GESCHICHTE Als unsere Vorfahren neu bauten

Krefeld · Wie sich die Ernährung wandelte und sich Handel und Gesellschaft entwickelten, das erforschten Tanja Zerl und Torsten Rünger. Dafür sind sie jetzt mit dem Albert-Steeger-Preis ausgezeichnet worden.

Wie haben sich die Menschen in der Bronze- und Eisenzeit im Rheinland ernährt, und welches Getreide bauten sie an? Wie hat der Rheinländer des zwölften Jahrhunderts seine Umgebung wahrgenommen und verändert? Zwei Wissenschaftler, Tanja Zerl und Torsten Rünger, haben ihre Dissertationen diesen – für die hiesige Region spannenden – Fragen gewidmet. Jetzt wurden sie dafür mit dem Albert-Steeger-Preis des Landschaftsverbandes Rheinland ausgezeichnet. Das Preisgeld von 10 000 Euro müssen sie sich teilen.

Zerl habe sich lange Zeit nicht entscheiden können, welche Fachrichtung sie einschlagen sollte – Biologie oder Archäologie, erläuterte Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, in ihrer Lobrede. Nach einem Seminar war klar: Es gibt die Archäobotanik, in der beide Interessensgebiete verbunden sind. Zerls Doktorarbeit trägt den Titel: „Archäobotanische Untersuchungen zur Landwirtschaft und Ernährung während der Bronze- und Eisenzeit in der Niederrheinischen Bucht“.

Durch Tagebau ist der Niederrhein eine gut untersuchte Region

In ihrer Doktorarbeit beschreibt Zerl, dass dieses Gebiet, das durch den Braunkohleabbau zu den bestuntersuchten Landschaften Europas wurde, nicht nur Stein und Keramik enthält, sondern auch Überreste pflanzlichen Materials. „Die Funde stammen aus insgesamt 66 bronze- und eisenzeitlichen Siedlungen, die in die Zeit von etwa 1500 bis 50 vor Christus datiert werden“, erläutert Zerl.

Ihre Ergebnisse lauten, dass die Wirtschaftsweise der Menschen in der älteren Bronzezeit noch in der Tradition der Jungsteinzeit gestanden habe, deren Beginn ab 11 500 vor Christus lag. Mit der Jungsteinzeit wird der Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern mit gezüchteten Pflanzen erklärt.

Damals waren zwar Dinkel und Hirse als Bestandteil der Ernährung schon eingeführt. Dabei blieb es dann allerdings nicht: „In der jüngeren Bronze- bis mittleren Eisenzeit kam es zu einer deutlichen Erweiterung des Kulturpflanzenspektrums. Wobei der Anbau von Sonderkulturen wie Hülsenfrüchte, Echte Hirse, Kolbenhirse und Leidotter, einer Raukeart, besonders wichtig war. In der späten Eisenzeit verloren die Sonderkulturen allerdings ihre Bedeutung, und es kam zu einem intensivierten Anbau von hauptsächlich Emmer, einer Weizenart, und Spelzgerste.“

Erkenntnisse zum Hochmittelalter auf dem Land „in Kinderschuhen“

Das Dissertationsthema von Rünger trägt den Titel: „Gesellschaft und Gewerbe im ländlichen Raum des zwölften Jahrhunderts. Die Siedlung am Rand von Pier, Gemeinde Inden, Rheinland“. Henk-Hollstein hob dazu hervor, dass „die archäologische Erforschung des ländlichen Raumes des Hochmittelalters noch in den Kinderschuhen steckt, aber dank der von Ihnen gewonnenen Erkenntnisse inhaltlich weitergeführt werden konnte. Durch die statistische Auswertung von Keramikfunden ist es Ihnen gelungen, mehrere Siedlungsphasen zu rekonstruieren.“

Dabei haben sich in der Siedlung besonders multifunktional nutzbare Trocknungsöfen, sogenannte Darren, als charakteristisch erwiesen, in denen unter anderem Flachs getrocknet wurde. Neben dem rekonstruierten Wandel der Bauweise – weg von den Grubenhäusern hin zu unterkellerten Gebäuden – wurde innerhalb der Siedlung ein lokales Agrarwirtschaftssystem sichtbar, das als solches nicht nur für die Versorgung des Siedlungsverbandes zuständig war, sondern möglicherweise auch neue Märkte bediente.

„So hat Torsten Rünger – auch durch die bio-archäologischen Untersuchungen – belegen können, dass sich nicht nur die architektonische Erscheinung des Dorfes verändert hat, sondern auch seine funktionale Gliederung“, erklärt die Vorsitzende.

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