Berichte der Leser: „Es war eine ganz, ganz schlimme Zeit“

Zahlreiche Leser sind bereits unserem Aufruf gefolgt und haben uns ihre Erlebnis aus der „Stunde Null“ berichtet.

Die US-Truppen beim Einmarsch in Hüls am Nachmittag des 2. März. Im Hintergrund die Kirche St. Cyriakus.

Die US-Truppen beim Einmarsch in Hüls am Nachmittag des 2. März. Im Hintergrund die Kirche St. Cyriakus.

Foto: Stadtarchiv

Krefeld. Das Kriegsende vor 70 Jahren hat bei vielen Krefelder so bleibende Eindrücke hinterlassen, dass sie sich bis heute genau an viele Details jener Tage erinnern können. Dutzende sind unserem Aufruf gefolgt und haben uns ihre Erlebnisse geschildert. Einen Teil davon dokumentieren wir an dieser Stelle:

„Mein Großvater ist bei keinem Luftalarm in den Keller gegangen“, erinnert sich Doris Hein-Wirtz (80) auch heute noch genau. Wenige Stunden vor der Besetzung seiner Heimat Hüls sollte ihm das zum Verhängnis werden. Noch einmal wurden Bomben über dem heutigen Krefelder Stadtteil abgeworfen. Die Druckwelle der nahe einschlagenenden Bomben erfasst ihn sowie weitere Familienmitglieder und verletzte ihre Lungen so stark, dass sie daran starben. Die Großmutter überlebte schwerverletzt und musste ein halbes Jahr im Krankenhaus bleiben, berichtet Hein-Wirtz, die damals mit ihren Eltern nach Halberstadt ausquartiert war.

Die Oppumerin Elisabeth Luven war mit ihrer Familie Anfang 1945 ausgebombt worden. Danach kamen sie im Bunker unter, eng zusammengezwängt mit vielen anderen Krefeldern. „Die Hygiene war eine Katastrophe. Es gab kein Wasser zum Waschen, viele bekamen Ausschlag und hatten Läuse auf dem Kopf“, erinnert sich die 80-Jährige heute noch. In der Apotheke habe die Mutter dann Seife geholt, den Kindern eine Glatze geschnitten und den Kopf gewaschen. „Oft konnten wir vor Hunger gar nicht einschlafen.“

Kurt Esters erlebte den sinnlosen Tod der letzten Stunden vor der Besetzung noch aus nächster Nähe mit: „Die Amerikaner kamen viel schneller als gedacht. Einen deutschen Soldaten am Flynerzdyk kostete das das Leben“, berichtet Esters. In Traar kam es noch vereinzelt zu gefechten bei denen 14 Deutsche ihr Leben verloren. Die Familie Esters machte allerdings auch gute Erfahrungen mit den neuen Machthabern: „Mein Vater hat die Telekommunikation wieder repariert und kam abends dann mit einem Beutel mit Weißbrot und Cornedbeef zurück“, erinnert sich der damals Zwölfjährige an die Leckereien.

Hildegard Großkopf war vom Dienst als Rot-Kreuz-Schwester in Belgien ins heimatliche St. Tönis zurückgekehrt, als die Front vor 70 Jahren näher rückte. Ihr Vater, damals Schulrektor, ließ die Familie daraufhin die Fahrräder holen und die wichtigsten Habseligkeiten in einen Wagen packen. Ihre Zuflucht: Ein Bauer in Vorst, wo sie schlafen konnten und gut verpflegt wurden. „Als wir am Morgen in der Scheune frühstückten, ging die Tür auf und ein baumlanger Amerikaner kam herein und setzte sich mit an den Tisch“, erinnert sich die 93-Jährige. Der Wagen verschwand allerdings später auf Umwegen und die Habseligkeiten landeten im Graben: „Die Papiere tauchten später wieder auf, der Schmuck meiner Mutter war auf immer fort“, so Hildegard Großkopf.

Am Obergplatz beobachtete Heinrich Kuylkens in den letzten Stunden noch ein Panzergefecht zwischen drei US-Panzern und dem größten deutschen Fahrzeug, dem „Königstiger“. „Erst durch eine Haubitze konnte der deutsche Panzer beschädigt werden“, erklärt er heute. Die Besatzung machte sich daraufhin schnell aus dem Staub. Ebenso wie ein Nachbar der Kuylkens: „Das war ein richtiger Nazi mit Hakenkreuzen und Hitlerbildern in der Wohnung.“ Nachdem sich der Nachbar abgesetzt hatte, gingen die Kuylkens in die Wohnung und schafften die Devotionalien weg: „Wenn die Amerikaner das im Haus gefunden hätten, hätte es großen Ärger gegeben. Generell sind sie aber sehr human gewesen“, sagt der damals 13-Jährige heute

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