Foltermord: Zweiter Angeklagter vor Gericht

Prozess: Rattan L. ist vor zwölf Jahren grausam getötet worden. Jetzt wird der Fall wieder aufgerollt.

Krefeld. Der Prozess um einen brutalen Mord an einem Inder (35) vor zwölf Jahren begann mit einer Überraschung: Neben dem 35-jährigen Lakhvir S., der sein Opfer gefoltert und ihm unvorstellbare Schmerzen zugefügt haben soll, wird möglicherweise in wenigen Wochen ein weiterer Mittäter auf der Anlagebank Platz nehmen. Wie Lakhvir S. war Andhir S. (41) nach der Tat in die USA geflüchtet. Dort konnte er vor wenigen Monaten aufgespürt werden. Erst vergangene Woche war er nach Deutschland ausgeliefert worden.

Rattan L. ist auf grausame Weise getötet worden, weil er die Ehefrau eines bereits verurteilten und nach Indien abgeschobenen Mannes (41) am Telefon zum Sex aufgefordert haben soll. Selbst heute ist das noch rätselhaft für die Ermittler, da der aus Dorsten stammende L. die Frau persönlich gar nicht kannte. Sehr wohl aber ihren Mann, Rajinder Pal M., der irgendwann herausfand, wer seiner Frau nachstellte. Mit mehreren Mittätern soll dann die "Bestrafungsaktion" geplant worden sein.

Bei der Verlesung der Anklageschrift schüttelten am Freitag Prozessbeobachter im Zuschauerraum mit den Köpfen ob der Grausamkeiten, die die Staatsanwältin schilderte. So sollen etwa zwölf Täter den Mann am 2. Mai 1995 zunächst in einer Wohnung am Ostwall verprügelt, dann an der Roßstraße stundenlang abwechselnd mit einer Eisenstange auf den am Boden liegenden Mann eingeschlagen haben - auf Arme, Beine und Unterkörper. Dem Inder wurden etliche Knochen gebrochen, schwere Schädelverletzungen zugefügt und schließlich - bei vollem Bewusstsein des 35-Jährigen - beide Kniescheiben zertrümmert. Anschließend soll der nun angeklagte Lakhvir S. entschieden haben: Rattan L. müsse nun "ganz tot gemacht" werden, damit er nicht zur Polizei gehen könne. Die brutalen Misshandlungen und die, so die Staatsanwaltschaft, "nahezu unvorstellbaren Schmerzen" führten schließlich zum Tod. Die Leiche legten die Täter auf einem Gehweg der Lutherstraße ab.

Getreu dem Motto "Mord verjährt nicht" wurde jahrelang nach weiteren Mittätern international gefahndet. Lakhvir S. etwa wurde schon in den Niederlanden und England vermutet, am 4. August 2006 aber in San Francisco aufgespürt. Am 3. Mai wurde er nach Deutschland überstellt. Erst vergangenen Dienstag ist nun auch Andhir S. von den USA ausgeliefert worden. Er war am 11. April in New Jersey festgenommen worden.

Die Staatsanwaltschaft will ihn jetzt schnellstmöglich anklagen. Möglicherweise wird er bei der Fortsetzung des Prozesses am 12. November schon mit im Krefelder Gerichtssaal sitzen. Der Vorsitzende Richter Herbert Luczak machte gestern deutlich, dass er zwei parallele Prozesse mit nahezu identischem Inhalt vermeiden möchte.

Als wichtiger Zeuge geladen werden soll auch der seinerzeit zu lebenslanger Haft verurteilte Haupttäter. Er war nach Verbüßung eines Teils der 1996 verhängten Strafe nach Indien abgeschoben worden und muss jetzt erst einmal ausfindig gemacht werden. Zumindest liegt dem Gericht eine Adresse vor.