Hammerattacke an Heiligabend: Tatwaffe bei Bekannter geliehen

Im Prozess um versuchten Mord sagten am Freitag Nachbarn des Opfer aus.

Krefeld. „Sie war so blutüberströmt, man sah gar kein Gesicht mehr.“ Die Hammerattacke auf eine 82-Jährige an Heiligabend in deren Wohnung an der Neukirchener Straße ging den Schilderungen eines Nachbarn (69) zufolge mit großer Brutalität zu. Der 74 Jahre alte Manfred S. muss sich dafür wegen versuchten Mordes vor der zweiten großen Strafkammer verantworten.

Als Nachbar des Opfers, der einst mit der Tochter der 82-Jährigen liiert war, hatte er „Mutter“, wie er sie nannte, mehrere Jahre lang betreut. Nachdem S. selbst krank wurde und mehrere Wochen im Krankenhaus behandelt werden musste, übernahm im Oktober vergangenen Jahres eine Betreuerin die Aufgabe der Ansprechpartnerin. Fortan, so schilderten Nachbarn am Freitag im Gerichtssaal, habe die Seniorin Angst vor S. gehabt. „Warum weiß ich nicht“, sagte eine 68-jährige Bewohnerin. Jedenfalls habe die 82-Jährige nachts ihren Schlüssel von innen in der Wohnungstür steckenlassen, damit Manfred S. mit seinem nicht hereinkommen konnte. „Sie hatte Angst, dass er irgendwann vor ihrem Bett steht.“

An Heiligabend jedenfalls war er in ihrer Wohnung. „Um ihr schöne Weihnachten zu wünschen“, wie er später zu Protokoll gab. Stattdessen soll er mit einem Hammer auf die Frau eingeschlagen haben, den er sich am Morgen von einer Bekannten ausgeliehen hatte. „Wofür er den brauchte, hat er mir nicht gesagt“, schilderte die 58-Jährige, die sich regelmäßig mit dem 74-Jährigen zu Frühstück und Abendessen traf. Der blutverschmierte Schlosserhammer lag keine sieben Stunden später in einen Stoffbeutel gepackt im Müllcontainer des Mehrfamilienhauses.

Diesen Stoffbeutel soll S. nach Überzeugung eines benachbarten Ehepaars in der Hand gehalten haben, als es nach gellenden Hilferufen herbeigeeilt war und lautstark das Öffnen der Tür gefordert hatte. Das Opfer kauerte blutüberströmt am Boden, im Flur stand mit blutverschmierter Kleidung Manfred S. „Ich dachte erst noch: Wie schön, der Manfred ist auch da“, sagte die 68-jährige Nachbarin. Doch der blieb wortkarg, soll davon gesprochen haben, die 82-Jährige sei mit dem Kopf gegen den Kühlschrank gelaufen. Währenddessen rief das Opfer ständig, S. solle bloß nicht mit ihrer Geldkassette verschwinden. Einer Polizistin sagte die Schwerverletzte später: „Der wollte immer Geld, aber diesmal habe ich ihm keins gegeben.“

Als der Rettungsdienst kam und die Polizei noch nicht zur Stelle war, habe S. sich dann verabschiedet: „Ich muss jetzt zur Weihnachtsfeier meiner Enkel.“ Der 69-jährige Nachbar protestierte: „Du bist doch der Hauptzeuge.“ Doch S. sei dann verschwunden — kurz. In dieser Zeit hat er nach Überzeugung der Polizei den Hammer im Müllcontainer verschwinden lassen. Ein Rettungssanitäter (45) schilderte am Freitag, wie er den dumpfen Knall beim Hineinwerfen hörte und später gemeinsam mit einer Polizistin in dem Behälter nachschaute.

S., der sich stets liebevoll um die 82-Jährige gekümmert haben soll, habe immer allen geholfen und ein regelrechtes Helfersyndrom gehabt, schilderte die Tochter (45) vor der Strafkammer. Doch in den vergangenen ein, zwei Jahren habe er sich verändert. Die Wohnung, die nach dem Tod der Ehefrau vor zwölf Jahren anfangs nur unaufgeräumt war, verwahrloste zum Schluss völlig. Ihr Vater habe nicht mehr auf körperliche Hygiene und seine Kleidung geachtet, sei uneinsichtig geworden und viel wortkarger als früher. „Das habe ich auf den Alkoholkonsum zurückgeführt.“ Nach eigenen Angaben trank S. durchschnittlich zwei bis drei Flaschen Bier pro Tag, dazu ein paar Ouzo.

Der Prozess wird am 22. Juli fortgesetzt. Dann wird es auch um die Frage gehen, ob das mittlerweile im Heim lebende Opfer aussagen muss. Aus bisherigen Zeugenaussagen ist klar geworden, dass es sich an den Tatabend kaum noch erinnern kann und Angst vor S. hat. Dessen Verteidiger hat aber angekündigt, es sei wichtig, einen Eindruck von der Seniorin zu gewinnen und sie deshalb als Zeugin zu laden.

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