Jubiläum in Uerdingen Alberdingk Boley Krefeld: Vom einfachen Böttcherbetrieb zu einem Marktführer Europas

Krefeld · Gut möglich, dass jeder Krefelder am Tag mindestens einmal mit einem Produkt dieses Unternehmens in Berührung kommt. Das Mittelstandsunternehmen Alberdingk Boley in Uerdingen blickt auf eine 250 Jahre lange Geschichte.

 Die Ansicht aus dem Jahr 1919 zeigt die Oel-Fabrik F.H. Boley.

Die Ansicht aus dem Jahr 1919 zeigt die Oel-Fabrik F.H. Boley.

Foto: Alberdingk Boley

Gut möglich, dass jeder Krefelder am Tag mindestens einmal ein Produkt dieses Krefelder Unternehmen berührt, ganz ohne es zu wissen. In Wänden, Holzmöbeln, Fußböden, Gartenzäunen, Autos, Tastaturen oder auch Mobiltelefonen sind Lacke, Farben und Beschichtungen mit Bindemitteln auf wässriger Basis von Alberdingk Boley enthalten. Ihr Zweck ist es, Oberflächen zu veredeln und zu schützen. Europaweit ist die Firma nach eigenen Angaben außerdem längst zum größten Hersteller von pflanzlichen Rizinus- und Leinölen sowie deren Derivaten geworden. Man setzt auf nachwachsende Rohstoffe. Was allerdings niemand ahnt: Das Mittelstandsunternehmen aus Uerdingen feiert in diesem Jahr das 250. Jubiläum.

Ein Vierteljahrtausend ist seit den Anfängen vergangen. Eine gewaltige Dauer. „Mit Stolz, Respekt und Dankbarkeit, ein Teil dessen zu sein“, blickt jedenfalls Geschäftsführer Timm Wiegmann auf die lange Historie zurück. „Am Erfolg des Unternehmens waren und sind sehr viele Menschen beteiligt, darunter Visionäre, aber vor allem auch solche, die die Produktion Tag und Nacht aufrechterhalten. Ohne sie könnten wir kein einziges Produkt verkaufen“, beschwört Wiegmann ein großes Wir-Gefühl.

Wurzeln des Betriebs sind auch in Amsterdam zu finden

Lange war man im eigenen Haus von einer weitaus kürzeren Firmengeschichte ausgegangen. Neuere Nachforschungen eines Gesellschafters aber ergaben, dass die Wurzeln von Alberdingk Boley bis ins Jahr 1772 und damit über mehrere Epochen zurückreichen. Zur Einordnung: Damals herrschte Friedrich der Große in Deutschland, der spätere Feldherr Napoleon Bonaparte war gerade einmal drei Jahre alt. Mozart wurde Konzertmeister in Salzburg und James Watt arbeitete an seiner Dampfmaschine. Anno 1772 jedenfalls besaß Hendrik Alberdingk in Amsterdam einen Böttcherbetrieb. Seine Fässer lieferte er an Walfänger. Zu seinen Lehrlingen gehörten auch seine Söhne Coenraed und Frederik, die später das Unternehmen leiten sollten und neue Ressourcen erschlossen. Der Handel mit pflanzlichen Ölen, Tran und Fischöl nahm in der Folge stark zu. In Tönisvorst gründete derweil Franz Heinrich Boley, der Sohn eines Wollfabrikanten, 1828 einen Handelsbetrieb für Wolle und Textilien. Sein Sohn Jean, der die Geschäfte 1864 übernahm, hielt mit der Presstuchherstellung auch Kontakte mit Ölmühlen der Region. Die Firma F.H. Boley handelte daraufhin auch mit Ölen, Ölkuchen und Leinsaaten. Das Unternehmen siedelte später nach Kempen um. 1878 übernahm Gründersohn Emil Boley die Leitung.

 Das Firmengebäude Alberdingk & Zonen an der Brouwersgracht Amsterdam wurde am 25. März 1772 gekauft.

Das Firmengebäude Alberdingk & Zonen an der Brouwersgracht Amsterdam wurde am 25. März 1772 gekauft.

Foto: Alberdingk Boley

1886 wurde der Standort Rheinstadt Uerdingen erschlossen

Für die niederländischen Firmen wie Alberdingk wurde es durch Einfuhrzölle ins kaiserliche Deutschland jedoch immer schwieriger, profitabel Leinöle mit den großen Absatzmärkten zu handeln. Zwei weitere Standorte wurden 1886 daher erschlossen. Kloster Neuburg bei Wien und die Rheinstadt Uerdingen. Ein Brand zerstörte 1894 die Boley-Fabrik in Kempen. Eine Ölmühle wurde daraufhin in Uerdingen errichtet mit Zugang zur Wasserstraße. Doch erst 1921 kam es zum Zusammenschluss der Firmen F. H. Boley und Alberdingk. Die Fusion führte 1924 mit einer zusätzlichen Ölmühle von Emil Boley zu den Vereinigten Uerdinger Ölwerken Alberdingk & Boley. Moderne Methoden der Ölgewinnung und Veredelungstechniken zogen ein. Die Produktionskapazität stieg, Tochterunternehmen wurden gegründet wie die Deutsche Rizinus Ölfabrik. Ab 1970 begann die Herstellung von Kunststoff-Dispersion, später auch die mit Klebstoff und Polyurethan. Die Rizinus-Sparte und die Ölwerke wurden zusammengelegt. Seit 1989 heißt das Unternehmen daher: Alberdingk Boley GmbH, die heute auch Fabriken in den USA und China betreibt sowie in Kerpen und Leuna. Am Standort in Krefeld arbeiten heute 330 Mitarbeiter, weltweit sind es 500. Die Corona-Pandemie habe Alberdingk Boley sogar noch vollere Kassen beschert. „Die hat die Nachfrage nach unseren Produkten noch befeuert“, sagt Geschäftsführer Timm Wiegmann. „Insgesamt sind wir deutlich gestärkt daraus hervorgegangen. Unser Geschäftsmodell, die Strategie und vor allem das Produktportfolio der wasserbasierten und nachhaltigen Bindemittel passen in die Herausforderungen der heutigen Zeit“, sagt er selbstbewusst.

 Die Geschäftsführer Timm Wiegmann (l.) und Thomas Hackenberg betreuen am Standort Uerdingen 330 Mitarbeiter.

Die Geschäftsführer Timm Wiegmann (l.) und Thomas Hackenberg betreuen am Standort Uerdingen 330 Mitarbeiter.

Foto: Alberdingk Boley

Doch wie sieht die Zukunft aus? „Ausgesprochen positiv“, meint sein Geschäftsführungs-Kollege Thomas Hackenberg: „250 Jahre alt zu werden als Unternehmen zeugt von nachhaltigem Wachstum und der Fähigkeit, sich an Marktgeschehnisse flexibel anzupassen.“ Im Hinblick für Mensch und Umwelt investiere man in moderne und innovative Technik, auch am Standort Uerdingen, teilt die Leitung mit. Das Wachstum des 1772 erstmals erwähnten Unternehmens soll noch lange nicht abgeschlossen sein.

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