Jugendtreff „Katakombe“ war die erste Adresse

Krefeld · Die Besucher der ersten Stunde sind Grau geworden, das „Goldene Jubiläum“ des Jugendtreffs feiern sie dennoch.

 Ein Wiedersehen zum Teil nach 50 Jahren gab es jetzt im Gemeindesaal der Pfarre Liebfrauen. Die „Katakombe“ selber gibt es nicht mehr, die Erinnerung an Krefelds ersten Jugendtreff ist aber ungebrochen. Das wurde gefeiert.

Ein Wiedersehen zum Teil nach 50 Jahren gab es jetzt im Gemeindesaal der Pfarre Liebfrauen. Die „Katakombe“ selber gibt es nicht mehr, die Erinnerung an Krefelds ersten Jugendtreff ist aber ungebrochen. Das wurde gefeiert.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Die wenigen Stufen hinunter in die Katakombe waren für Volker Peine und Bernhard Kemmerich immer auch ein paar Schritte in die Freiheit gewesen. Raus aus der Welt der Eltern, hinein in die Welt der Jugendlichen, wo man unter sich war, wo man mal alle Fünfe gerade sein lassen konnte. Oder, wie es Kemmerich heute sagt: „Die Chance, unabhängig von den Eltern den Weg ins Leben zu finden.“ Am Freitagabend hat es im Gemeindesaal der Pfarre Liebfrauen ein Wiedersehen gegeben mit alten Freunden und Bekannten aus der damaligen Zeit der späten 60er und frühen 70er Jahre.

Vor 50 Jahren hatte die Katakombe, eine Jugendeinrichtung an der benachbarten Weberstraße, ihre Pforten geöffnet. Zu diesem Anlass, wie schon vor einigen Jahren, kamen die Männer und Frauen der ersten Stunde noch einmal zusammen. 80 bis 90 Gäste waren am Freitagabend erwartet worden. Die Tür zum Saal öffnete sich im Minutentakt. Das große Wiedersehen wollten sich viele nicht entgehen lassen.

Damaliger Kaplan hatte die Idee zu einem Jugend-Treffpunkt

Der damals 13-jährige Bernhard Kemmerich packte schon mit an, als das alte Kellergewölbe, das im Krieg zerbombt worden war, von Sand und Schutt frei geschaufelt wurde. Man mauerte eine Theke hinein, dazu ein Waschbecken. Die Idee hatte der damalige Kaplan gefasst, einen Treffpunkt für Jugendliche einzurichten. Auf etwa 150 Quadratmetern Raumfläche sollten in den Jahren bis zur Schließung 1989 (es entstand an der Stelle ein Altenheim der Pauly-Stiftung) Freundschaften oder gar Ehen begründet werden, Diskussionen und Filmabende stattfinden. Auch beliebt dabei: Filme des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder. „Wenn eine nackte Brust dann mal zu sehen war, musste der Kaplan auch mal einschreiten“, erzählt Kemmerich heute im Spaß. Immer wieder wird er am Freitagabend von eintreffenden Gästen begrüßt, während er von den alten Zeiten erzählt. Es dauert nicht lange, bis er die Gesichter wiedererkennt.

Joviale Abende gab es damals zuhauf. Das erste Bier, die erste Liebe – die Katakombe war ein Tummelplatz für die, die der vor 50 Jahren immer noch sehr engen Welt der Autoritäten und der Konformität mal entkommen wollten.

Volker Peine demonstrierte schon als Jugendlicher vor dem Krefelder Rathaus gegen den Einmarsch der Sowjets in Prag 1968. Es war die Zeit der 68er-Bewegung. Im Keller dann fand er Freunde fürs Leben: „Viele Beziehungen haben sich hier angebahnt. Viele haben bis heute gehalten“, sagt Peine. Man kannte sich oft aus der Liebfrauenschule um die Ecke. Der heute 65-Jährige erinnert sich auch an TV-Abende während der Fußball-WM 1970, Fahrten nach Brüssel, Amsterdam, England oder Spanien. Mit manchem von damals feiert er seit 50 Jahren noch Silvester. „Man ging mal von zu Hause weg. Es war die Freiheit, mit Gleichaltrigen was zu erleben“, sagt Peine. Und Bernhard Kemmerich fügt an: „Uns wurden mit Ruhe Möglichkeiten eingeräumt, etwas auszuprobieren.“ Beliebt waren aber auch die zahlreichen Konzerte in dem Kellerraum. Bands wie „Empty Bed“ lockten bis zu 300 Besucher in die Katakombe bis zur Überfüllung, wie sich Peine erinnert. Fast jedes Wochenende spielten Gruppen dort unten Musik. Die Katakombe war in ihrer Anfangszeit eine der bekanntesten Jugendeinrichtungen in Krefeld. In einer Vorzeit, in der Netflix oder Handys noch weit weg waren. „Wir haben viel selbst organisiert. Bands bestellt, Getränke gekauft. Es gab einen Vertrauensvorschuss der Eltern“, sagt Kemmerich. „Von der Optik und Atmosphäre her war die Katakombe eine Seltenheit. Echte Keller-Romantik.“ Seine Frau Petra lernte er damals kennen. Noch heute sind die Beiden ein Paar.

Im Kellerraum ging es aber auch um die kleinen Probleme des Alltags. Wenn mal eine schlechte Schulnote ins Haus flog oder die Zeugnisse ausgestellt wurden. „Eine Fünf in Latein wurde mit einem Glas Bier heruntergespült. Die Katakombe war unsere erste Station“, sagt Kemmerich. Für die Musik am Freitag sorgten Dieter Tekook und Michael Kemmerich – wie schon vor 50 Jahren.

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