Von Kinder- bis Altersarmut Krefelds soziales Ungleichgewicht

Krefeld · Ein neues Gesetz könnte helfen, um Kitaplätze zu schaffen und Armut zu mindern.

Anhand des Einkommens lässt sich ausrechnen, dass viele Menschen zu wenig Rente bekommen werden, sollte sich nichts an der Gesetzgebung ändern.

Anhand des Einkommens lässt sich ausrechnen, dass viele Menschen zu wenig Rente bekommen werden, sollte sich nichts an der Gesetzgebung ändern.

Foto: dpa

Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht in Krefeld eine wachsende soziale Ungleichheit und einen schwindenden sozialen Zusammenhalt. Kitas und Offener Ganztag seien betroffen, Handlungsbedarf gäbe es bei Kinder- und Altersarmut. Die Verantwortlichen begrüßen, dass die Bundesregierung die Stärkung des sozialen Zusammenhaltes als vorrangiges Ziel formuliert hat. Ein 50-Milliarden-Paket soll laut Paritätischem dafür geschnürt werden, um ein soziales Reform- und Investitionsprogramm in die Wege zu leiten. Hier die Krefelder Baustellen:

Kindertageseinrichtungen

Es müsse vor allem bei den Kindertageseinrichtungen investiert werden, erklärt Jochen Hochkamer, Geschäftsführer des Paritätischen in Krefeld. „Es gibt hier großen Handlungsbedarf.“ Zum einen mangele es an Plätzen, denn allein in Krefeld fehlten zurzeit mehr als 800 Kita-Plätze, sagt er weiter und fordert: „Lösbar wäre dies über den Bau neuer Einrichtungen oder die Erweiterung bestehender Einrichtungen. Doch sind die vom Bund bereit gestellten Programme zum Ausbau so gut wie ausgeschöpft. Hier müssen Land und Bund dringend investieren. Auch das Thema Fachkräftemangel treibt die Kitas um: Erzieher ist ein verantwortungsvoller Beruf. Doch schlecht bezahlt.“ Die Einrichtungen hätten große Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden.

Hochkamer rügt außerdem: „Das NRW-Kinderbildungsgesetz Kibiz ist erst seit 2008 in Kraft und doch schon in die Jahre gekommen. Von Anfang an war es unterfinanziert. So wurden etwa die Personalkosten auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2005 berechnet und nicht aus solchen von 2008, als das Kibiz in Kraft trat. Im Januar 2019 soll der Entwurf für eine große Reform des Kibiz vorgelegt werden.“

Im folgenden Sommer könnte das Gesetz laut NRW-Familienminister Joachim Stamp verabschiedet werden. „Ausreichend Plätze, qualifiziertes Personal und eine gute Ausstattung: Mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Förderung von Kindern aus benachteiligten Familien – für den sozialen Zusammenhalt in Krefeld sind Investitionen in die Kindertageseinrichtungen mehr als nötig“, sagt Hochkamer.

Offener Ganztag

Der Bedarf an Plätzen für den offenen Ganztag sei in Krefeld nicht gedeckt, heißt es weiter. „Bedingt durch die Unterfinanzierung der Angebote und fehlende Mindeststandards des Ganztagserlasses des NRW-Schulministeriums hinsichtlich von Personal, Räumen und Ausstattung ist das Ziel einer landesweit vergleichbaren Qualität der Angebote bisher nicht erreicht. Vielerorts hängt die Qualität  davon ab, ob die Kommune finanziell in der Lage und willens ist, die Angebote des Offenen Ganztags auf Basis freiwilliger Leistungen zu bezuschussen.“

Hochkamer: „Wir fordern eine eigene gesetzliche Grundlage, die verbindliche Mindeststandards, zum Beispiel zu Personalschlüssel, Qualifikation des Personals, Gruppengrößen und Raumprogrammen, enthält. Wir setzen uns außerdem für die inklusive Offene Ganztagsschule und die Finanzierung von Schulbegleitung durch Integrationshelfer über die reguläre Unterrichtszeit hinaus ein.“

Die Stadt Krefeld und die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, wozu auch der Paritätische gehört, haben ein ehrgeiziges Ausbauziel. In einer gemeinsamen Klausursitzung wurde beschlossen, dass der gesamtstädtische Ausbau bis zum Jahr 2025 nun 60 Prozent betragen soll. Das bedeutet einen jährlichen Ausbau von rund 15 Gruppen. Das Land müsse dazu mehr Geld in das System geben.

Kinderarmut

Die gesellschaftliche Herausforderung in Krefeld heißt: Etwa jedes vierte Kind unter 15 Jahren wächst im „Hartz-IV-Bezug“ auf. Das berge Risiken für ein gelingendes Aufwachsen. „Hier muss dringend investiert werden, um allen Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit zu sichern. Neben bundesweiten Forderungen wie einer Erhöhung der Kindergrundsicherung oder einer Reform des Bildungs- und Teilhabepaketes sind auch die Kommunen gefragt, hier gegenzusteuern.“

Altersarmut

In Krefeld haben zurzeit mehr als 15 000 Menschen ein Monatseinkommen von unter 2500 Euro. Sie werden im Alter von Armut bedroht sein. Schon jetzt haben 15,89 Prozent der Rentner zu wenig Altersrente. Der Paritätische fordert einen Kurswechsel. Notwendig seien eine Anhebung des Rentenniveaus und durchgreifende und mutige Reformen, um das Vertrauen in die Rente wieder herzustellen.

Kinder- und Jugendförderplan

Hochkamer: „Medien- und kulturpädagogische Angebote, Mädchen- und Jungenarbeit, interkulturelle Jugendarbeit oder nicht zuletzt offene Angebote: Die soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat viele Facetten. Und ein gemeinsames Ziel: Kinder und Jugendliche – nicht zuletzt aus benachteiligten Familien – stark machen und Teilhabe ermöglichen. Hier sind Investitionen dringend notwendig“, erklärt Hochkamer.

In Krefeld haben sich die Träger verschiedener Einrichtungen unter der Moderation der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände mit der Stadt Krefeld vereinbart, im Rahmen des Kinder- und Jugendförderplans einheitliche Zuwendungsvereinbarungen in der Offenen Jugendarbeit zu entwickeln und umzusetzen. Hochkamer: „Der Paritätische begrüßt vor allem diese Entwicklung und wird mit seinen Mitgliedsorganisationen aktiv daran mitwirken.“

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