Neues Filial-Konzept Der neue „real“: Die grüne Hölle von Krefeld

Krefeld · Die Supermarkt-Kette der Metro versucht sich an einem neuen ehrgeizigen Filial-Konzept.

Neues Filial-Konzept: Der neue „real“: Die grüne Hölle von Krefeld
Foto: dpa

Der Moment der Wahrheit schlägt abends an der Kasse, kurz vor der offiziellen Eröffnung. „real“, die etwas glücklose Supermarkt-Tochter der Metro, will nun auch edel können und hat das Sortiment in Umfang und Preis in der Pilot-Filiale an der Hafelsstraße in Krefeld-Oppum erheblich aufgepustet. Hilflos hält die Kassiererin einen 500 Gramm schweren italienischen Provolone-Käse in die Luft und ruft um Hilfe: „Kann mir einer sagen, was diese Wurst kostet?“

Ein junger Mann im Anzug öffnet stolz den begehbaren Wein-Kühlschrank, den ein Biertrinker eingeräumt haben muss. Das hier seien die besseren Lagen, erklärt er das Durcheinander, in dem der „Ursprung“ von Markus Schneider (Pfälzer Rotwein) neben italienischem Angeber-Weißwein liegt. An der üppigen Metzger-Theke führt die Verkäuferin auf die Frage nach Pastrami (geräucherte Rinderbrust) die Salami-Auswahl vor.

Produkte, die das Personal nicht kennt, in einer Vielfalt, die Kunden überfordert durch die Regalreihen streifen lässt, bestimmen den ersten Eindruck — falls sie den Eingang finden. Denn „real“-Kunden, die dem Groß-Supermarkt bis zur Umbau-Schließung im Oktober die Treue hielten, werden Mühe haben, ihn überhaupt zu erkennen: Zu- und Abfahrten des Parkplatzes sind geändert, der ganze Laden ist plötzlich von außen Grün und Weiß und nennt sich „Markthalle“ statt „real“. Drinnen erweckt der erste Blick den Eindruck, als sei man in einer „grünen Hölle“ mit Erlebnis-Gastronomie gelandet oder habe sich in eine Ambitions-Kantine mit verschiedenen Kochstationen verlaufen.

Dieses Konzept, in das das SB-Warenhaus in Oppum nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag investiert hat, soll für die schrumpfende und deshalb im Mutter-Konzern Metro ungeliebte Kette die Wende bringen. „Man kann einkaufen, schlendern, sich unterhalten. Wir haben den Marktplatz wiederbelebt“, wirbt der neue „real“-Chef Patrick Müller-Sarmiento. Er will den Einkauf zum Erlebnis machen.

75 zusätzliche zu den 170 bestehenden Arbeitsplätzen soll es dafür geben. Wo in den meisten Läden eine Aufbackstation für Brötchen steht, findet sich in dem neuen Laden eine komplette Bäckerei. Die Café-Bar verfügt über eine eigene Röstmaschine, es gibt eine Sushi- und eine Austern-Bar, und einen Pizzaofen. Müller-Sarmiento hat für das Konzept monatelang Geschäfte in Japan und den USA, aber auch den Viktualienmarkt in München und den Münstermarkt in Freiburg besucht.

Dosenravioli für 1,19 Euro und weißer Trüffel für 4000 Euro je Kilo

In der Kosmetikabteilung steht die Eigenmarken-Seife für 0,29 Cent pro Stück nur einen Schritt entfernt von der Seife aus einer traditionsreichen Seifenmanufaktur, die fast 50 Mal so teuer ist. In der Fleischabteilung reicht das Angebot vom Rinderhack für 4,40 Euro pro Kilo bis zum japanischen Kobe-Rind für 199 Euro je Kilo.

In den vergangenen Jahren nervte „real“ seine Kundschaft mit Notizzetteln an den Regalen, was gerade aufgrund von Preis-Streitigkeiten mit Lieferanten nicht zu bekommen sei. So wurden im Rheinland plötzlich Chio- statt funnyfrisch-Chips angeboten. Zwischenzeitlich stiegen Dr. Oetker, Nestlé und Müller Milch aus der Belieferung aus, dazu gab es Dauer-Krach mit den Gewerkschaften.

Das neue Konzept sei „wahrscheinlich die letzte Chance für das Unternehmen“, meint der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein: „Es ist sehr die Frage, ob ein solcher Spagat funktionieren kann, unter einem Dach alles von Dosenravioli für 1,19 Euro bis zum weißen Trüffel für 4000 Euro das Kilogramm anzubieten.“

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