Gute Ausbildung – aber nicht für jeden

Härtefall: Kein Bafög, kein Geld von der Arge – Parimalam Schmithausen wurden jede Menge Steine in den Weg gelegt.

Krefeld. Ob Bafög-Amt, Arge oder Sozialgericht: Mit Ablehnungsbescheiden könnte Parimalam Schmithausen eine Wand tapezieren. Die 32-jährige Alleinerziehende eines achtjährigen Jungen stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand:

Als nämlich die Mutter des noch studierenden Kindesvaters die Miete nicht mehr aufbringen konnte, hätte sie die Schule für Medizinisch Technische Radiologie-Assistenten (MTRA) am Helios-Klinikum eigentlich "schmeißen" müssen - nach fast drei Dritteln der Ausbildungsstrecke. "Vom Kindergeld und Unterhalt für Benjamin hätte ich die Miete nicht aufbringen können." Alternative: Dem Sozialamt auf die Tasche fallen und irgendwie durchs Leben robben.

"Wissen und die Anwendung von Wissen sind das größte Potenzial, das wir in Deutschland haben." Dieser Satz stammt aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung über das "neue BAfög", das Bundes-Ausbildungsförderungsgesetz.

Doch wer die 30 überschritten hat, darf an der "guten Ausbildung, heute wichtiger denn je" offenbar nicht mehr partizipieren: Parimalam Schmithausen hatte die 30 Jahre knapp überschritten, als sie in die MTRA-Schule einstieg.

Und die ist, anders als in anderen Städten, noch nicht einmal kostenpflichtig. Vor allem im Gesundheitswesen nimmt die Zahl der kostenpflichtigen Ausbildungen zu. Beispiele: Rettungssanitäter, Logopäden oder Pharmazeutisch Technische Assistenten (PTA).

Dem einstigen Adoptivkind aus Sri Lanka wird indirekt vorgeworfen, die "Orientierungsphase" von drei Jahren zwischen Schulabschluss und dem Beginn der Kindeserziehung verbummelt zu haben. "Die Praktika und Jobs, die ich in dieser Zeit gemacht habe, interessieren keinen", stellt die 32-Jährige fest, die einräumt, "spät gestartet zu sein".

Bei der Arge unterstellte man ihr anfangs, dass sie die Ausbildung zur Medizinisch Technischen Radiologie-Assistentin nicht gewissenhaft durchziehen könnte. Als sie nach dem Rückzieher der Mutter ihres Ex-Freundes um finanzielle Unterstützung ersuchte, interessierten die vorgelegten Zeugnisse nicht:

Dass sie die knapp zwei Jahre durchgehalten habe, zeige ja, dass sie keine Unterstützung benötige. Ämter-Logik. Dass die Antragstellerin auf andere angewiesen war und sich verschulden musste, das spielte bei den Behörden keine Rolle.

Am liebsten hätte man Parimalam Schmithausen in schlecht dotierte Jobs vermittelt statt ihr eine hoch qualifizierte Ausbildung zu gewährleisten: Als Sicherheitskraft am Flughafen-Check-In, als Telefon-Verkäuferin in ein Call-Center oder als Telefonistin. Die schlanke Asiatin wunderte sich: "Zum Callcenter hat die Arge sogar eine Frau geschickt, die gestottert hat." Marina Dorsch, Pressesprecherin des Helios-Klinikums, bestätigt, dass MTRA’s beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Und dann hat Parimalam Schmithausen doch noch Glück: Ihr Freund, ein früherer Klassenkamerad aus Königshof hat sie in seiner kleinen Wohnung am Lookdyk hinter dem Hülser Berg bei sich aufgenommen. Zu dritt leben sie in einem Wohn-/Schlafraum mit kleiner Küche.

Sandy Schimmer, Kampfsportlehrer, Erste-Hilfe-Ausbilder und Rockmusiker, hat aus seinem Kleiderschrank unter dem Hochbett ein "Kinderzimmer" für Benjamin gebaut. Der besucht die katholische Ganztagsgrundschule "An der Burg" in Hüls, während Mutter täglich mit dem Fahrrad zum Lutherplatz pendelt.

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