Alternative für Seidenweberhaus Das sind die Kesselhaus-Pläne: "Krefeld kommt von kreativ"

300 Neugierige folgten der Vision von Investor Wolf-Reinhard Leendertz zu einem Kesselhaus als multifunktionalen Veranstaltungsort. Als Alternative zum Seidenweberhaus soll es vielseitig nutzbar sein.

So viel Platz kann das Kesselhaus bieten.

So viel Platz kann das Kesselhaus bieten.

Foto: Leendertz

Krefeld. Selten hat ein Bauprojekt so viele Bürger mobilisiert, die nicht in Partei oder Verwaltung organisiert sind. Mehr als 300 Neugierige sitzen im Mies van der Rohe-Businesspark und lassen sich von Geschäftsführer und Investor Wolf-Reinhard Leendertz in seine Vision eines neuen Leuchtturms für Krefeld entführen. Soviel vorweg: Das Kesselhaus als exklusive, multifunktionale Veranstaltungsstätte auf den Spuren eines Gasometers oder einer Zeche Zollverein weiß zu begeistern. Und es regt zu intensiven Diskussion über Finanzierung, Parkmöglichkeiten und die Rolle der Stadt als Mieter an. WZ-Redaktionsleiter Michael Passon und sein RP-Kollege Joachim Nießen lenken die Debatte.

Kesselhaus-Pläne locken in den Businesspark
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Doch davor steht eine lange, intensive Diskussion, getragen vom Geist van der Rohes. Was bei Leendertz die wortreiche Leidenschaft entfacht, wirkt bei Teilen des Publikums zuweilen ermüdend. Aber das ist schnell vorbei, als es in die Zahlen geht.

Im Einzelnen: Sieben Architekturbüros hatten ihre teils sehr ambitionierten Konzepte für einen Umbau des Industriedenkmals Kesselhaus eingereicht. Denn das ist es de facto. Ein Grund, warum Leendertz in den Prozess von Beginn an den Denkmalschutz miteinbezogen hatte, sagt er. Genauso wie Planungsdezernent Martin Linne und Paul Keusch, Geschäftsführer der Seidenweber GmbH, die im besten Fall die Vermarktung des neuen Eventquartiers übernehmen soll.

Wolf-Reinhard Leendertz über das Kesselhaus als Multifunktionsarena

Ein Streitpunkt übrigens, der an diesem Abend nicht geklärt werden kann. Konkurrenz-Investor Gerald Wagener mit seinem Kongresszentrum auf dem Theaterplatz hatte der Stadt ob der Teilnahme an der Jury Befangenheit und Rechtsbruch vorgeworfen. Leendertz macht dagegen deutlich, er gehe davon aus, dass die Verwaltungsprofis wüssten, was sie täten. Die Stadtverwaltung selbst nimmt an der Leendertz-Präsentation, wie schon im Fall Wagener, nicht teil. Und kann die Angelegenheit daher auch nicht auflösen.

Leendertz berichtet von einem langwierigen Auswahlverfahren, aus dem zum Beispiel der van der Rohe-Enkel Dirk Lohan aus Chicago gleich zu Beginn ausschied, weil er zwar hochinteressante, aber „zu starke Veränderungen am Gebäude“ geplant hatte. Andere waren schlicht zu teuer in der Realisierung. Den Zuschlag erhielt das Büro Heinrich Böll aus Essen, das schon die Sanierung der Zeche Zollverein, des Dortmunder U oder eben der Alten Samtweberei in Krefeld auf den Weg gebracht hat.

Auch der Sieger-Entwurf wurde allerdings noch einmal verändert. „Da waren Galerieebenen eingezogen, die wir wieder rausgenommen haben, um die Multifunktionalität zu gewährleisten.“ Und die speist sich vor allem aus einem Anbau, für den es eine transluzente und eine begrünte Variante gibt. Der Clou: Alle Räumlichkeiten, so genannte Areas, die zwischen zehn und 3000 Personen fassen sollen, lassen sich parallel bespielen, was eine optimale Auslastung und entsprechend hohe Mieteinnahmen gewährleisten soll.

Die Areas, die sich auf Unter-, Erd- und Obergeschoss verteilen, heißen Cube, Dome, VIP Loft, Underground, Kraftwerk, Kesselhaus natürlich, und die siebte bildet der Campus unter dem Motto „Außen ist Raum“. Alle Bereiche sind auch von außen separat zu erreichen, verfügen je nach Bedarf über ein Foyer und sollen quasi alles können. „Vom privaten Fest bis zum internationalen Pop-Act, von einer technischen Messe bis zur Fashion-Show“, heißt es. Die Areas verfügen über Basis-Technik. Leendertz träumt davon, hier binnen zehn Jahren eine Art Künstler-Quartier zu entwickeln, einen Anziehungspunkt für Krefelds Kreative, ähnlich wie es das Kölner Kraftwerk unter anderem mit der Brainpool-Ansiedlung möglich gemacht hat.

Spannend wird’s beim Thema Finanzierung, durch das zum Teil Leendertz’ Mitstreiter Thomas Riffelmann führt: Die Baukosten von 32 Millionen Euro sollen sich über 20 Jahre über 1,67 Millionen Euro pro Jahr vom Mieter und Betreiber Stadt, also Seidenweber GmbH, amortisieren. Der Investor rechnet darüber hinaus zum Beispiel mit Mieterlösen von 650 000 Euro oder Gastronomieerlösen von 1,131 420 Millionen Euro. „Die Gastro muss man selbst machen, am besten mit Dienstleistern und leistungsbezogenen Jahresverträgen, darin steckt viel Potenzial.“ Dem gegenüber stehen etwa Personalkosten von 1,25 Millionen Euro. Insgesamt geht Leendertz von einem jährlichen Gewinn aus, der sich im Jahr 2020 über 270 000 Euro beläuft und bis 2024 auf über 700 000 Euro steigert.

Leendertz sieht weitere Einsparpotenziale. Im Hinblick auf 100 Jahre Bauhaus will er den Landschaftsverband Rheinland ins Boot holen. Der Schwesterverband an der Ruhr habe etwa in Gasometer oder Landschaftspark einige Millionen investiert. „Auch die Bauministerin hat ei einmalige Bezuschussung avisiert. Zudem spart die Stadt ja mindestens eine Million jährlich an Unterhalt für das Seidenweberhaus.“ Leendertz denkt darüber hinaus an Mieteinnahmen beziehungsweise Pacht für die Tiefgarage am Theaterplatz und natürlich Pacht für das Grundstück Theaterplatz selbst. Denn ein Kesselhaus als Veranstaltungslocation wäre nur ein Teil der Lösung für das Seidenweberhaus.

Natürlich habe man sich Gedanken über die Parkplatzsituation gemacht. „Die ÖPNV-Anbindung ist sehr gut, wir müssen weiteren Parkraum schaffen.“ In Rede steht ein Palettenparkhaus neben dem Stadthaus.

Das Grundstück gehört Kleinewefers, es gebe jedoch das Signal zum Verkauf. Bis zu 800 Parkplätze könnten hier entstehen. „Hinzu kommen weitere 350 Stellplätze auf dem Gelände des Mies van der Rohe-Businessparks, an der Industriestraße 100 und an der Ecke Weyerhofstraße weitere 150. Wir sehen und entwickeln das Ganze im Zusammenhang mit den Eissporthallen, die auch von neuem Parkraum profitieren würden.“ Insgesamt gehe man von 1500 neuen Stellplätzen aus.

Die Architektur begeistert. Doch in der Debatte kristallisieren sich zwei Kernfragen heraus. 1. Wie kann sich Leendertz so sicher sein, die Stadt als Mieter zu gewinnen? 2. Woher nimmt er seine wirtschaftlichen Berechnungen?

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