NRW-Landtagswahlkampf Beide sind für Photovoltaik - doch die Wege dahin sind unterschiedlich

Schauen wir zunächst aktuell nach Schleswig-Holstein – bei der dortigen Wahl hat die CDU triumphiert, FDP hat verloren, SPD geht auch runter und Grüne legen zu. Ist das ein Omen für die Wahl in NRW?

 Im Wahlkreis 49: Direktkandidat Bündnis 90/Die Grünen, Benjamin Zander (l.), und Daniel A. Dick, Direktkandidat  der FDP für den Landtag, stellten sich in der Redaktion der WZ dem Dialog.

Im Wahlkreis 49: Direktkandidat Bündnis 90/Die Grünen, Benjamin Zander (l.), und Daniel A. Dick, Direktkandidat  der FDP für den Landtag, stellten sich in der Redaktion der WZ dem Dialog.

Foto: Andreas Bischof

Schauen wir zunächst aktuell nach Schleswig-Holstein – bei der dortigen Wahl hat die CDU triumphiert, FDP hat verloren, SPD geht auch runter und Grüne legen zu. Ist das ein Omen für die Wahl in NRW?

Daniel Dick: Nein, das ist kein Omen. Jede Landtagswahl muss für sich betrachten werden.

Benjamin Zander: Schleswig-Holstein hat für sich entschieden, die Nordrhein-Westfalen werden dies auch so tun. Was mich erschreckt hat, ist die geringe Wahlbeteiligung. Das ist eine Sache, da müssen wir im gesamten politischen Raum daran arbeiten.

Daniel Dick: Durch die Kandidatur tun wir das, wenn wir auf die Menschen vor Ort zugehen.

Wir haben zwei Jahre Corona hinter uns, sehen den Krieg in der Ukraine, mit sehr weitläufigen Auswirkungen. Lebenshaltungskosten werden höher, Kraftstoffe teurer, die Wirtschaft ist in Sorge. Können wir uns die Schuldenbremse in der Situation überhaupt noch leisten?

Daniel Dick: Die Schuldenbremse ist richtig, wir müssen auch alles dafür tun, sie einzuhalten. Wir sind in der zweiten Krise hintereinander. Wir hatten gerade das Gefühl, aus der einen Krise einigermaßen herauszukommen und darein platzt die riesige Verunsicherung durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Und deswegen spricht der Bundeskanzler zu Recht von einer Zeitenwende. Es werden die Kompasse, die wir haben, auf den Prüfstand gestellt. Bei den Grünen genauso wie bei uns. Bei uns hat sich natürlich gewandelt, die Einstellung aktuell zur Schuldenbremse; perspektivisch bleibt sie aber richtig.

Benjamin Zander: Schulden sind Geld aus der Zukunft – irgendwer muss es wieder zurückzahlen. Aber wenn wir Geld heute nutzen und es wirklich nachhaltig für unsere Kinder einsetzen – und nachhaltig nicht nur im ökologischen Sinne –, sondern in Bildung oder bezahlbaren Wohnraum stecken, dann gebe ich nachfolgenden Generationen eine Lebensgrundlage an die Hand. So wird man uns vielleicht dankbar sein, dass wir nicht auf eine Schuldenbremse gepocht haben. Früher war Krefeld die reichste Stadt Deutschlands. Damals haben Menschen mit ihrem Wohlstand der Stadtgesellschaft so etwas wie den Stadtwald geschenkt. Leider haben wir jetzt nicht mehr diesen Wohlstand, dass man Dinge – salopp gesprochen – aus der Portokasse zahlen kann.

Was kann das Land tun, um Städte wie Krefeld und andere in NRW zu entlasten?

Daniel Dick: Was die Entlastung anbelangt – da sind wir als Landespolitik in unseren Schranken –, ist das, was die Bundespolitik aktuell mit den Entlastungen tut, richtig. Was wir als Land tun können, und wo wir auch mit gutem Selbstbewusstsein auf die vergangenen fünf Jahre zurückblicken können, ist Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Wir können unseren Wohlstand nur aus dem ziehen, was hier erwirtschaftet wird. Und dazu braucht es gute Arbeitsplätze. Und wenn ich mich hier umsehe in Krefeld, haben wir glücklicherweise noch eine ganze Reihe von guten und gutbezahlten Arbeitsplätzen. Beispielsweise im Chempark. Wir müssen alles dafür tun, dass auch diese Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Benjamin Zander: Wenn es darum geht, sich Geld von der Zukunft zu leihen, würde ich eine Maßnahme umsetzen, die Krefeld und vielleicht sogar ganz NRW hilft: Der massive und schnellste Ausbau regenerativer Energien, denn Energie wird der Treiber sein. Wenn wir diese Energie umbauen, wenn wir im idealsten Fall sie noch in NRW selber herstellen können – das wird ein riesengroßer Aufwand sein –, dann würden wir ein Vermächtnis für nachfolgende Generationen hinterlassen, die sich in der Frage Energie nie wieder Gedanken über Abhängigkeiten von Außen machen muss. In der Industrie brauchen wir noch Gas und Öl als Prozessrohstoff, das kann ich nicht ersetzen. Wenn ich diese Stoffe aber nicht in Eigenheimen verheize, sondern der Industrie gebe für ihr Wachstum, und es geschafft habe, hier regenerative Energien in NRW zu schaffen, dann ist jeder Euro ein gut investierter Euro.

Daniel Dick: Es ist sehr misslich, dass der Kohlekompromiss, der breitest verhandelt war auch mit den Grünen und den ihnen nahestehenden Verbänden, indem wir verabredet haben bis 2038 auszusteigen, das wir den durch den Angriffskrieg Putins neu denken müssen. Wir waren in dem Irrglauben, mit Russland einen, was Energielieferungen angeht, halbwegs verlässlichen Partner gehabt zu haben.

Wurde nicht durch bestimmte Regelungen der Landesregierung, beispielsweise durch Abstandsvorschriften bei Windkraftanlagen, der Umstieg auf regenerative Energien erschwert?

Daniel Dick: Wir haben den Abstand auf 1000 Meter gesetzt, indem wir eine Länderöffnungsklausel aus der Bundesgesetzgebung genutzt haben. Die sieht als Richtung – ich glaube – 800 Meter Abstand vor. Fraglich ist, wie viel Windkraft wir dann mehr in NRW hätten. Wie alles steht auch diese Regelung gerade auf dem Prüfstand. Ich bin mir relativ sicher, dass wir uns auf die 800 Meter verständigen werden.

Benjamin Zander: Die Bremse ist nicht erst in den letzten fünf Jahren entstanden, sondern sehr lange vorher.

Daniel Dick: Also unter Rot-Grün?

Benjamin Zander: Nein, aber wir sind als grüner Koalitionspartner von allen politischen Parteien belächelt worden, wenn wir das Wort regenerative Energien in den Mund genommen haben. Wenn man uns vor 20 Jahren zugehört hätte, dann wären wir genauso unabhängig, wie ich skizziert habe. Wir müssen nehmen, wie es gekommen ist. Aber wir haben auch eine starke Montanindustrie und wir dürfen diese Menschen nicht vergessen. Ich finde es extremst sträflich, dass wir unter der Groko das Photovoltaik-Know-How ins Ausland verscherbelt haben; weil Gas so billig war. Uns fehlt das jetzt. Es neu aufzubauen, ist gleichzeitig aber eine große Chance für das Braunkohle-Revier.

Die Grünen fordern eine PV-Pflicht bei neu gebauten Wohnhäusern. Wie sieht das die FDP?

Daniel Dick: Die Entscheidungsfreiheit, wie er sich versorgt, ist jedem Häuslebauer überlassen. Ich finde es gar nicht uncharmant, zu sagen – und da bin ich vielleicht nicht auf reiner FDP-Linie –, wir fördern die Bauherrn im Besonderen, die sich auch autark machen. Aber, dass wir ihnen ausgerechnet Photovoltaik vorschreiben, verstehe ich nicht. Er kann sich doch beispielsweise auch über Erdwärme versorgen. Sich beraten lassen.

Benjamin Zander: Für Erdwärme brauche ich auch Strom. PV ist der Schlüssel, um überhaupt Wärmepumpen nutzen zu können. Eine PV-Pflicht bei Neubau ist eine Versorgung der Gesellschaft, weil ich die Kilowattstunden, die in den Neubaugebieten anfallen würden, anderswo nutzen kann. Es ist zu überlegen, PV auch auf Bestandsgebäude zu setzen. Doch wie finanziert man das? Man könnte das Öffnen, und diese Dachfläche beispielsweise in Krefeld der SWK zur Verfügung stellen. Man müsste darüber nachdenken, welchen Vorteil dann der Dacheigentümer davon hat.

Daniel Dick: Ich kann das nachvollziehen, wenn SWK und Hauseigentümer da mitgehen. Ich verstehe nur nicht, warum man es dem Bestandseigentümer erlässt und den Neubauer in die Pflicht nimmt. Grundsätzlich bin ich für die freie Entscheidung der Bürger.

Benjamin Zander: Wir brauchen die Energie. Und bei Neubauten kann ich entsprechend planen, etwa wenn eine Wand stärker sein muss, weil sie eine PV-Anlage tragen wird. Zudem gibt es viele Vorteile auch für die Zukunft. Und es gibt Förderprogramme.

Daniel Dick: Wenn ich durch das Land fahre, sehe ich viel Fläche, die bislang ungenutzt ist. In den USA werden Autobahnen mit einer PV-Anlage übertunnelt. Lasst uns erst öffentliche Flächen nutzen.

Benjamin Zander: Das ist nachvollziehbar. Aber wenn wir nicht mal es schaffen, Starkstromleitungen für Ladesäulen-Infrastruktur hinzubekommen, wie sollen wir eine Leitungsinfrastruktur dafür realisieren?

Infrastruktur in den Städten, auch in Krefeld und ihr Wandel ist auch ein zentrales Thema. Wie kann das Land unterstützen?

Benjamin Zander: Was wir gerade feststellen, dass Geld alleine nicht hilft. Es gibt Fälle, in denen Förderprogramme alleine nicht funktionieren. Ein Beispiel ist die Philadelphiastraße in Krefeld. Da war Geld vorhanden, aber es war niemand da, der die Planung und Durchführung macht. Das Land muss sich in der Pflicht sehen, zu dem Geld auch einen Planer bereitzustellen. Ich muss auch eine Kommune in die Lage versetzen, dass auch wirklich etwas passiert und dies mit Personal unterfüttern. Wohl wissend, dass Planungsbüros viel zu tun haben. Kommunen scheuen sich, Personal langfristig einzustellen. Es braucht viele neue Ideen, die man ausdiskutieren muss.

Daniel Dick: Ich kann die Idee nachvollziehen. Aber: Die Ingenieure weder  in den Planungsbüros noch in den Verwaltungen da. Wir brauchen mehr Planer und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Den nicht vorhandenen Planer kann keiner einstellen.

Benjamin Zander: Ich glaube schon, dass sich aus Landessicht mehr Möglichkeiten ergeben.

Daniel Dick: Wir müssen ohnehin die Innenstädte neu denken. Es gibt immer weniger Inhaber geführten Einzelhandel.

Benjamin Zander: Man wird den Wandel nicht verhindern können.

Daniel Dick: Nehmen wir als Beispiel den wunderschönen Marktplatz von Uerdingen. Wenngleich ich Jahre lang vorsichtig bei dem Thema war, unterstütze ich, dass wir den Platz autofrei halten wollen. Die autofreundliche Innenstadtplanung der 60er-Jahre muss über den Haufen geworfen werden.

Tempo 30 innerorts ist ein dazugehöriges Thema. Die FDP lehnt das ab.

Daniel Dick: Hier in Krefeld nicht, ich bin da bei den Krefelder Parteifreunden. Wenn es klug gemacht ist. Es muss ein Leitsystem dahinter sein, so wie die Niederländer es machen. Sodass man überall hinkommt.

Benjamin Zander: Dass man mit dem Auto überall hinkommen muss, kann ich auch für die Niederlande nicht für jede Kommune erkennen.

Apropos Attraktivitätssteigerung: Ist der verkaufsoffene Sonntag eine Lösung? Die Grünen lehnen ihn ab.

Daniel Dick: Es wäre sinnvoll, wenn wir jeden Sonntag einen verkaufsoffenen Sonntag im Wechsel in verschiedenen Stadtteilen hätten.

Benjamin Zander: Dann wären wir nicht bei der generellen Sonntagsöffnung. Ich bin da zwiegespalten. Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden und man muss an die  Arbeitnehmer denken.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei der Wahl ein?

Daniel Dick: Ich habe Listenplatz 33, derzeit sind es 28 Abgeordnete, wir hatten beim letzten Mal ein Ergebnis von 12,6 Prozent. Mein Ziel ist zweistellig plus zu holen, und dass es keine Regierung ohne FDP geben kann; wenn wir das erreichen, ist alles in Ordnung. Wenn es mit dem Direktmandat vielleicht nicht reicht, war es ein Privileg, zu kandidieren.

Benjamin Zander: Ich habe keinen Listenplatz. Aber abgerechnet wird zum Schluss. Deshalb werde ich bis zum Letzten, um jede Stimme kämpfen. Es ist schwer gegen die Konkurrenz von SPD und CDU zu bestehen.

Dick: Und gegen die FDP.

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