Interview „Heimat ist für mich schwer zu definieren“

Kempener Feld · Autorin Alexandra Friedmann liest am Freitagabend aus ihrem neuen Buch. Es geht um Erwachsenwerden, Familie, Verlust und Heimat.

 Alexandra Friedmann wird 1984 in Weißrussland geboren. Ende der 1980er Jahre wandert sie mit ihrer Familie nach Deutschland aus.

Alexandra Friedmann wird 1984 in Weißrussland geboren. Ende der 1980er Jahre wandert sie mit ihrer Familie nach Deutschland aus.

Foto: Swetlana Weingardt

Die ehemalige Ricarda-Huch-Schülerin Alexandra Friedmann (34) liest am heutigen Freitag, 20 Uhr, im Niederrheinischen Literaturhaus an der Gutenbergstraße 21 aus ihrem Roman „Sterben für Anfänger oder Rafik Shulmans erstaunliche Reise ins Leben“. Gebürtig aus Weißrussland kam sie als Kind mit ihren Eltern nach Krefeld. Zunächst studierte Friedmann Literatur, Kommunikation und deutsch-französischen Journalismus an der Sorbonne und begann die Arbeit an ihrem ersten Buch. Heute lebt die Autorin mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Berlin. Wir sprachen mit ihr im Vorfeld der Lesung über ihren Roman.

Wer genau ist der Protagonist Rafik Shulman?

Alexandra Friedmann: Rafik ist ein junger Mann, der ungefähr 20 Jahre alt ist und gerade angefangen hat zu studieren. Er lebt zu Hause und hat den Weg ins Erwachsenenleben noch nicht beschritten. Geboren ist er in der Sowjetunion, in Kiew. Mit seiner Mutter und Großmutter ist er dann Anfang der 90er Jahre nach Deutschland gekommen. Da er seinen Vater früh verloren hat, wird er von den beiden Frauen stark bemuttert. Und abgesehen davon, dass er sich sowiso schon in dieser neuen Gesellschaft zurechtfinden muss, hat er eben auch kein richtiges männliches Vorbild.

Wie entstand die Idee dazu?

Friedmann: Das geschah zu einer Zeit, als meine Großmutter gestorben ist. Das war das erste Mal, dass ich bewusst jemanden verloren habe, der mir richtig nahe stand. Davor ist zwar mein Opa gestorben, aber da war ich noch ein Kind, vielleicht vier Jahre alt. Das habe ich natürlich nicht richtig mitbekommen. Bei dem Tod meiner Oma war ich Anfang 20. Zu dem Zeitpunkt lag auch die Großmutter von meinem Mann im Sterben. Das war eine Zeit, in der man sich mit dem Thema auseinandersetzen musste: mit dem Verlust von Menschen, die man liebt. Das hat diese Geschichte stark gefördert. Aber der Plott an sich und die Figuren, die waren plötzlich da.

Was hat Ihnen am Schreiben besonders gut gefallen?

Friedmann: Zum einen ist es diese große Freiheit, die ich habe, meine Kreativität auszuleben und auch in der Themenwahl frei zu sein. Da habe ich das große Glück, dass mir keiner sagt, was ich machen soll. Ich kann genau nach meinem Instinkt gehen und das aufschreiben, was gerade da ist. Das macht mir sehr viel Spaß. Und das andere ist der Austausch, wenn das Buch dann erschienen ist, das ist auch ganz toll. Man hört, wie es ankommt und welche Fragen die Leute haben. Das so in die Welt zu tragen macht einfach Spaß.

Was verbindet Sie heute noch mit Krefeld?

Friedmann: Ich bin aus Krefeld sehr früh weg, direkt nach dem Abitur. Natürlich bin ich bis heute immer wieder da, bei meinen Eltern. Doch der Begriff Heimat ist für mich, durch die frühe Entwurzelung, immer schwer greifbar und schwer zu definieren. Ich fühle mich überall zu Hause, wo die Menschen sind, die ich mag und die ich liebe. Berlin ist jetzt meine Wahlheimat, doch kann ich auch da nicht sagen, dass es meine einzig richtige Heimat ist. Es gibt noch Weißrussland, dann Paris, Berlin und eben Krefeld.

Der Eintritt zur Lesung kostet sieben, bei Ermäßigung fünf Euro. Aufgrund begrenzter Platzanzahl wird um Kartenreservierung gebeten.

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