Meinung Das mit dem Klima ist offenbar gar nicht so einfach

Krefeld · Dass das Thema Klima vielen Bürgern wichtig ist, haben inzwischen alle Parteien verstanden. Die praktische Umsetzung der Erkenntnis ist allerdings von reichlich Verzweiflung geprägt.

Die gute Nachricht: SPD, CDU und FDP haben in Krefeld ihre alten Fehler beim Klimaschutz nicht wiederholt. Die schlechte Nachricht: Sie haben neue gemacht – und das vor Publikum. Im Umweltausschuss waren viele Vertreter der Bewegung „Fridays for Future“ zu Gast und erlebten live, wie die drei genannten Fraktionen bei dem Thema rumeierten.

Es ging im Ausschuss um die Frage, ob sich Krefeld der Resolution zur Anerkennung des Klimanotstands anschließt, also den Klimanotstand ausruft. Das haben schon viele Kommunen getan (in denen das Leben im Vernehmen nach weitergeht), weil es im ersten Schritt bedeutet, das Problem als solches anzuerkennen und im zweiten das Handeln der Verwaltung und die Entscheidungen der Politik danach auszurichten. Die drei Fraktionen versuchten es zunächst mit dem herkömmlichsten aller kommunalpolitischen Instrumente: Sie erklärten, sie hätten noch Beratungsbedarf und würden das Thema daher gerne vertagen. Da der Tagesordnungspunkt aber just mit dieser Begründung schon vom Haupt- in den Umweltausschuss verschoben worden war und sich Grüne, Linke und Publikum heftig dagegen wehrten, ließen die drei die Sitzung unterbrechen, um sich zu beraten.

Alle Parteien, die nicht die Grünen sind, stecken in einem Dilemma

Wer nun dachte, die drei würden sich verständigen, dass sie den Antrag annehmen, erlebte seine nächste traurige Lektion. Der Kompromiss, der dann auch mit der Mehrheit der Stimmen angenommen wurde, lautete: Die Stadt nimmt die wesentlichen Punkte, die mit der Resolution zum Klimanotstand verbunden sind, und berücksichtigt sie, wenn sie ein Klimaschutzkonzept ausarbeitet. Mit anderen Worten: Wenn die drei die Ausrufung des Klimanotstands abgelehnt hätten, hätte das in der Wahrnehmung der Zuschauer keinen Unterschied gemacht.

Alle Parteien, die nicht die Grünen sind, stecken seit der Europawahl in einem Dilemma. Sie haben erkannt, dass Klimaschutz für viele Wähler in Krefeld ein wichtiges Thema ist. Sie wissen zugleich aber auch, dass an dieser Stelle eine simple Logik des politischen Systems wirkt: Wenn sie das Thema aufgreifen, um den Bürgern zu zeigen, dass sie verstanden haben, ernten diejenigen den Lohn, die mit dem Thema direkt verbunden werden. Das heißt: Beschließen SPD und CDU etwas zum Klimaschutz, können die Grünen schon mal mit dem nächsten Prozentpunkt rechnen. Dieses grundsätzliche Dilemma trifft die Krefelder Parteien unterschiedlich heftig.

Die FDP hat es recht leicht. Sie hat inhaltlich den größten Abstand zum Thema und muss nicht um ihre Stammwählerschaft fürchten, wenn sie sich eher halbherzig mit Klimaschutz beschäftigt. Bei dem Thema wird sie den anderen keine Stimmen abnehmen, sie muss auf Stimmungslagen warten, wie sie rund um die Landtagswahl 2017 herrschte, als ihr die Unzufriedenheit mit Bundes- und Landesregierung zugute kam.

Die CDU hat es recht schwer. Die Stimmengewinne haben die Grünen nämlich nicht nur von der SPD geholt, sondern in vergleichbarem Maße von den Christdemokraten. Das alte Prinzip von Rechts und Links funktioniert an der Stelle nicht, viel mehr geht es um materialistisch und post-materialistisch. Und da befindet sich die CDU eben in einer ähnlichen Position wie die SPD und weit entfernt von den Grünen und ihren aktuellen Fans. Die CDU wird bei den frisch politisierten jungen Wählern nicht punkten. Sie muss aber schauen, wie das Thema Klima in ihren Wählergruppen Ü50 gesehen wird und dazu andere Reaktionen zeigen als am Dienstag im Umweltausschuss.

Die SPD hat es richtig schwer. Sie hatte bisher schon erhebliche Probleme, ihren Markenkern klar zu vertreten. Nun muss sie feststellen, dass sie in weiten Teilen Krefelds dafür nicht mal jeden Fünften begeistern kann. Erste Versuche, diese Erkenntnis praktisch umzusetzen, gab es in den Tagen nach dem Umweltausschuss: einen Antrag für den Bauausschuss, das Radwegenetz auszubauen, und einen Antrag für dasselbe Gremium, einen Koordinator für alternative Antriebstechniken im Rathaus zu benennen. Beides gute Ideen, denen leider eine Frage anhaftet: Warum nicht früher?

Beinah tragisch erscheint in diesem Zusammenhang die Linke. Sie hatte im Wahlprogramm Klima-Forderungen stehen, die weiter gingen, als die der Grünen. Nur gemerkt hat das leider kaum jemand, weil das Thema eben nur mit einer Partei identifiziert wurde.

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