Krefeld Fastenbrechen in Krisenzeiten

Krefeld. Die Einleitung macht Hoffnung: „Wir möchten ein deutliches Zeichen für Toleranz und ein friedliches Miteinander setzen. Entmenschlichende Anfeindungen sind kein Mittel, um in unserer demokratischen Welt Konflikte zu lösen“, sagt Mesut Akdeniz, Vorsitzender der Union der türkischen und islamischen Vereine in Krefeld und Umgebung.

Der 1. Vorsitzende der Union Mesut Akdeniz, Lothar Zimmermann Katholikenrat), Gülay Köse (Union, Fadile Rabal (Flüchtling, v.l.) beim Iftar-Essen.

Der 1. Vorsitzende der Union Mesut Akdeniz, Lothar Zimmermann Katholikenrat), Gülay Köse (Union, Fadile Rabal (Flüchtling, v.l.) beim Iftar-Essen.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Wer aber glaubt, Akdeniz nutzt die Veranstaltung für eine klare Positionierung seines Verbandes gegen die Nazi-Beschimpfungen türkischer Medien oder gar gegen die Morddrohungen deutscher Bundespolitiker, sieht sich getäuscht.

Es ist eine schwierige Zeit. Der heilige Monat Ramadan ist überschattet von Terror im Namen des Islams, rechtsradikalen Äußerungen gegenüber Muslimen und einer viel diskutierten und umstrittenen Armenienresolution — nicht zu vergessen die Anzeigenkampagne des türkischen Präsidenten Erdogan gegen deutsche Satire. Das Verhältnis auf diplomatischer Ebene ist zerrüttet. Natürlich findet an diesem Mittwoch trotzdem das gemeinsame Fastenbrechen, veranstaltet durch die Union der türkischen und islamischen Gemeinde, statt. Die Krefelder Muslime sind nicht, wie üblich, auf die Moscheen verteilt, sondern können hier gemeinsam den Iftar — das traditionelle Fastenbrechen — feiern.

Kritische, politische Themen werden in den Reden der Würdenträger zwar angerissen, der Fokus des Abends liegt jedoch deutlich auf Harmonie. Stattdessen wird die Bedeutung des Ramadan ausführlich erläutert, und die friedlichen Werte des Islams werden betont. Die Muslime in Krefeld verstehen sich als friedliche Gesellschaft: „Im Namen aller Muslime distanzieren wir uns von Gewalttaten, Hetze und Hass“, sagt Mesut Akdeniz. Deswegen sind alle Bürger, unabhängig von der Religion oder Herkunft, genauso wie Flüchtlinge eingeladen. „Unsere geflüchteten Freunde gehören genauso zu Krefeld wie wir“, sagt Akdeniz. Die Muslime seien hier zuhause und schon lange keine Gäste mehr. „Die Gästeliste ist so vielfältig wie Krefeld selbst.“

Rund 700 Menschen sind am Mittwochabend erschienen. Es ist das erste Mal, dass die Union zu einer Iftar in diesem Ausmaß einlädt. Man fühlt sich willkommen, die Atmosphäre im eleganten Festsaal ist ausgelassen und herzlich. „Es ist die Zeit der Besinnlichkeit, man solidarisiert sich mit Bedürftigen. In etwa so wie bei den Christen zur Weihnachtszeit“, sagt Tischnachbarin Fatma Ertugrul. Das Essen beginnt um 21.57 Uhr, pünktlich zum Sonnenuntergang. Auf den Tischen stehen bereits Datteln, Brot und Dips. Zur Vorspeise wird eine Linsensuppe serviert.

Danach werden traditionell gewürzte Frikadellen zusammen mit Reis und Gemüse gereicht — die Freude über das Essen ist groß. „Uns geht es schon richtig gut. Man muss sich mal vorstellen, dass es Menschen in Not gibt, die gar nicht wissen, wann sie das nächste Mal etwas zu Essen bekommen“, gibt Oguz Ertugrul, Pressesprecher der Union der türkischen und islamischen Vereine in Krefeld und Umgebung, zu bedenken.

„Wenn die Spiritualität steigt, dann macht einem das Fasten immer weniger aus“, berichtet Oguz Ertugrul. Was sich Nicht-Muslime unter dem heiligen Fastenmonat Ramadan vorstellen, entspricht nicht immer der Realität: Riesige, laute, turbulente Festmahle nach Sonnenuntergang sind eher die Ausnahme. Schön an dieser Zeit sei, dass auch Leute, die sich im Jahr von der Religion distanzierten, gemeinsam mit ihrer Familie fasten würden, sagt Fatma Ertugrul. „Ich bin dankbar für den Respekt und die Akzeptanz der deutschen Gesellschaft.“

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