Heute gibt’s Resis letzte Brötchen

Resi Krocker schließt ihre Bäckerei an der Martinstraße — nach 70 Jahren. Ihre ersten Brote hat sie mit der Kutsche ausgefahren.

Resi Krocker hat ihre ersten Brötchen 1948 mit der Kutsche und Wallach „Bubi“ ausgefahren. Die bei vielen Kunden heiß geliebten „Weckbuben“ oder „Stutenkerle“ hat sie später, schon ab Oktober, in einer Größe so manch eines ausgewachsenen Erwachsenen — von bis zu 1,60 Meter — verkauft. Und einmal wurde sie beim Ausfahren der Ware sogar überfallen . . .

Heute gibt’s Resis letzte Brötchen
Foto: Andreas Bischof

Margret Kronenberg, langjährige Kundin an der Martinstraße

Viel ist passiert im langen Berufsleben der Geschäftsfrau. Heute ist Schluss für die 83-Jährige, die 70 Jahre hinter der Theke der gleichnamigen Bäckerei an der Martinstraße 37 gestanden hat. Die Stammkunden trauern — und Resi Krocker selbst auch. „Was mache ich denn jetzt?“, fragt Kundin Margret Kronenberg. „Ich bin so gerne in dieses Geschäft gekommen, denn es ist alles lecker und es gibt Salat auf dem zubereiteten Brötchen. Es ist schade, wenn die Infrastruktur wegbricht. Jetzt verabschiedet sich mit Resi Krocker ein Gesicht aus meiner Kindheit.“

Mit dem Arbeitszeit-Ende der Chefin schließt auch die Bäckerei. „Mit mir soll Schluss sein“, erklärt sie. „Das Geschäftslokal bleibt die nächste Zeit leer.“ Das Gebäude ist das Wohn- und Geschäftshaus, seit ihrer Kindheit. „Schon die Großeltern Hermann und Anna Jansen haben hier von 1909 bis 1949 ihre Bäckerei betrieben“, erklärt sie. „Die beiden bekamen Tochter Gertrud, die den Bäckermeister Johan Blankartz heiratete. Sie waren von 1950 bis 1965 tätig.“ Ihre ältere Tochter ist die jetzige Inhaberin, die den heute verstorbenen Bäckermeister Horst Krocker heiratete. Sohn Holger ist auch in ihre Fußstapfen getreten. Er betreibt mit seiner Frau Sabine die Bäckerei auf der Forstwaldstraße. Er lieferte bisher auch das Angebot für die Martinstraße.

„Ich bin gleich nach der Schule in das Geschäft gekommen“, erinnert sich Resi Krocker. „Wenn der Geselle krank war, stand ich um vier Uhr in der Backstube und habe Brötchen aufgesetzt. Danach ging es zum Verkauf in den Laden, der um 18 Uhr schloss. Erleichterung gab es 1950, da bekamen wir das erste Auto.“ Sie hat sich im Südbezirk immer sehr wohl und sichergefühlt. „Selbst als ich einmal vergessen hatte, die Geschäftstüre abzuschließen, ist nichts passiert. Die Nachbarn haben aufgepasst.“

Anders war es am 5. März 1976. An diesen Tag erinnert sie sich genau. „Ich habe in Tackheide mit dem Wagen Brötchen ausgeteilt. Plötzlich bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf. Dann sprang der Mann in den Wagen und stahl ihn mitsamt der Brötchen. Ich habe danach weitergemacht wie immer.“

Dann öffnet sich wieder die Geschäftstür. Mahmut Tuncel kommt herein und fragt: „Oma, bist du noch einen Tag da?“ Und dann erzählt er: „Ich bin in München geboren und mit sechs Jahren hierhehr gezogen. Für mich war sie stets ,die Oma’. 35 Jahre lang habe ich hier Brötchen und Brot geholt. Jetzt bin jetzt 41 Jahre alt und wohne gar nicht mehr hier. Ich komme dennoch, denn ich schätze die Tradition und die Qualität.“ Er nimmt die Backwaren sogar bei Besuchen mit nach Österreich und in die Schweiz. „Die sollen auch etwas Gutes kosten.“

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