Gastronomie Neuer Pächter im Traditionshaus Marcelli

Verberg. · Oliver Janßen leitet nun die Geschicke im Verberger Gasthaus.

 Oliver Janßen (v.l.) ist der neue Pächter der Gaststätte Marcelli, das frühere Betreiberehepaar Inge und Joachim Hansen ist dahinter zu sehen, neben dem Küchenchef Thorsten Friedrich.

Oliver Janßen (v.l.) ist der neue Pächter der Gaststätte Marcelli, das frühere Betreiberehepaar Inge und Joachim Hansen ist dahinter zu sehen, neben dem Küchenchef Thorsten Friedrich.

Foto: Bischof/Andreas Bischof

Mit Oliver Janßen hat das Gasthaus Marcelli einen neuen Inhaber. Der 37-jährige gelernte Koch möchte die Küche samt ihren regionalen und saisonalen Zutaten in die Zukunft führen. Mit Inge Hansen, deren Mutter Gertrud noch eine geborene Marcelli war, und ihrem Mann Joachim, gehen die Vorgänger in den Ruhestand. Das fällt ihnen nicht ganz leicht, zumal sie 35 Jahre lang die Geschicke des Traditionshauses gelenkt haben.

Die Sommerblumen blühen gewohnt prächtig im Biergarten. Im Innenraum herrscht noch geschäftiges Treiben. „Am Freitag, 7. August, geht es los“, sagt Janßen, sichtlich erfreut. Er ist gebürtiger Krefelder und wohnt mit seiner Familie in Uerdingen. „Ich habe in guten Häusern gelernt, beispielsweise meine Lehre im Restaurant Gut Heyenbaum absolviert“, sagt er.

Zwei Jahre lang war er auf der Suche nach einer eigenen Wirkungsstätte. „Per Zufall habe ich erfahren, dass hier ein neuer Pächter gesucht wird. Bei einem ,Blinddate` kamen wir zusammen“, berichtet er und lächelt. „Wir haben oft und lange zusammengesessen und dann gemerkt: Es passt“, sagt der Koch. Mit Küchenchef Thorsten Friedrichs ist sein Bruder mit im Boot.

Wer die Gaststätte betritt, wird auf den ersten Blick hin nicht viele Neuigkeiten bemerken. Der sorgfältig sanierte Terrazzo-Boden glänzt unter den Füßen im denkmalgeschützten Haus. Schließlich kam der erste Marcelli einst aus Italien. Die Theke bleibt, die alte Uhr über dem Stammtisch auch. Dennoch ist es lichter geworden durch helle Gardinen und einen neuen Anstrich.

Janßen wird – bei aller Liebe zu traditionellen Gerichten – durchaus auf Wünsche eingehen. „Es gibt eine neue Speisekarte, alle drei Monate neue Vorschläge für saisonale Gerichte. Dazu biete ich Tagesempfehlungen an, internationale Schmankerln und natürlich auch ein veganes Gericht.“ Die grobe Richtung der niederrheinischen Gastlichkeit bleibe, erklärt er.

Die Kinder des Schmiedes Marcelli machten das Haus zum Lokal

Neben Speckpfannkuchen und Currywurst weist der Inhaber auf seinen neuen Räucherofen hin. „Hier werde ich die heißgeräucherte Forelle zubereiten und das ebenso geräucherte Rumpsteak – das wird richtig gut“, sagt er. Daneben stehen auch Couscous mit Kräuteröl und gebackenem Gemüse neben Salaten auf der Karte.

Janßen greift auf die bewährte Crew zurück, hat sie aber auch vervollständigt. „Das Personal besteht aus sieben Mitarbeitern.“ Derweil sitzen die neuen und früheren Inhaber gemeinsam am Tisch im Biergarten, planen und überlegen. „Wir stehen mit Rat und Tat parat“, erklärt Inge Hansen. „Wir wohnen als Eigentümer ja weiterhin über der Gaststätte. Aber aus Altersgründen legen wir die Geschicke des alten Hauses nun in jüngere Hände“, sagt sie.

Und alt ist das Gebäude wirklich: „Zu den bekanntesten Erinnerungen an das alte Krefeld gehört ein Bild von der Moerser Straße, auf dem ein Botenfuhrwerk und ein über die Fahrbahn niedergehender Schlagbaum zu sehen sind. Das Haus im Hintergrund ist die bekannte Gastwirtschaft Marcelli, an der Ecke der Heyenbaumstraße. Die Wirtschaft geht auf einen ,Böngertsches-Hof` zurück, der schon im Jahre 1660 beurkundet ist.“ Diese Infos gibt es mit der neuen Speisekarte.

Die Tradition des Hofes ist eng mit einer Weggeldstelle verbunden. Sie entstand in einer Zeit, als die Regierung die Städte dazu anhielt, Mittel für die Unterhaltung der Kommunalwege bereitzustellen. Das war um 1832. Zum Ausgleich durften sie „Chausseegeld“ erheben. Dazu wurden – meist bei Gasthäusern – Hebestellen eingerichtet, die durch eine Barriere kenntlich waren.

So auch am „Böngertsches-Hof“, als der Weg nach Moers, bis dahin kaum mehr als eine Karrenspur, zur Landstraße ausgebaut wurde. Die Hebestelle Moerser Straße hieß im Volksmund lange Zeit „An der Barriere“. Als gegen Ende des Jahrhunderts der Chausseezoll wegfiel, verschwand die Einnahmestelle und der Schlagbaum fiel 1898 in sich zusammen.

Im Jahr 1908 stand in der niederrheinischen Volkszeitung zu lesen, Johann Marcelli habe am 6. Juni eine Gastwirtschaft eröffnet. Es waren die Kinder Heinrich, Karoline und Zetta (Elisabeth) des aus Italien eingewanderten Schmiedes Johann Marcelli, die 1908 das zum Verkauf anstehende Anwesen an der Moerser Straße übernahmen und daraus ein Sommerlokal machten. Man baute einen Tanzsaal, wo Husarenuniformen zur Kulisse gehörten und Groschentänze Geld in die Kasse brachten. Wenn bei schönem Wetter die Ausflügler der Straßenbahn entstiegen, um sich bei frisch gebackenem Weißbrot mit Rübenkraut und einer Tasse Kaffee zu erholen, setzte man ein Grammophon ins Fenster.

Dass die Kübel im Biergarten auch weiterhin gedeihen, dafür will Inge Hansen sorgen. Gemeinsam mit ihrem Mann Joachim wird sie das denkmalgeschützte Haus weiterhin hüten, ebenso wie die sechs Schafe auf der Weide unter den Obstbäumen.

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