Die traurige Geschichte von Richard Merländer

Am 24. Juli vor 70 Jahren wurde der Seidenhändler ins Konzentrationslager deportiert.

Krefeld. Am Ende hatte er alles verloren: sein Haus, sein Vermögen, sein Unternehmen. Selbst einen Brief mit seinem Namen zu unterschreiben, traute sich Richard Merländer zum Schluss nicht mehr. Als der Krefelder Jude am 30. September 1941 ein paar Dankesworte an seinen Lebensgefährten Ludwig Hagemes richtete, tat er das getarnt als seine Haushälterin Elise Sanders. „Er wollte seinem ,arischen’ Freund in Berlin keine Probleme bereiten“, sagt Ingrid Schupetta, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle.

Der einst so erfolgreiche Seidenhändler wohnte zur damaligen Zeit bereits im „Judenhaus“ an der Hubertusstraße 68. Dorthin wurde er zwangsumgesiedelt, seine prachtvolle Villa an der Friedrich-Ebert-Straße hatte er verkaufen müssen. Geblieben war im nur ein kleines Zimmer, in dem er einige Möbel aus seinem alten Zuhause unterbringen konnte.

„Richard Merländer war ein Selfmade-Man, wie er im Buche steht“, berichtet Schupetta, die die Geschichte des Krefelder Unternehmers in mühevoller Recherchearbeit rekonstruiert hat.

Geboren wurde er 1874 in Mülheim an der Ruhr als jüngstes von fünf Kindern. Seine Eltern hatten dort einen Kurzwarenladen. Mit 14 Jahren verließ Merländer die Schule und gründete 1904 gemeinsam mit Siegried Strauß und Hermann Heymann die Firma Merländer Strauß & Co. „Das Unternehmen war total modern und schlank aufgestellt“, sagt Schupetta. „Das Trio konzentrierte sich auf sein Kerngeschäft, nämlich den Handel mit Seide, gliederte alle weiteren Bereiche aus und war damit extrem erfolgreich.“

Als die Nazis an die Macht kamen, legte sich aber ein dunkler Schatten über das Leben von Merländer. Zwar schützte ihn anfangs noch seine Bekanntheit. Doch in der Pogromnacht 1938 brach der Schrecken auch über ihn herein. Mehrere Männer drangen in sein Haus ein. Sie demolierten seine Einrichtung, zwangen den damals 64-Jährigen zum „Judenturnen“ und misshandelten seinen Bruder Karl so stark, dass er einen Herzinfarkt erlitt und starb.

Knapp vier Jahre später, am 24. Juli 1942, wurde Richard Merländer zusammen mit 222 Krefelder Juden, die alle älter als 65 waren, ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, von dort dann am 21. September ins Vernichtungslager Treblinka. „Das war eine regelrechte Todesfabrik“, sagt Schupetta. „Richard Merländer wurde dort vermutlich sofort nach seiner Ankunft mit dem Abgasen eines russischen Beutepanzers getötet.“

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