Eine Reiter-Quadrille zum 90. Geburtstag

Aus Trümmern hat Theresia Kühnen mit ihrem verstorbenen Mann, Friedrich-Wilhelm, einen Bauernhof am Hökendyk aufgebaut — morgen feiert sie dort ihren Ehrentag.

Eine Reiter-Quadrille zum 90. Geburtstag
Foto: Andreas Bischof

Als viertes von sechs Kindern war die kleine Tochter herzlich willkommen. Sie sollte nur nicht am 24. Dezember in den dann stark angespannten Geschäftshaushalt geboren werden, hieß es vorab. Die Kleine entschied sich anders und kam prompt am Heiligen Abend 1927 zur Welt. Oftmals ging ihr Ehrentag in Arbeit, Kriegswirren und Wieder-Aufbau verloren. Morgen feiert die Familie jedoch richtig. Denn Theresia Kühnen, die jeder nur Resi nennt und die den Reitstall mit ihrem Mann am Hökendyk aufgebaut hat, wird runde 90 Jahre alt. „Der Maulwurf war wieder im Garten“, berichtet Resi Kühnen bei selbstgebackenen Plätzchen und Kaffee. „Den muss ich vertreiben.“ Logisch, dass sie Garten- und Hausarbeit selbst verrichtet und dreimal in der Woche für Familie und Personal kocht.

Sie sieht auch nach dem Rechten, wenn Sohn Friedhelm mal nicht auf der Anlage weilt. Würde sie behaupten, 70 Jahre alt zu werden, es gäbe kaum Zweifel. Dabei war ihr Leben nicht leicht. Früh schon war sie als gelernte Verkäuferin in der elterlichen Metzgerei Spicker an der Gladbacher Straße tätig. Ihren Mann lernte sie mit 16 Jahren kennen. „Mein Bruder brachte ihn ins Haus. Friedrich-Wilhelm Kühnen kam auf Heimaturlaub, seine Eltern waren tot, der Bauernhof am Hökendyk lag in Trümmern“, berichtet sie. „Wir fütterten ihn als ,unser Jung‘ durch.“ Als künftigen Ehemann hat ihn die 16-Jährige überhaupt nicht gesehen. „Ich war schüchtern.“

Theresia Kühnen

Erst als er 1947 endgültig nach den Kriegswirren mit Gefangenschaft nach Hause kam, funkte es. Er machte ihr einen Heiratsantrag. „Ich sollte Bäuerin auf dem Kühnenhof der Tante an der Inrather Straße werden? Ohne jegliche Kenntnisse?“ Das kam für die junge Frau nicht in Frage. „Ich habe dann erst einmal einen Lehrbetrieb zwischen Vorst und Kempen besucht. Im März 1948 haben wir dann geheiratet. Mit den beiden kleinen Kindern Friedhelm und Marita bewohnten wir dann drei kleine Zimmer auf dem Hof, gegen Miete. Schnell waren wir uns einig, das Geld lieber in etwas Eigenes zu zahlen.“ Das Grundstück am Hökendyk gehörte ihrem Mann und so begannen sie dort mit dem Aufbau der Trümmer. „Ich habe Steine geschleppt. Aus der Ruine entstanden Schweine-, Kuh- und Hühnerstall.“

Die Leute seien später sonntags mit dem Taxi auf den Hof gekommen, um Eier aus dem Automaten zu holen, erzählt sie weiter. Die Gänse waren zur Weihnachtszeit beliebt. Am Heiligen Abend wurden die Braten abgeholt. Kühnen: „Ich stand pausenlos hinter der Theke. Da alle wussten, dass ich Geburtstag hatte, trank mein Mann mit jedem Kunden einen Schnaps auf mein Wohl, ich hatte keine Zeit. Der Abend war dann oft sehr ,lustig‘ mit meinem Friedrich“, sagt sie und lacht herzlich. „Manchmal war der Heilige Abend auch gelaufen.“ Als dann der Reitstall an der Goethestraße 1976 schloss, suchten alle neue Ställe. „Wir haben mit drei Boxen angefangen und dann langsam gesteigert. Später wurden die Ställe abgerissen, neue Boxen gebaut und die erste Reithalle kam hinzu.“

Da sie selbst Hobby-Reiterin war und sonntags mit ihrem Mann auf den Pferden „Skippy“ und „Snoopy“ ausritt, lag die Entscheidung nicht ganz so fern. „1978 haben wir das erste Turnier ausgerichtet“, berichtet Friedhelm Kühnen. „Heute verfügen wir über rund 60 Boxen, zwei Reithallen, eine davon mit internationaler Abmessung, einen Springplatz, ein großes Außenviereck, eine Longier-Halle, eine Führanlage und liegen an einem großen Ausreitgelände.“

Die Kinder leben weiterhin auf der Reitanlage. Ebenso die Mutter. Außer ihnen hat Resi Kühnen fünf Enkelkinder und fünf Urenkel, die sie morgen feiern werden. Eine Geburtstagsüberraschung verrät Friedhelm Kühnen vorab: „Wir haben ihr zu Ehren eine Quadrille mit 24 Reitern zu Geburtstagsmusiken eingeübt. In Turnierkleidung wird das ein toller Anblick und alle, die mögen, können um 12 Uhr gucken kommen. Sie kriegen auch ein Glas Sekt.“ Und was wünscht sich die Geehrte selbst? „Ich habe doch alles“, sagt sie und lacht. „Deshalb möchte ich Geld als Geburtstagsgeschenk. Das will ich dann für soziale Zwecke spenden.“

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