Hartz IV: „Gefordert wird viel, aber gefördert wird nur wenig“

Vor zehn Jahren wurde Hartz IV eingeführt und sollte den Arbeitsmarkt beleben. Doch Betroffene wie Torsten Flanhardt landen auf dem Abstellgleis.

Hartz IV: „Gefordert wird viel, aber gefördert wird nur wenig“
Foto: Jochmann

Krefeld. Er gehört zu jenen Fachkräften, die offenbar von Industrie und Mittelstand gesucht werden wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Torsten Flanhardt ist Ingenieur für Elektrotechnik. Zuletzt war er in einem Ingenieurbüro in Oberhausen beschäftigt. Allerdings steht er seit knapp acht Jahren auf dem Abstellgleis.

Torsten Flanhardt, Hartz-IV-Bezieher

Solange ist der 47-jährige Bezieher von Arbeitslosengeld und Hartz-IV-Leistungen. „Wenn es um Unterlagen geht, fordert das Jobcenter sehr viel“, sagt Flanhardt und bezieht sich auf die Aussagen bei Einführung von Hartz-IV vor zehn Jahren: „Fördern und Fordern“ hieß es damals aus prominentem Politikermund. „Wenn es um Weiterbildung geht, fördert das Jobcenter aber sehr, sehr wenig“, zieht Flanhardt mit bitterem Unterton Bilanz der Unterstützung durch das Jobcenter. „Von einer richtigen Förderung kann nicht die Rede sein.“

Dabei weiß jeder, der sich im Metier ein wenig auskennt, dass Weiterbildung gerade in hoch technisierten Berufen ausschlaggebend bei Bewerbungen ist. Immer wieder habe er sich um Fortbildungen bemüht, aber für mehr als zu Bewerbungs- oder Existenzgründungstrainings habe es nie gereicht. Nach vielen Jahren der vergeblichen Bemühungen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren zu können, haben die Ärzte bei ihm Neurosen festgestellt, Angstzustände, psychische Störungen, Schlaflosigkeit. „Ich könnte noch gut und gerne 20 Jahre lang arbeiten, aber ich bin ausgemustert. Zu alt, zu lange arbeitslos.“

Einigermaßen über Wasser kann er sich mit den Regelsätzen halten. Genau 399 Euro erhält er als Alleinstehender plus limitierte Miete und Heizkosten. Insgesamt sei sein Einkommen damit um mehr als ein Drittel niedriger als bei regulärer Berufstätigkeit. Betrachtet man die Aufschlüsselung der Leistungen, wird klar, warum Flanhardt auf eine Qualifizierung durch das Jobcenter angewiesen ist. Der Anteil für Internet und Onlinedienste liegt bei genau 2,51 Euro pro Monat. Und genau in diesem Bereich, im computer-aided Design (CAD), dem rechnerunterstützten Konstruieren, müsste sich Flanhardt fortbilden, um noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Da er dort offenbar chancenlos ist, nutzt Torsten Flanhardt die Möglichkeiten, die das ökumenische Arbeitslosenzentrum auf dem Westwall 32-34 bietet, um sich in allgemeinen Bereichen weiter zu bilden. Er nutzt dort auch die Möglichkeit, Computer und Internet zu nutzen. Nicht zuletzt aber geht er dort regelmäßig hin, um das zu finden, was ihm anderswo verwehrt wird: „Ein offenes Ohr für meine Sorgen, Anteilnahme, Beratung und Solidarität.“

Flanhardt hat einen Rat an andere Arbeitslose: „Es kann hilfreich sein, wenn sie sich bei Problemen mit dem Jobcenter auch mal an das Ministerium in Düsseldorf wenden. Leider nutzen zu wenig Arbeitslose diese Möglichkeit, daher werden die Probleme bei Hartz IV falsch wahrgenommen. Ich beschwere mich recht häufig beim Ministerium und habe gute Erfahrungen gemacht.“

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