Demokratie „Hömma, kümmerste dich mal?“

Krefeld. · Der Bundespräsident animierte in Krefeld zur demokratischen Debatte. So können sich Bürger einbringen.

 Steinmeier besucht Krefeld, Bundespräsident , 2019

Steinmeier besucht Krefeld, Bundespräsident , 2019

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Der Bundespräsident hat seinen Mitbürgern eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe aufgetragen. Frank-Walter Steinmeier möchte, dass die Menschen die Demokratie stärken. Schon in seiner Weihnachtsansprache forderte er ein stärkeres Engagement. Auch bei seinem Besuch in Krefeld am Samstag setzte Steinmeier dieses Thema: „Demokratie ist nichts, das man bei Amazon bestellen kann“, sagte er.

Diese Feststellung dürfte wenig Widerspruch hervorrufen. Doch wenn es mit drei Klicks im Internet nicht geht, wie können die Bürger sich dann in die politische Debatte einbringen? Die WZ zeigt, was in Krefeld möglich ist.

Welche Möglichkeiten
bieten die Parteien?

Der Eintritt in eine Partei ist beim Thema politisches Engagement naheliegend. Für viele Menschen besteht aber eine Hemmschwelle. „Früher war es so, dass man sich hochgedient hat, bevor man etwas sagen konnte“, sagt der Krefelder SPD-Chef Ralph-Harry Klaer. Mittlerweile versuchen seine Genossen genau wie die politische Konkurrenz einfachere Beteiligung zu ermöglichen. „In vielen Projektgruppen und Arbeitsgemeinschaften muss man nicht Mitglied sein, um mitzureden“, sagt Klaer. Im Sommer möchte die Krefelder SPD Ideen für ihr Kommunalprogramm ebenfalls in einer öffentlichen Debatte sammeln. Häufig träten Menschen nach einigen Teilnahmen auch in die Partei ein. „SPD erneuern heißt für uns, dass neue Mitglieder die Partei nach ihrem Gusto gestalten“, sagt Klaer.

Auch die CDU bemüht sich, die Meinung der Bürger einzuholen. Kürzlich debattierten die Christdemokraten mit Interessierten über neue Formen der Bürgerbeteiligung.

Muss es immer eine
Partei sein?

Eine beliebte Form der Beteiligung sind politische Interessenvertretungen wie Bürgervereine. Etwa 30 gibt es in den Krefelder Stadtteilen. Werner Lennackers, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbands Arbeitsgemeinschaft Krefelder Bürgervereine, nennt die Gruppen „Betriebsräte“. „Es ist wie in einem Unternehmen. Die Stimme eines einzelnen Mitarbeiters hat kaum Gewicht, wenn sich mehrere zusammentun, können sie etwas bewegen“, sagt Lennackers. So sei es auch mit Wünschen einzelner Bürger, die von einer Bürgerinitiative gegenüber der Politik vertreten würden.

Der Mann, der im Bürgerverein Tackheide mitmacht, sieht Vorteile gegenüber einer klassischen Partei. „Wir orientieren uns ausschließlich an Themen“, sagt Lennackers. Parteien seien an ihre Leitlinien gebunden. „Wir können neutral mit allen reden“, sagt Lennackers. Von Symptomen wie Politikverdrossenheit spürt er wenig. In der Tackheide seien etwa 300 von 2000 Einwohnern Mitglieder im Bürgerverein, auch junge Leute seien dabei. Daher gebe es kaum eine Plattform, bei der die Sorgen der Menschen eher ankämen. „Ständig spricht mich jemand an und fragt: Hömma, kümmerste dich mal um dieses oder jenes?“, sagt Lennackers.

Wie können sich junge Leute in die Demokratie einmischen?

Die Jungendorganisationen der Parteien freuen sich freilich über neue Mitglieder. Wer es erstmal überparteilich probieren möchte, kann das im Jugendbeirat der Stadt tun. Das Gremium bringt sich seit dem Jahr 2007 in Beratungen der Politik ein und kann etwa Anträge im Jugendhilfeausschuss stellen.

Jeder Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren darf beim Jugendbeirat mitmachen, für zwei Jahre oder für ein einzelnes Vorhaben. Jugendarbeiter der Stadt begleiten das Gremium pädagogisch.

Zu den bisherigen Projekten gehört unter anderem die Einführung der Nachtbusse. Außerdem setzt sich der Beirat für weitere Beteiligungsmöglichkeiten ein. Dazu gehören die U-16- und U-18-Wahlen vor Landtags- und Bundestagswahlen, bei denen junge Leute an die Abstimmungen herangeführt werden.

Und wo bekommen ältere Menschen eine Stimme?

Mit dem Seniorenbeirat haben alte Leute in Krefeld seit mehr als 40 Jahren ihre eigene Lobbyvereinigung. 20 Mitglieder, alle sind mindestens 60 Jahre alt, benennen die Interessen der Alten gegenüber Politik und öffentlichen Einrichtungen. Die Vertreter werden etwa von Parteien, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden benannt. „Wir haben im Gespräch mit den Stadtwerken zum Beispiel erreicht, dass die Bahnen seniorenfreundlicher gebaut werden“, sagt Seniorenbeirats-Sprecher Manfred Lüdorf.

Wenn ältere Menschen ein Problem in ihrem Alltag haben können sie dieses über Lüdorf und seine Kollegen in die Debatte einbringen. Vier Mal im Jahr gibt es im Rathaus öffentliche Sitzungen. Ansonsten landen in vielen öffentlichen Einrichtungen oder Arztpraxen Flyer mit den passenden Kontaktdaten.

Wie können sich Einzelne in Debatten einbringen?

Die Stadt bietet ihren Einwohnern beispielsweise die Teilnahme an Sitzungen der Lokalpolitik an. Klassiker sind die Einwohnerfragestunden der Bezirksvertretungen. Dort können die Bürger den Politikern ihre Sorgen vortragen. Auch Sparvorschläge für den kommunalen Haushalt können die Krefelder einbringen und bekommen eine Rückmeldung der Verwaltung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort