Wirtschaft Chemparkchef: Krefeld hat ein falsches Selbstbild

Ernst Grigat findet deutliche Worte in Richtung Stadtspitze und vermisst im Namen der Industrie einen Masterplan.

Krefeld. Ernst Grigat muss sich vorkommen wie der einsame Rufer in der Wüste. Der Chempark-Leiter ist längst eine der entscheidenden Figuren in Krefelds Wirtschaft, spricht für eine Macht von immerhin 7500 Arbeitnehmern und eine gehörige Portion Identifikation. Gut: Bayer war gestern und das 13 Meter hohe Kreuz, Uerdingens Wahrzeichen, wird bald schon abgebaut. Es soll Platz machen für die Zukunft, sagt der 55-Jährige. Die Mauer an der Duisburger Straße ziert neuerdings ein Covestro-Graffiti, an der Rheinuferstraße schon länger das Chempark-Logo. Und trotzdem ruft Grigat. Erneut und deutlich in Richtung Stadtspitze. Übersetzt: Sie soll die Industrie stützen, nicht mehr von Samt- und Seide träumen und mal von außen auf ihr Selbstbild schauen. In Grigats Worten klingt das so:

Herr Grigat, kaum ein Tag vergeht ohne Schreckensmeldung. Haben Sie die Sicherheitsbestimmungen verschärft rund um das Werk?

Ernst Grigat: Wir schauen uns das sehr genau an, sind gut aufgestellt und können im Notfall schnell handeln.

Apropos schnell, Sie fordern von der Stadt seit Jahren ein klares Bekenntnis zum Industrie-Standort Uerdingen. Hat die neue Verwaltungsspitze zügig gehandelt?

Grigat: Sagen wir, es gibt jetzt eine konstruktivere Diskussion, wir reden regelmäßig miteinander, das Verständnis wächst.

Also alles prima?

Grigat: Dieses Verständnis geht nicht soweit, wie es könnte.

Woran hakt es immer noch?

Grigat: Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild Krefelds. Der Mythos von Samt und Seide geht an der heutigen Wirtschaft komplett vorbei und lässt sich auch nicht mehr zurückholen. Krefeld muss verankert sein in der Regionalplanung und damit in der Entwicklung der Nachbarn, damit gewisse Dinge gemeinsam angepackt und vorangetrieben werden können.

Gerade mit den Nachbarn will es nicht so klappen. Derzeit beklagen sich Kommunalpolitiker aus Meerbusch über das Selbstverständnis der Krefelder und das „einnehmende Wesen“.

Grigat: Nun, das ist nicht direkt unser Thema. Aber in der Tat hatte es satte 17 Jahre gedauert, bis man sich mit Duisburg auf einen Bebauungsplan für den Nordbereich des Chemparks geeinigt hatte. Das bedeutet auch 17 Jahre Entwicklungsstopp. Man sollte mehr miteinander als übereinander reden. Das wird künftig immer wichtiger.

Das wird auch der Hafen für die Zukunft des Chemparks, oder?

Grigat: Der Hafen ist für uns lebenswichtig. Wir planen sogar eine Ausweitung der Flüssigverladung. 15 Prozent der Rohstoffe kommen derzeit über die Schiene, 35 über das Wasser und noch 50 Prozent via LKW. Aber Straße und Bahn sind Engpässe. Deshalb hat es uns schon ein wenig nervös gemacht, dass die Bezirksregierung unseren Teil des Hafens nicht als „landesbedeutsam“ eingestuft hat. Also nicht als schützenswert, wie den Rest des Hafens Krefeld.

Schwächt das den Standort?

Grigat: Die Gefahr besteht. Wir kennen das leider schon von den Häfen in Neuss, Köln und Düsseldorf. Dort hat es massiven Ärger mit dem Lärmschutz gegeben, weil das Heranrücken von Wohnbebauung an die Areale nicht unterbunden wurde. Unser Teil des Hafens gilt als privat und fällt daher nicht unter das Prädikat landesbedeutsam. Diese Logik erschließt sich uns nicht. Wir brauchen eine Festschreibung, eine Art Ökobiotop für industrielle Nutzung, um planungssicher für die Zukunft zu bleiben.

Kann die Stadt nicht helfen? Oder die Politik?

Grigat: Ich frage mich schon: Warum kämpft Krefeld nicht dafür? Das geht klar in Richtung Stadtspitze, allerdings auch hier noch an die Adresse der vorherigen Führung. Deshalb nochmal: Es wird besser, aber mit einem klaren Bekenntnis zu seiner starken Industrie tut Krefeld sich schwer. Es fehlt zudem ein Masterplan, die Idee, wie Krefeld in 20, 30 oder 40 Jahren aussehen soll . Die deutliche Aussage, welche Rolle Uerdingen dabei spielen soll.

Ist das eine Grigat-Meinung oder steht die Krefelder Industrie dahinter?

Grigat: Es gibt 400 industrielle Unternehmen in Krefeld. Wir arbeiten in der Initiative „Zukunft durch Industrie“ intensiv mit und was ich ausführe, spiegelt absolut die Stimmung der Industrie in Krefeld wider. Industrie muss präsenter sein Krefeld.

Und wo sehen Sie die Fortschritte?

Grigat: Nehmen wir das Thema Rheinblick. Offenbar konnten wir durch unser juristisches Engagement der Stadt Krefeld dabei helfen, Rechtssicherheit zu schaffen. Auf dem Rheinblick-Areal muss dringend etwas geschehen, keine Frage. Aber die Bebauung muss rechtssicher sein. Und es sei mir die Frage erlaubt: Ist Wohnbebauung die einzige sinnvolle Nutzung?

Wenn Sie in vielleicht zehn Jahren in den Ruhestand gehen: Wo glauben Sie, steht der Chempark 2026?

Grigat: Der Chempark wird sich weiter wandeln, Uerdingen ist längst ein starker Produktionsstandort für spannende chemische Produkte. Und solche, die uns bereits heute im Alltag begegnen. Beispiel: Wann immer jemand auf einem Kunstrasenplatz kickt, steckt eine Menge Uerdingen drin. Nämlich das Eisenoxyd-Gelb als Komponente im Rasengrün. Wussten Sie das? In zehn Jahren dürfte es hier im Kern die gleichen Betriebe geben. Ob die Firmen dann noch so heißen, sei dahingestellt.

Glauben Sie, dass mit der Zeit die Identität schwindet? Bald bauen Sie das Bayer-Kreuz ab.

Grigat: Nein, das glaube ich nicht. Alles hat seine Zeit. Aber das Werk ist einfach sehr verwurzelt in Uerdingen, wir spüren manchmal sogar noch den alten ter Meer-Geist. Viele Arbeitnehmer wohnen in Uerdingen selbst, viele Ehemalige nehmen an unseren monatlichen Rundfahrten teil. Unser Nachbarschaftsbüro am Markt wird gut genutzt. Nein, in Uerdingen ist der Chempark Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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