Pharmaindustrie Antikorruptionsgesetz: "Es gibt jetzt einen Ehrenkodex der Industrie"

Konferenzen in Luxushotels und Medikamentendeals sind jetzt passé. Das ist gut so, sagen Krefelder Mediziner.

Pharmaindustrie: Antikorruptionsgesetz: "Es gibt jetzt einen Ehrenkodex der Industrie"
Foto: Tobias Hase/dpa

Krefeld. Es gibt Ärzte, die auf Kosten der Pharmaunternehmen die Welt gesehen haben, üppig bezahlte Vorträge hielten oder Geld für die Verschreibung der „richtigen“ Pillen bekamen. Nun hat die Bundesregierung das Antikorruptionsgesetz beschlossen. Die WZ fragt Ärzte, was sich geändert hat.

„Die Verfahrensweise war früher nicht in Ordnung, aber legal, und es wurde keiner geschädigt“, sagt Dr. Rainer Dotzel, Internist mit Praxis an der Uerdinger Straße. Beispielsweise war es möglich, fünf Prozent des Einkaufspreises eines bestimmten Medikaments zurückzuerhalten. Der EDV-Ausdruck der Praxis habe das ausgewiesen. „Einige Hundert Euro sind so für den Arzt zusammen gekommen.“

Sieben bis acht Jahre ist es her, dass Reisen in Begleitung auf Kosten der Pharmaunternehmen nach San Francisco, Malta oder Edinburgh möglich waren. Dotzel: „Bei den ,Pharmareisen‘ handelte es sich grundsätzlich um Einladungen zu teils hochkarätigen Kongressen oder Symposien, auf denen dann gelegentlich auch bestimmte Präparate beworben wurden.

Diese Veranstaltungen hatten also grundsätzlich einen seriösen Kern. Die besondere Attraktivität lag in dem Ambiente. Es gab Ärzte, die diese Gelegenheiten eifrig wahrgenommen haben, aber ebenso solche, die dies strikt ablehnten und sich nicht ,kaufen lassen‘ wollten.“ Teilweise hatten auch die Partner etwas davon. Dotzel: „Das geht inzwischen nicht mehr. Heute gibt es weder ein Präparat gegen Schnupfen, noch einen Kugelschreiber geschenkt. Die Luft ist sauber.“

Ein Reizwort sind weiterhin Anwendungsbeobachtungen (AWB). „Hierbei behandelt der Arzt nicht nur den Patienten, sondern ist auch für die Pharma-Industrie tätig, indem er beispielsweise Daten für die AWB liefert, etwa wie ein Patient ein bestimmtes Medikament verträgt.“ Diese Informationen werden im normalen Behandlungsalltag erhoben, um Präparate möglicherweise in den Markt zu drücken.

„Es ist eine gut bezahlte Arbeit. Die Auftraggeber sind in der Regel die Hersteller jener Medikamente, deren Wirkung untersucht werden soll.“ Dass Ärzte dafür Geld bekämen, sei legitim, sagt der Internist. Es wird spekuliert, dass Pharmakonzerne dafür im Schnitt mehrere Hundert Euro pro Patient zahlen. „Anwendungsbeobachtungen waren, wenn sie seriös durchgeführt wurden, sehr zeitaufwendig.

Daher habe ich persönlich selten daran teilgenommen. An die Honorierung kann ich mich daher nicht genau erinnern. Teilweise gab es auch Sachzuwendungen“, erklärt Dotzel. Er ist sicher: „Es gibt jetzt einen Ehrenkodex der Pharmaindustrie, bis hin zur gegenseitigen Bespitzelung der Pharmavertreter, der bis zur Anzeige reichen kann.“ Der Arzt betont aber: „Das Präparat einer bestimmten Firma in der Vergangenheit verschrieben zu haben, hat keinem geschadet.“

Klinik-Professor Tim Niehues ist Chef der Kinderklinik und regionaler Transparenzbeauftragter des Helios-Klinikums. Im Kampf gegen Korruption, um Zahlungen der Industrie an Ärzte offenzulegen, gebe es noch Möglichkeiten der Optimierung, sagt er. „So gibt es in den USA eine Website, die transparent macht, wie viel Dollar es wofür gibt. In Deutschland müssen dafür 50 verschiedene angeklickt werden, um zu erfahren, welche Beträge fließen.“

Um maximale Transparenz zu erhalten, müsse jeder einzelne Betrag mit dem Wofür und Warum aufgelistet werden, so wie es im Helios-Klinikum bereits seit Jahren geschehe. Denn: Transparenz hilft gegen Verdacht.

Sie ist die Grundlage dafür, dass Vertrauen überhaupt erst entstehen kann. Im Konzern werde genau dokumentiert, welche Vorträge gehalten werden. „Lädt die Firma XY ein, werden vorher mit Helios Art und Weise geklärt, vor allem auch die Vortragshonorare.“ Alle Ärzte müssten eine Transparenzerklärung unterschreiben. „Wir müssen sicherstellen, dass medizinische Entscheidungen unbeeinflusst erfolgen.“

Niehues sieht einen weiteren Nutzen des Antikorruptionsgesetzes: „Weniger Geld für Marketing bedeutet mehr Geld im Gesundheitssystem, für Forschung beispielsweise.“ Die Grundlage für die Entscheidung eines Medikaments müssten Studien, nicht Empfehlungen vom Pharmakonzern oder -vertreter sein.

„Mit dem Antikorruptionsgesetz wird eine Gesetzeslücke geschlossen, da niedergelassene Ärzte bisher im Strafgesetzbuch nicht für korruptes Handeln belangt werden konnten“, sagt Regina Behrendt, Referentin Gesundheitsmarkt der Verbraucherzentrale.

„Das neue Gesetz gilt nicht nur für Ärzte, sondern für alle Heilberufe. Es ist gut, dass der Gesetzgeber diese Lücke geschlossen hat.“ Problematisch sei allerdings, findet Behrendt, dass Bestechung und Bestechlichkeit auf dem Gesundheitsmarkt nur dann verboten sind, wenn es dem Wettbewerb der Anbieter untereinander schade. „Ein expliziter Bezug des Korruptionsverbots zum Schutz der Patienten fehlt in dem Gesetz.“

Es sei ganz klar: „Patienten werden so durch das neue Gesetz nicht ausreichend vor wirtschaftlichem Fehlverhalten zu Lasten ihrer Gesundheit geschützt. Außerdem ist das Geflecht von erlaubten Kooperationsbeziehungen und verbotener Korruption auf dem Gesundheitsmarkt so komplex, dass Patienten es kaum beurteilen können.“ Für Verbraucher würde das Gesetz daher wohl kaum spürbare Effekte haben.

Die beiden Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung in Krefeld waren trotz mehrmaliger Nachfrage zu keiner Stellungnahme bereit.

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