Europäisches Ranking „Das Affenhaus schnell aufbauen“

Krefeld · Interview Für Zooexperte Anthony Sheridan ist unser Tierpark einer der schönsten seiner Größe in Europa. Er hofft auf tatkräftige Hilfe von allen Seiten.

 Lara und Menolly, die im Oktober nach Walles umgezogen sind, mit Bally, die den Brand im Affenhaus überlebt hat.

Lara und Menolly, die im Oktober nach Walles umgezogen sind, mit Bally, die den Brand im Affenhaus überlebt hat.

Foto: Vera Gorissen

. Anthony Sheridan hat den Krefelder Zoo schon zehnmal besucht – und er ist inzwischen ein wahrer Fan von ihm. Obwohl er nie im Zoo gearbeitet hat, hat er sich seit 2008 in die europäische Zoowelt eingearbeitet und gilt mittlerweile als anerkannter Experte für europäische Zoovergleiche. Zuletzt war der Engländer Anfang November im Krefelder Zoo. Unsere Redaktion sprach mit ihm aktuell über die Brand-Katastrophe im Affenhaus und über das Besondere des Krefelder Zoos.

Sie haben von der Tragödie aus den Nachrichten erfahren. Was haben Sie empfunden?

Anthony Sheridan: Ich bin total schockiert und traurig über die Geschehnisse im Krefelder Zoo. Diese Tragödie ist noch schlimmer, da dies offenbar durch den illegalen Gebrauch von „Himmelslaternen“ geschehen ist, die in Deutschland verboten sind. Mein Mitgefühl gilt den armen Tieropfern des Infernos, den engagierten Tierpflegern und Mitarbeitern des Zoos, dem Zoodirektor, den Zoofreunden und all den vielen anderen Unterstützern dieses beliebten, hochangesehenen feinen deutschen Zoos.

Was wünschen Sie dem Zoo?

Sheridan: Ich hoffe, dass die Verantwortlichen für den Brand vor Gericht gestellt werden, die Versicherung und andere Mittel es dem Zoo Krefeld ermöglichen, dieses Affenhaus so schnell wie möglich wieder aufzubauen und alle damit verbundenen Kosten zu decken. Wolfgang Dreßen, einem der führenden deutschen Zoodirektoren, der sich so sehr für den Zoo Krefeld engagiert und sowohl in der deutschen Zoogemeinschaft als auch bei den Krefelder Bürgern so respektiert wird, wünsche ich viel Erfolg bei der Bewältigung dieser Tragödie. Ich bin sicher, dass er die breite und großzügige Unterstützung erhalten wird, die er reichlich verdient.

Was bedeutet dieses Unglück für die Artenschutzprogramme in Europa?

Sheridan: Im Hinblick auf die einschlägigen Schutzprogramme in Europa ist das wichtigste von dieser Tragödie betroffene Programm das Orang-Utan-Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP). Der Zoo Krefeld ist Mitglied, seine fünf Orang-Utans waren Teil des Programms. Es gibt rund 70 Zoos mit Orang-Utans, darunter etwa 170 Borneo-Orang-Utans. Nimmt man die Gesamtgeburten der Borneo-Orang-Utans der letzten Jahre, so hat der Zoo Krefeld einen Anteil von etwa vier Prozent an der europäischen Gesamtzahl der Orang-Utans.

Sehen Sie eine Möglichkeit, in Krefeld eine neue Zucht mit Menschenaffen aufzubauen?

Sheridan: Mit Blick auf die Zukunft und abhängig von der Verfügbarkeit der erforderlichen Mittel, die ich unter Berücksichtigung der jüngsten Baukosten und vergleichbarer neuer Einrichtungen auf mindestens 20 Millionen Euro schätzen würde, sehe ich keinen Grund, warum nicht eine Ersatzanlage für Orang-Utans und Schimpansen einschließlich der Zuchtbestimmungen gebaut werden könnte, einschließlich natürlich neuer Außengehege. Dabei sollte man bedenken, dass das 1975 eröffnete, ausgebrannte alte Affenhaus von besonderer gestalterischer Bedeutung und Vorbild für mehrere danach gebaute solche Häuser war.

Es werden vereinzelt Stimmen laut, die vom Zoo als Gefängnis für Wildtiere sprechen und auffordern, kein Geld für den Wiederaufbau zu spenden. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Sheridan: Die Anti-Zoo-Lobby, die auf die Haltung von Menschenaffen in Zoos abzielt, ignoriert grundlegendee wichtige Fakten.

Die da wären?

Sheridan: Zunächst die fortschreitende Zerstörung des Lebensraums der Tropenwälder, in denen diese Tiere in der freien Natur leben. Diese Regionen befinden sich in den tropischen Ländern Afrikas und Asiens, wo die menschliche Bevölkerung am schnellsten zunimmt und in Armut lebt, wodurch die Anzahl all dieser Affenarten in einem katastrophalen Tempo reduziert wird, was, wenn es nicht kontrolliert wird, zu ihrer Ausrottung in diesem Jahrhundert führen wird – außer in den Zoos und eingezäunten Reservaten.

Welche weiteren Faktoren für Zootierhaltung gibt es?

Sheridan: Die stetige und deutliche Verbesserung der Haltung dieser Tiere in zugelassenen Zoos. Die „Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft von 2014 führt mit Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe zu sehr deutlichen Verbesserungen der Innen- und Außengehege für diese Tiere. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend in den europäischen Zoos weiter fortsetzen wird. Außerdem erwartet die überwiegende Mehrheit der Menschen, dass sie Zoos mit guten Einrichtungen für diese Affen, die zu den beliebtesten Tierarten in Zoos gehören, besuchen. Die Lebensbedingungen für die Haltung dieser Affen in Krefeld waren von hoher Qualität und das Haus war naturalistisch.

Was gefällt Ihnen insgesamt am Krefelder Zoo?

Sheridan: Das sind viele Faktoren. Das Zusammenwirken von Mitarbeitern und Zoodirektor ist sehr, sehr gut. Das gesamte Gelände ist sehr schön, ein exzellenter zoologischer Garten. Pluspunkte sind auch die moderaten Eintrittspreise unter dem durchschnittlichen Mittelwert.

Wo steht in ihrer Rangliste der Krefelder Zoo?

Sheridan: Es hat seit 2009 insgesamt fünf Ranglisten gegeben und jedes Mal gibt es mehr zu bewertende zoologische Gärten. Der Krefelder Zoo ist in der Gruppe C mit 250 000 bis 500 000 Besuchern jährlich. Dort stand er zuletzt auf Platz drei von insgesamt 44 europäischen Zoos in dieser Gruppe, 2015 war es noch Platz sechs.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie die verschiedenen Zoos?

Sheridan: Die Kriterien sind in drei Gruppen aufgeteilt und in 40 Faktoren untergliedert. Dazu zählen in der ersten Gruppe: Besucherfaktoren, Tiere und Ausstattung wie Gastronomie, Shops und wie gut die Gehege und die Anlage sind. Das macht 46 Prozent aus. 37 Prozent gibt es in der zweiten Gruppe für den wirtschaftlichen und kaufmännischen Bereich. Zuletzt wird Artenschutz, Forschung und Zoopädagogik bewertet.

Investitionen sind ein wichtiges Thema. Allein seit Veröffentlichung Ihres ersten Buches in 2011 sind bis 2016 über eine Milliarde Euro in die von Ihnen besuchten Zoos investiert worden. Ist das wirklich notwendig?

Sheridan: Investitionen sind ganz, ganz wichtig. Zoos stehen enorm unter Druck: Sie stehen untereinander in Konkurrenz und mit allen anderen Freizeiteinrichtungen. Sie müssen immer wieder Neues bieten, damit Besucherzahlen konstant bleiben oder steigen. Außerdem müssen sie zoologische Standards erfüllen. Seit 2014 gibt es ein neues Säugetier-Gutachten, in Kürze kommt eine neues für Reptilien und Vögel dazu. Ein Großteil der Investitionen in den vergangenen Jahren sind wegen des Säugetiergutachtens notwendig geworden. So hat der Zoo in Hannover allein 17 Millionen in seine Elefanten-Haltung gesteckt.

Wie bewerten Sie die Investitionen des Krefelder Zoos?

Sheridan: Er liegt bei dem Punkt unter dem Durchschnitt der anderen Zoos. In den nächsten zehn Jahren planen die 125 Tierparks über 200 Millionen Euro zu investieren, im Schnitt jeweils 1,7 Millionen Euro pro Jahr. In Krefeld lag die Summe in den letzten Jahren bei einer Million Euro. Ziel ist es, zwei Millionen Euro jährlich für die nächsten zehn Jahre zu erhalten inklusive Kostensteigerung. Ich hoffe, dass das klappt.

Welche Investitionen halten sie für erforderlich?

Sheridan: Jetzt vor allem der Wiederaufbau des Affenhauses. Ein wichtiges Zukunftsprojekt ist außerdem die Afrika-Savanne, vielleicht mit Giraffen. Das kostet weitere zwei bis drei Millionen. Für das Publikum sind solche Attraktionen ganz wichtig, das sieht man bei anderen Zoos.

Und was ist mit der Elefantenhaltung in Krefeld?

Sheridan: Es ist sehr traurig, wenn es keine Elefanten in Krefeld mehr geben würde. Aber durch die heutige beengte räumliche Situation auf dem Gelände und den Druck, mehr Platz für andere Tierarten zu gewinnen, wird es schwer, sie weiterhin zu halten. Diese Tiere sind etwas Besonderes – für Besucher und Tierpfleger gleichermaßen, sie sind die Nummer Eins in Zoos. Doch nur wenn es in Krefeld zusätzlichen Platz für sie geben würde, könnte eine Herde unter den heutigen Standards gehalten werden. Wenn Krefeld in den Top-Ten bleiben will, muss es hier Elefanten geben.

Ein wichtig werdender Faktor im Ranking wie für die Zoos selber ist der Artenschutz. Wo steht Krefeld?

Sheridan: Artenschutz ist inzwischen die Hauptaufgabe der Zoos. In Krefeld habe ich ein Problem bei der Bewertung und deshalb bekommt der Tierpark ganz wenige Punkte im Ranking bei der finanziellen Unterstützung von Artenschutzprogrammen. Ich setze fünf Prozent des jährlichen Zoo-Budgets für direkte oder indirekte Artenschutz-Programme und -projekte an. Krefeld gibt dafür weniger als ein Prozent aus. Deshalb gibt es die Überlegung, einen freiwilligen Artenschutz-Euro im Krefelder Zoo einzuführen. Andererseits ist jetzt vor kurzem ein Nachkomme der beiden Krefelder Tiere Nane und Usoni, stark gefährdete Spitzmaul-Nashörner, in Ruanda wieder ausgewildert worden. Zunächst jedoch wünsche ich dem Krefelder Zoo und Wolfgang Dreßen viel Erfolg und Unterstützung bei der Bewältigung der Tragödie und dem Wiederaufbau des Affenhauses.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort