Musik Ein Krefelder macht Musik im Maßregelvollzug

Krefeld · Michael Maas – alias Michael C. Kent – bietet im Therapiezentrum Niederrhein musikalische Förderung für drogenabhängige Straftäter an.

 Der Krefelder Musiker Michael C. Kent macht Musik mit Patienten des Niederrhein Therapiezentrums (NTZ) Duisburg. Hier in dem dafür eingerichteten Zimmer im NTZ.

Der Krefelder Musiker Michael C. Kent macht Musik mit Patienten des Niederrhein Therapiezentrums (NTZ) Duisburg. Hier in dem dafür eingerichteten Zimmer im NTZ.

Foto: Christian Oscar Gazsi Laki

Wie ein gewaltiger Gottesanbeter schiebt sich ein Portalkran hinter den fein säuberlich gebauten mit bunten Farbelementen versehenen Häuserblöcken entlang. Wir befinden uns mitten in einem Industriegebiet, eigentlich kein behaglicher Ort, kein Ort, an dem Menschen miteinander in Kontakt treten, miteinander gar Musik machen; auch auf den zweiten Blick nicht, denn die flachen Häuser, die sich wie eine kleine Stadt um einen zentralen Platz versammeln, gehören zum NTZ Duisburg.

Hinter diesem Kürzel versteckt sich das Niederrhein Therapiezentrum Duisburg: Maßregelvollzug, Forensik. Die beiden Worte wecken sogleich kräftige Emotionen; da denkt man wohl zu aller erst nicht unbedingt an Kommunikation oder gar an gemeinsames Musizieren — schon gar nicht an Augenhöhe. Doch bevor wir eine im sonst eher weniger erfreulichem Kontext dieser Sphäre seltener vorkommen dürfende schöne Geschichte erzählen wollen, um einen Mann, einen Krefelder, muss darüber Klarheit geschaffen werden, was eigentlich in diesem Maßregelvollzug passiert.

Ist der Begriff auch irgendwie nicht wirklich intuitiv, so geht es um das Therapieren von Straftätern, die psychisch krank oder suchtkrank sind. Im NTZ geht es ganz explizit darum, männliche drogenabhängige Straftäter zu therapieren. Nach Paragraph 64 des Strafgesetzbuches. Das bedeutet im Klartext, im NTZ sollen Männer, die mit einer Suchterkrankung zu kämpfen haben und zeitgleich wegen einer Strafe verurteilt wurden, von ihrer Sucht geheilt werden, therapiert und somit auf dem Weg zu einem vielleicht „normalen“ Leben gebracht werden. Dies geschieht im NTZ, getragen vom Evangelischen Johanneswerk und der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, mit einem speziellen Therapiekonzept, das durch Fachleute betreut wird. Doch bei alledem dürfte es schon auch eine ganz schön harte Sache sein, was dort die Menschen durchleben; von einer Sucht therapiert zu werden, ist kein Leichtes. In den durchgetakteten, sehr organisierten und auch strengen Alltag im NTZ mischt sich ein weiterer etwas anderer Beiklang — natürlich gibt es auch weitere zahlreiche Menschen, die ihr Möglichstes tun, um das Leben der Patienten möglichst positiv und förderlich zu gestalten – nämlich die Aktivität von dem Krefelder Musiker und Hypnotiseur Michael C. Kent, mit bürgerlichem Namen Michael Maas.

Es geht darum, Potentiale
bei den Patienten zu wecken

Er tut etwas, was im immer mit dem Therapieziel koordinierten Tagesabläufen der Patienten einen Sonderstatus hat; einfach zusammen Musik machen, ohne Hintergedanken, ohne Musiktherapie sein zu wollen. Maas selbst nennt es „Musikalische Förderung“, die er zurzeit mit 16 Patienten macht. Wie die Chefärztin und Maßregelvollzugsleiterin Dita Zimprichova betont: „Es gibt ziemlich strenge Vorgaben, wie Maßregelvollzug zu funktionieren hat und deswegen versuchen wir auch zusätzlich Sachen zu machen, die die Potentiale der Patienten erwecken, dazu zählt auch das, was Herr Maas macht. Das sind die wichtigsten Bausteine in der Therapie, dass man etwas Kreatives macht, weil da die Patienten merken: Ich habe doch was drauf.“

Das kann auch mal nur heißen, dass bei den Einzelsitzungen, beziehungsweise Treffen mit ihm „nur“ gemeinsam über Musik gesprochen oder auch mal Musik gehört oder Musikvideos geguckt werden. „Wenn einem das ganze Leben gesagt wird, Du kannst sowieso nichts und wenn man dann feststellt, doch, ich kann was – dann ist das ein ganz anderes Gefühl“, sagt Maas.

In dem Raum in dem NTZ, der ganz und gar Maas´ Reich ist und in dem sogar ein bisschen andere Regeln gelten als sonst – in der Regel duzt er sich mit den Patienten, was sonst in der Einrichtung ein absolutes No-Go wäre – stehen alle Zeichen auf Musik machen. Gitarren hängen an den Wänden, es gibt Studio-Equipment, womit alles das gemacht werden kann, was auch in großen Studios möglich ist: Mikro, PC, Mischpult, natürlich ein Stage-Piano, Schlagzeug und so weiter.

Das Spektrum, was hier gemacht wird, reiche von Einzelinstrumenten, über Gesang bis zur kompletten Produktion. Auf einem Regal finden sich auch eine Reihe von unterschiedlichsten Schlaginstrumenten, von klein bis groß, von einfach bis komplex. Man kann selbst mithilfe eines simplen Egg Shakers, ein Schüttelei, schon gemeinsam Musik machen, einen Draht, eine Welle zueinander finden. „Es geht darum, wie auch immer geartete Musikalität hervorzuholen, die bei jedem – wie ich glaube – da ist“, erklärt er. In seinem Raum zeigt er uns genau das. „Einfach das Ei nehmen und rhythmisch schütteln“, sagt Maas, dann beginnt er, am Piano zu improvisieren.

In dem Studio, wo eine wöchentliche Eins-zu-Eins-Situation mit den Patienten möglich ist, lassen sich sogar ganze Musikvideos samt professioneller Tonspur produzieren: Genau das hat Maas, oder besser hier Kent zu nennen, mit einigen der Patienten gemacht. Sie haben ein wirklich ehrliches und sehr gut produziertes Musikvideo gemacht, in dem einzelne Passagen eines von Kent geschriebenen Songs von Männern des NTZ übernommen wurden („Nachtreise - Chaingang 64 feat. Michael C. Kent“: https://youtu.be/hcH-T9tie9U).

Ziel hierbei war nicht zuletzt, die Menschen, die hier in der Forensischen sind, als Menschen sichtbar zu machen, vielleicht ihnen eine Stimme zu geben. Das Selbstbewusstsein — im eigentlichen wahren Sinn des Wortes — kann nicht schlecht sein. Dass dabei die Menschen „da draußen“, wie er sagt, auch durch das Video noch ein bisschen mehr über Maßregelvollzug erfahren, sei auch nicht unwichtig.

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