Radio Das Jubiläums-Interview mit Welle Niederrhein

Der scheidende Chefredakteur Markus Wöhrl über Krefelds Lokalradio an der Rheinstraße, das 25 Jahre alt wird.

Krefeld. Am Samstag machen sie im fünften Stock des WZ-Medienhauses so richtig die Welle. Und so abgedroschen es klingen mag, so wahr ist es. Und sie tun es zu Recht. Krefelds beliebtes Lokalradio Welle Niederrhein wird 25 Jahre und feiert es mit einer großen ganztätigen Sause, natürlich mit seinen Hörern. Die WZ sprach mit dem scheidenden Chefredakteur Markus Wöhrl, am kommenden Samstag ist sein letzter Arbeitstag. Die Welle bleibt und mit ihr ein tolles Team, das den Krefeldern sehr wohl vertraut ist.

Herr Wöhrl, mal ganz ehrlich: Müssen Sie ein wenig weinen?

Markus Wöhrl: Es wird sicher ein emotionaler Abschied, das ist es schon, seit für mich feststeht, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ich mache seit 24 Jahren Radio, seit genau zehn als Chefredakteur hier am Niederrhein, das wird mir bleiben. Aber es ist auch ein sehr zukunftsgerichteter Abschied, das hier ist ein klasse Team.

Warum gehen Sie dann?

Wöhrl: Ich bin jetzt 44 und ungebrochen neugierig. Ich möchte auch noch mal die andere Seite kennenlernen, und da habe ich das Angebot, Sprecher im Kreis Viersen zu werden, wohlüberlegt, aber gerne angenommen. In diesen Tagen wird meine Nachfolge geklärt, hier geht es in gewohnter Qualität weiter.

Stichwort Qualität. Mit welchem Anspruch ist die Welle 1991 angetreten?

Wöhrl: Man hatte sich sehr stark als Info-Medium identifiziert, das den Niederrhein mit Nachrichten versorgen wollte. Das ist auch gelungen, allerdings zunehmend anders als geplant. Es gab ja keine Erfahrungen mit dem Privatradio, es gab nur das öffentlich-rechtliche. So wurden lange Stücke aus dem Stadtrat oder Ausschüssen gesendet, heute undenkbar.

Beschreiben Sie den Lern-Prozess.

Wöhrl: Wir, alle Lokalradios in NRW, haben erfahren müssen, dass Radio-Hörer eine ganz andere Info-Sprache brauchen als Zeitungsleser. Kürzer, komprimierter, sprachlich sehr kompakt. Radio holt die Menschen in der wichtigsten Sendezeit, morgens also, im Alltag ab. Beim Frühstück, unter der Dusche, auf dem Weg zur Arbeit. Außerdem haben wir längst verstanden, dass Radio ein sehr emotionales Medium ist, das mit lokaler Identität arbeiten muss. Unsere Morgen-Moderatoren sind unsere Aushängeschilder.

Es gibt den fiesen Ausdruck des Radio-Gesichts. Was muss ein solcher Morgen-Moderator können?

Wöhrl: (lacht) Er oder sie darf ruhig nett aussehen. Sie müssen eine gute Persönlichkeit haben. Eine Geschichte erzählen mit eigenem Blick auf den Niederrhein und die Welt, einem ganz individuellen Zugang zu Themen.

Das klingt beliebig.

Wöhrl: Genau das ist es nicht. Beispiel Olympia. Vorher hatten sich Cedrik Bies und Moritz Lapp positioniert. Der eine kam morgens mit dicken Augen ins Studio, weil er bis in die Nacht geguckt hatte, den anderen interessierten die Spiele nicht wirklich. Da werden Rollen eingenommen, in denen sich die Hörer wiederfinden. Das macht die Welle sehr gut, das gehört zu unserem Selbstverständnis. Teil dieses Niederrheins zu sein, dazuzugehören und neben viel Unterhaltung auch kompakt zu informieren.

Was ist wichtiger als Quote?

Wöhrl: Glaubwürdigkeit beim Hörer. Wenn wir uns die nicht erarbeiten, brauchen wir über Quote gar nicht zu sprechen.

Und wie wichtig ist die Quote?

Wöhrl: Natürlich sehr wichtig. In der relevanten Medienanalyse für dieses Jahr hatten wir 6,5 Prozent Hörer pro durchschnittlicher Sendestunde. Das sind etwa 31 000 Hörer in Krefeld und im Kreis Viersen, und es liegt über unserem Ziel von 6,0 Prozent. Unser bestes Ergebnis war Anfang 2015 knapp 33 000. Diese Zahl wollen wir wieder erreichen.

Wie sieht der Anspruch 25 Jahre nach dem Start darüber hinaus aus?

Wöhrl: Wir wollen der selbstverständliche Start in den Tag sein und einen perfekten Mix aus Service, Info, Musik und Unterhaltung bieten. 50 Prozent macht die richtige Musikwahl aus, und dafür führt das zuständige Radio NRW in Oberhausen wöchentlich 150 Telefoninterviews. Man muss sich ja auch mal anschauen, was derzeit kommunikativ passiert. Wir konkurrieren mit computergenerierten Plattformen wie Spotify oder Amazon Music, aber wir sind als Lokalradio die einzigen in diesem Segment, die dabei das niederrheinische Lebensgefühl vermitteln können.

Sehen Sie sich in der Konkurrenz zur Zeitung?

Wöhrl: Niemand wird die Zeitung abbestellen, um Radio zu hören. Niemand wird das Radio ausschalten, um Zeitung zu lesen. Im Gegenteil, wir profitieren voneinander, wenn wir an bestimmten Stellen kooperieren. Schon lange machen wir gemeinsame Podiumsdiskussionen mit der Westdeutschen Zeitung, etwa vor Kommunalwahlen. Zu Silvester haben wir eine gemeinsame Neujahrsgrußaktion für Hörer und Leser gestemmt, das war ein Riesenerfolg. Und ja, wir schauen morgens auch in die WZ, um zu sehen, ob wir etwas übersehen haben und aufbereiten müssen. So wie WZ-Redakteure hoffentlich morgens Welle hören. Darüber hinaus nutzen wir intensiv Social Media.

Tun wir. Stichwort Social Media: Fluch oder Segen?

Wöhrl: Facebook ist eine schöne zusätzliche Plattform, um mit den Hörern interagieren zu können. Wir betreiben die Seite intensiv seit vier Jahren, haben 17 000 Fans und erreichen pro Woche 130 000 Menschen. Da gibt es eine gewisse Messbarkeit unserer Aktivitäten.

Vor 25 Jahren war es die Politik in NRW, die mehr Vielfalt durch private Lokalradios erreichen wollte. Die Unterstützung lässt zu wünschen übrig, während die öffentlich-rechtlichen Sender weiterhin aus dem Vollen schöpfen können. Ein Kampf gegen Windmühlen?

Wöhrl: Wenn wir sehen, wie üppig der WDR ausgestattet ist, wundern wir uns schon sehr. Wenigstens ist dort die Werbezeitbegrenzung jetzt durch. Ich bin Optimist und glaube, das sichert uns die Zukunft.

Eine Zukunft ohne Sie. Noch mal: Müssen Sie ein bisschen weinen?

Wöhrl: Ein bisschen sicher schon.

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