„Das ist Generationengerechtigkeit!“

Fachgespräch mit Experte Helmut Döpcke über Krefelds Abwassergebühren, kalkulatorische Zinsen und Rücklagen.

„Das ist Generationengerechtigkeit!“
Foto: abi

Die Berechnung von Abwassergebühren ist eine höchst diffizile Angelegenheit. Nur wenige Experten steigen wirklich durch, was in kommunalpolitischen Gremien nicht selten zu Missverständnissen und fehlgeleiteten Debatten führt. Fachbereichsleiter Helmut Döpcke ordnet den aktuellen Stand der Diskussion über die neuen Abwasser-Sätze des Kommunalbetriebes Krefeld ab 2018 im WZ-Gespräch ein.

Herr Döpcke, die Stadt Krefeld wird ihre Abwassergebühren leicht absenken, trotzdem steht grad mal wieder der Vorwurf im Raum, die Gebühren in Krefeld seien exorbitant, die seien gar justiziabel. Wie kommt das und was ist da dran?

Helmut Döpcke: Der Kommunalbetrieb Krefeld schlägt dem Rat der Stadt Krefeld vor, die Abwassergebühren im Mittel, um 2 Prozent zu senken. Davon profitiert der „Musterhaushalt des Bundes der Steuerzahler“ jährlich immerhin im einem Umfang von rund 16 Euro. Die Gebühren werden ungefähr zu 50 Prozent für die Reinigung des Abwassers auf der Kläranlage und zu 50 Prozent für die Unterhaltung und den Neubau des 750 Kilometer langen Kanalnetzes verwendet. Die Reinigungsleistung der Kläranlage ist sehr gut und um ein vielfaches besser als die gesetzlichen Vorgaben. Dieser erhebliche Aufwand spiegelt sich in den Kosten für die Kläranlage wieder. Darüber hinaus investieren wir die Gebühren der Bürger jährlich in einer Größenordnung von gut 15 Millionen Euro in den Kanalneubau und die Kanalsanierung. Diese beiden Faktoren führen zusammengenommen dazu, dass wir uns mit den vorgeschlagenen 3.39 Euro pro Kubikmeter Abwasser für 2018 im oberen Drittel vergleichbarer Städte befinden. Wir investieren in Umweltschutz und langfristige Erhaltung des Kanalnetzes. Dies kommt insbesondere den nachfolgenden Generationen zugute. Die Abwassergebühren sind seit 2015 mehrfach von der 5. Kammer des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf überprüft und für rechtmäßig befunden worden.

Warum verwenden Sie Überschüsse nicht komplett für Gebührensenkungen oder stecken sie ins Eigenkapital der Gesellschaft?

Döpcke: Am Ende eines Jahres erfolgt eine Abrechnung und die eingenommenen Gebühren werden mit dem Aufwand verglichen. Die sogenannten Überdeckungen werden in eine Sonderrücklage eingestellt und spätestens nach vier Jahren dem Gebührensystem wieder gut geschrieben. Damit wird jeder Cent mehr gezahlte Gebühr dem Bürger wieder zurückgezahlt. Die Zuführung aus der Sonderrücklage in das Gebührensystem erfolgt auch immer so, dass keine großen jährlichen Gebührensprünge stattfinden. Anders verhält es sich mit den sogenannten handelsrechtlichen Bilanzgewinnen, die im Wesentlichen aus der Differenz zwischen real zu zahlenden Zinsen für Investitionen und dem kalkulatorischen Zinssatz, also der fiktiven Verzinsung des Eigenkapitals entstehen. Der nach der aktuellen Rechtslage höchstens anzuwendende kalkulatorische Zinssatz für das Kalkulationsjahr 2017 beträgt 6,02 Prozent. Diese Werte werden von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht. An diese Vorgaben hält sich der Kommunalbetrieb. Für die Investitionen in das Kanalnetz werden langlaufende Kredite mit entsprechenden Zinsvereinbarungen abgeschlossen. Daher liegen die Zinszahlungen für alle Investitionen in den Kanal auch nicht bei den aktuell sehr niedrigen Zinssätzen, sondern bewegen sich bei rund 4 Prozent. Die Zuführung der handelsrechtlichen Bilanzgewinne in das Eigenkapital des Unternehmens und für Investitionen in den Kanal würden zu keiner Gebührensenkung führen, denn auch das eingesetzte Eigenkapital - und es handelt sich hier um das Geld der Bürger - ist entsprechend dem dargestellten System ebenfalls mit dem aktuellen kalkulatorischen Zinssatz auf der Kostenseite anzusetzen. Denn die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass ihr Geld angemessen verzinst wird.

Blick nach vorn: Sie wollen die kalkulatorische Abschreibung für Kanäle ab 2018 nicht nach dem Anschaffungswert, sondern nach dem teureren Wiederbeschaffungswert berechnen. Warum belasten Sie die Gebührenzahler zusätzlich?

Döpcke: Wir schlagen dem Rat vor, bei der kalkulatorischen Abschreibung zukünftig den Wiederbeschaffungszeitwert als Bemessungsgrundlage anzuwenden. Der Wiederbeschaffungszeitwert ist bekanntlich der Wert, der am Ende der Nutzungsdauer des bestehenden Vermögensgegenstandes benötigt wird, ihn in gleicher Art wieder herzustellen. Der von uns gewählte „Zuschlag“ von einem Prozent spiegelt also nur die Inflation/Preissteigerung und mögliche technische Veränderung über den gesamten Abschreibungszeitraum wieder. Es handelt sich nicht um eine zusätzliche Belastung des Gebührenzahlers, sondern stellt Generationengerechtigkeit her, denn es sollen die Menschen an dem Neubau und der Sanierung der Kanäle beteiligt werden, die sie aktuell nutzen. Die aktuellen Mehraufwendungen von ca. 1,25 Mio Euro spiegeln somit die realen Wertverluste und notwendige Mittelbeschaffung für die Wiederherstellung defekter und abgängiger Kanäle wieder.

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