Krefelder Azubis klagen über Überstunden Auszubildende leiden unter Stress

Krefeld · Überstunden, arbeiten wie eine Fachkraft – viele Azubis sind unzufrieden mit den Bedingungen am Arbeitsplatz.

Sie ist eigentlich eine Auszubildende, doch sie arbeitet wie eine normale Festangestellte. So kommt es ihr zumindest vor. Nadja Schmitz (Name von der Redaktion geändert) kennt den harten Alltag. Bis zu 30 Überstunden sammelt sie mitunter als Schülerin zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Helios-Klinikum in Krefeld an. „Man fühlt sich überlastet. Man macht keine Pausen. Man bleibt nach der Schicht auch freiwillig länger – für die Patienten, man will mehr für sie tun und die Arbeit nicht auf die Kollegen abladen.“

Schülerin beklagt fehlende Anleitung im Krankenhaus

Auf der Intensivstation sei sie noch im Verhältnis 1:1 ausgebildet worden. Eine ausgebildete Pflegekraft stand ihr zur Seite. Doch auf der normalen Station lief es laut Schmitz anders: „Die meiste Zeit wurde ich gar nicht angeleitet. Man macht dann viel alleine.“ Das heiße: Zusammen mit einer Pflegekraft habe man zeitweise 26 Patienten versorgt.

Ihre Kollegen will Schmitz nicht kritisieren: „Alle versuchen, mir zu helfen, aber die Zeit ist einfach knapp.“ Eine Regel für das Krankenhaus insgesamt wolle sie daraus jedoch nicht ableiten: „Andere Kollegen sind sehr glücklich und zufrieden mit der Ausbildung.“ Servicekräfte fehlten, beklagt Schmitz. So müsse sie auch ausbildungsfremde Tätigkeiten übernehmen.

Das Helios-Klinikum Krefeld bezieht Stellung: „Für die Intensivstationen ist aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen eine hauptamtliche Praxisanleiterin eingesetzt. Auch die anderen Mitarbeiter leiten die Schüler, im Rahmen ihrer Tätigkeit, an. Aufgrund des dortigen Personalschlüssels arbeitet ein Auszubildender hier immer eng mit einer examinierten Kraft zusammen.“ Auf der Normalstation sei es anders: „Auf den Normalstationen gibt es in der Regel zwei oder mehr Praxisanleiter, die sicherstellen, dass die Auszubildenden zu zehn Prozent der praktischen Ausbildungszeit eine strukturierte Anleitung erfahren. Die übrige Zeit sind die Schüler in die Teamstruktur zur Versorgung der Patienten eingebettet.“

Für die Normalstationen gebe es darüber hinaus einen freigestellten Praxisanleiter, der die Anleitung koordiniert und bei Problemen in Abstimmung mit dem Bildungszentrum helfe, so Unternehmenssprecherin für Krefeld, Marina Dorsch. Es bestehe ein regelmäßiger Austausch zwischen Pflegedirektion, Praxisanleitern und Jugend-Auszubildenden-Vertretung.

Deutscher Gewerkschaftsbund mahnt Zustände an

Nadja Schmitz ist ein Beispiel dafür, wie sich Azubis im Arbeitsalltag fühlen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte bei einer Umfrage die Meinung von 1500 Auszubildenden erhoben und in seinem Ausbildungsreport 2018 veröffentlicht. Darin mahnt die Interessenvertretung an: Überstunden gehörten für viele Azubis zum Alltag. 36,3 Prozent der Befragten gaben an, mehr zu arbeiten als vorgesehen.

Im Vergleich zu 2010 ist dies allerdings ein Rückgang. Der Großteil der Auszubildenden sei mit seiner Situation „zufrieden oder sehr zufrieden“ – 70 Prozent sagten ja. Der Tiefstand im Vergleich der vergangenen acht Jahre. 11,9 Prozent gaben zudem an, regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben zu müssen, ein leichter Anstieg zu 2017.

8,2 Prozent geben an, keinen Ausbilder in ihrer Firma zu haben

Ein Trend ist in den vergangenen acht Jahren nicht nachzuweisen. 8,2 Prozent der Auszubildenden teilten außerdem mit, sie hätten keinen Ausbilder in ihrer Firma oder würden diesen nicht zu Gesicht bekommen. Er sei selten bis nie präsent. Gerade einmal 56 Prozent der Auszubildenden bewerteten den Unterricht an der Berufsschule als „gut“ oder „sehr gut“. Ein Rückgang um zwei Punkte. 2011 lag die Zufriedenheit noch bei 61 Prozent.

Philipp Einfalt vom DGB kann für Krefeld keine spezifischen Zahlen zu Überstunden, fremden Tätigkeiten und Zufriedenheit nennen. Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein will sich auf Nachfrage der WZ auf den Standort Krefeld bezogen kein Urteil erlauben. Einfalt sagt zur Lage der dualen Ausbildung: „Die Berufsschulen steuern mit Blick auf die Einstellungsbedarfe von Lehrkräften voraussichtlich auf eine erhebliche Mangelsituation zu.

Der geringe Nachwuchs an jungen Lehrern trifft zusammen mit der hohen Zahl derjenigen, die in den nächsten Jahren aus dem Schuldienst ausscheiden – eine erschreckende Entwicklung.“ Woher solle der Nachwuchs kommen, wenn die Arbeitsbedingungen und der Verdienst, insbesondere im Vergleich mit der privaten Wirtschaft, immer unattraktiver würden, fragt er. Fachkräfte als Berufsschullehrer würden benötigt.

Dominik Jejkal, Jugendsekretär bei der IG Metall, berichtet, dass gerade Betriebsräte einen Unterschied machten. Er bestätigt den Bericht des DGB: „In vielen Fällen ist etwas dran, gerade in der täglichen Arbeit, wo es keine Gremien der Mitbestimmung gibt.“

Auch Mehmet Ali (Name von der Redaktion geändert) hat einiges in seiner Ausbildung erlebt und mitgemacht. Der Krefelder arbeitet in einem kleinen Technik-Betrieb am Niederrhein und sagt der WZ: „Ich komme mit Bauchschmerzen zur Arbeit und gehe mit Bauchschmerzen wieder nach Hause.“ Kaum jemand in der kleinen Firma sei gut auf ihn zu sprechen. Er erlebe Mobbing, einen seiner Ausbilder beschreibt er als politisch „rechtsorientiert“. Ständig bekäme er seine angebliche Unfähigkeit vorgehalten. Die Lust ist ihm längst vergangen. Er sagt: „Ich frage mich, warum so ein Betrieb überhaupt ausbilden darf.“

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