Bürgerstube setzt auf Retrolook

Die Betreiber von „Doctor Flotte“ haben am Mittwoch die letzte Genehmigung für ihre Gastronomie nebenan bekommen. Am kommenden Donnerstag wird eröffnet.

Mitte. Neugierig presst eine Mittvierzigerin ihre Nase gegen eines der Fenster. Alles sieht so fertig aus in der „Bürgerstube“ an der Petersstraße zwischen Ostwall und Stadtmarkt am Behnisch-Haus. Keine Wagen von Handwerkern mehr vor der Tür. Drinnen stehen Tische und Stühle schon so bereit, als könnten jeden Moment Gäste Platz nehmen. Hinter der Theke sind sogar schon die Flaschen voller Hochprozentigem einsortiert.

Bürgerstube setzt auf Retrolook
Foto: Dirk Jochmann

Tatsächlich können die Pächter Ermias und Isayas Tedla, die direkt nebenan schon die Kultkneipe „Doctor Flotte“ betreiben, jetzt bald starten. Brandschutz- und Schallschutzgutachten sind geklärt. Die Baugenehmigung ist da. Küche, Theke, Restaurantbereich, alles ist fertig. Die fünf Festangestellten — zwei Köche, ein Barmann, zwei Servicekräfte — sind auf Abruf. Zunächst hieß es aber abwarten. Denn es fehlte die Konzession.

Seit Mittwoch ist auch sie da. „In einer Rekordzeit von 16 Tagen hat das Ordnungsamt das geschafft“, freuen sich die Tedla-Brüder, „normalerweise kann es bis zu drei Monate dauern.“ Über ein mögliches Eröffnungsdatum hatten die beiden deshalb bisher nur spekulieren können. „Es lag ja nicht in unserer Hand und wir wollten niemanden enttäuschen, wenn es dann doch nichts wird“, sagt Ermias Tedla und lacht, „eigentlich wollten wir ja schon vor acht Monaten aufmachen.“ Nun steht fest: Am Donnerstag, 15. Februar, wird eröffnet.

Vor anderthalb Jahren hatte das Brüderpaar den Schlüssel für das Ladenlokal bekommen, in dem früher die Schambach & Pottkämper GmbH mit ihrem Fotolabor ansässig war. „Der Hauptgrund für diesen Schritt war, dass wir in der Flotte kein Essen anbieten konnten“, erklärt Isayas Tedla (46), der mit seinem Bruder zwar seit 1994 durchgängig in der Gastronomieszene tätig ist, aber „noch nie mit Küche“.

Vor 13 Monaten begann der Umbau der „Bürgerstube“, in deren Namen das Duo mit einem der zukünftigen Hauptgerichte spielt. Burger sollen wie Currywurst und „Flotte Döner“ — Pulled Pork mit Krautsalat im Fladenbrot — mit den obligatorischen normalen und Süßkartoffel-Pommes im wesentlichen die Speisekarte ausmachen. „Wir haben uns an den stärksten Produkten auf dem Markt ausgerichtet“, sagt Ermias Tedla (48).

Durch eine Glasscheibe werden die Gäste beim Zubereiten des Essens zwischen Edelstahlplatten, -regalen und -geräten zusehen können. Hier werden die Köche — einer hat früher im Quincy zu XXL-Burger-Zeiten, einer in der Kulisse und im Kaffeehaus Schmitz gearbeitet — das Hackfleisch für die Patties ständig frisch aus einem selbstkühlenden Fleischwolf verarbeiten. „Heutzutage möchte ich ja auch wissen, was ich zu essen bekomme“, sagt Ermias Tedla über seine „erste Küche“, etwas, was er „immer schon machen wollte“.

Rund 300 000 Euro haben Umbau und Einrichtung gekostet. Vieles hat der begeisterte Heimwerker Ermias Tedla selbst gemacht. Den Thekenunterbau und -boden hat er mit dem Hausmeister, der Schweißer gelernt hat, aus Tränenblech geschaffen.

„Ich liebe so etwas, das ist mein Hobby“, strahlt er, „wenn ich nicht mindestens einmal in der Woche im Baumarkt bin, fragen die mich schon, ob ich krank war.“ Hilfe bei Einrichtungsfragen gab es auch von Innenarchitektin Silke Hübecker, die die Pächter noch aus der Zeit kennen, als sie als Studentin in der ersten Kneipe der beiden, dem „Uno“, kellnerte.

Mit Inventar wie in Holland gekauften Barhockern aus recycelten Fahrradfelgen, Fundstücken wie einem Küchenbüffetschrank, der gelb lackiert an einer Wand hängt, oder einem Geweih auf Holzplatte von 1886, das von Vormietern noch im Flur von Ermias Tedlas Zuhause hing, gibt es viele Hingucker vor, neben und hinter der Bar. Das Regal für Gin, Rum und Wodka ist ein Überbleibsel des alten Fotolabors im Keller. Es ist ein alter Aufzug, mit dem früher wohl die entwickelten Bilder von unten in den Laden transportiert wurden.

Retro- oder Vintage-Look, wie man es auch nennen möchte, sind überall in der „Bürgerstube“ zu entdecken. Das fängt mit dem Putz an. An drei Stellen blieb er von der Wand, um die alten Backsteine dahinter zu zeigen. Alte schwarze Bakelitschalter, die entsprechenden schwarzen Kabel, auf der Wand verlegt, Beleuchtung aus selbstgebastelten Lampen, die an Gruben- oder Kellerlampen erinnern, gehören auch dazu. Der Krefelder Schreiner, der alle Holzarbeiten übernahm, schuf vor einer Wand mit Lissaboner Panorama Bänke, die an Sitzgelegenheiten historischer Bahnhöfe erinnern, Tische, die nagelneu sind, aber doch viele Generationen vergnügter Gäste hinter sich gelassen haben könnten, und einen Boden, der ein bisschen an die restaurierten Dielen einer Altbauwohnung erinnert. Und selbst die Speisekarte ist angepasst: Sie sieht aus wie ein altes Schulheft.

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