascht und beeindruckt ist Hoever noch heute von Südamerika. Vor allem von Peru und dem Titicaca-See. In einer Höhe von über 3800 Metern hatte sich die Familie dort bei den Urus einquartiert, die auf schwimmenden Schild-Inseln mit ihren Dorfgemeinschaften auf dem See leben. „Unter einfachsten Bedingungen, mit Außentoilette und einer Kelle Wasser für die Reinigung.“ Im Einklang mit sich und der Natur, zufrieden und glücklich, wie Hoever es beschreibt. „Das war beeindruckend für uns alle.“ Die Landschaft Neuseelands war zum Verlieben, Australien ein extrem friedliches Land, das von den Problemen und Sorgen des Rests der Welt abgeschirmt zu sein scheint.

Während hier in Deutschland und Europa Umweltschutz und Ökologie hohe Priorität genießen, gehe man in anderen Ländern teils gleichgültig, teils schonungslos mit den Ressourcen um, oftmals zu Lasten der Menschen. Als Beispiel nennt Hoever Indien. Das sei eine Reise wert. „Aber die unglaubliche Menge an Müll, auf der die Menschen sogar vielerorts flächendeckend leben, hat die ganze Familie sehr betroffen gemacht.“

Ebenso die Folgen verheerender Kriege. „Es ist unbeschreiblich, was Menschen anderen Menschen antun können“, sagt Hoever in Erinnerung an den Besuch des Kriegsmuseums von Hiroshima und der oftmals noch heute traurigen, leeren oder sogar toten Blicke älterer Menschen auf ihrer Reise durch Laos und Vietnam.

Das Sprachtalent seiner Frau, sie spricht insgesamt sieben Sprachen, habe ihm und den Kindern auf der Weltreise etwas Entscheidendes gelehrt: „Die Grenzen deiner Sprache, sind die Grenzen deiner Welt“. Es bedarf der Sprache, um anderen Menschen zu begegnen und ihr Leben zu verstehen. „Vor allem unser Ältester hat viel von dieser Reise mitgenommen und oft gefragt, wie man ärmeren, benachteiligten oder kranken Menschen helfen kann?“, erzählt Hoever und gibt auch gleich die Antwort: „Durch Bildung für jeden.“

Bildung und Wissen ermögliche individuelle Lösungen für verschiedene Probleme in der Welt. Besonders sei ihm das in Indien und in Afrika deutlich geworden. Das ist auch ein Grund dafür, dass Hoever und seine Frau - wieder zurück in Deutschland - ihre Salvea-Stiftung ausbauen wollen. Verantwortliches Miteinander durch Förderung des öffentlichen Gesundheitswesen, des Denkmal- und Naturschutzes sowie Erziehung und Bildung ist das erklärte Ziel.

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