„Aktive Rolle ist eine Chance“

Planungsdezernent Martin Linne plädiert für Bodenkauf auf Vorrat und selbstständige Entwicklung von Wohngebieten.

„Aktive Rolle ist eine Chance“
Foto: Dirk Jochmann

In der Diskussion um die Bodenbevorratung, also den städtischen Ankauf von Flächen, um dort Wohnbau zu entwickeln, steht die Stadtverwaltung in der Kritik. Von Teilen der Politik sowie privaten Anbietern. Im WZ-Interview erklärt Stadtplanungsdezernent Martin Linne dezidiert, warum er das neue Konzept für eine große Chance hält.

Warum verdingt sich die Stadt als Zwischenhändler? Können Private das nicht besser?

Martin Linne: Die Wahrnehmung einer aktiven Rolle am kommunalen Bodenmarkt durch die Kommune wird in den letzten Jahren bundesweit zunehmend und intensiv diskutiert. Im Gegensatz zum Beispiel zu Süddeutschland haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen diese Aufgabe in den letzten Jahrzehnten, unter anderem durch die jeweilige Haushaltssituation bedingt, stark vernachlässigt.

In Krefeld gab es das gar nicht?

Linne: Krefeld hat sich in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend von Grundstücken und Immobilien getrennt, aber kaum Ankäufe durchgeführt. Andererseits ist es nachgewiesen, dass Kommunen, die kontinuierlich eine konsequente Flächen- und Bodenentwicklung betrieben haben, sowohl städtebaulich als auch hinsichtlich der Angebotsqualität und vor allem wirtschaftlich, hiervon stark profitiert haben. Durch entsprechend erzielte Überschüsse wird eine Kommune auch in die Lage versetzt, schwierige Flächen neu zu entwickeln und das Stadtbild sowie die Stadtfunktionalität positiv zu gestalten.

Verteuert sich dadurch der Wohnraum in Krefeld? Schließlich muss die Stadt daran ja auch verdienen.

Linne: Nein, hier gilt diametral das Gegenteil: Weil die Stadt Krefeld im Rahmen ihrer parallelen Verkaufspolitik sowie durch die Stadtverwaltung selbst als auch über ihre städtischen Beteiligungsgesellschaften Einfluss auf die Preisbildung sowie die Vergabebedingungen nehmen kann. Zudem kann durch die Eigentümerrolle im Rahmen der Vergabe sichergestellt werden, wann welche Wohnungstypen realisiert werden.

Zum Beispiel?

Linne: Zum Beispiel den Anteil an preisgebundenen, geförderten Wohnungsbau, um für alle Schichten der Bevölkerung eine angemessene Wohnraumsituation sicherstellen zu können.

Muss der Krefelder fürchten, dass mit „seinem“ Geld hinter seinem Rücken Geschäfte gemacht werden?

Linne: Allen Verkaufsentscheidungen liegen demokratisch legitimierte Gremien-Entscheidungen zugrunde. Dabei wird sich der Fokus mittelfristig auf die nachhaltigen Wirkungsfaktoren ausrichten und nicht nur den kurzfristigen oder einmaligen preislichen Aspekt. Die Ausweisung neuer Wohnbaugebiete mit städtischem Eigentumsanteil erhöht mittelfristig das Angebot an verfügbarer Baufläche und wirkt insofern nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen preisdämpfend und regulierend.

Experten sagen, junge Familien mit wenig Geld hätten künftig das Nachsehen?

Linne: Im Gegenteil: Die kommunale Bodenpolitik in Krefeld hat das Ziel, die Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung zu berücksichtigen und die am Markt zu beobachtende „Bodenpreisspirale“, die teilweise weite Kreise der Bevölkerung von einer Teilnahme ausschließt, zugunsten qualitativer Zielsetzungen und nachhaltiger, langfristiger Wirkungsfaktoren zu durchbrechen.

Gibt’s dafür ein Konzept?

Linne: Aufgrund einer aktuellen Beschlussfassung des zuständigen Ausschusses für Finanzen, Beteiligungen und Liegenschaften arbeitet die Verwaltung zur Zeit an einem, das auch nicht-monetäre Bewertungskriterien in die Verkaufsentscheidung einbeziehen wird. Nach den planungspolitischen Beschlüssen des Rates aus 2017 soll zudem grundsätzlich an allen größeren Standorten mit mehr als 100 Wohneinheiten ein Anteil von 30 Prozent an preisgebundenem Wohnraum zur Versorgung breiter Bevölkerungsschichten angestrebt werden.

In Städten mit großer Wohnungsnot ist dieses Werkzeug funktionierendes Steuermittel. Hat Krefeld Wohnungsnot?

Linne: Die Stadt Krefeld hat in den kommenden Jahren bis 2020 gemäß verschiedener Prognosen einen Wohnungsneubaubedarf von mehr als 5000 Wohneinheiten. Diese Marktanforderung lässt sich nicht ausschließlich durch die in den letzten Jahrzehnten dominierende Einfamilienhausbebauung realisieren. Zurzeit werden etwa lediglich 250 Einheiten pro Jahr, statt der benötigten 1000 realisiert. Die Stadtverwaltung hat aus diesem Grund die Wohnbauflächenpotenziale intensiv untersucht und konkrete Flächen im Stadtgebiet sowohl für eine Nachverdichtung wie auch für eine Siedlungserweiterung definiert.

Die Ankäufe beschränken sich bislang auf die Außenbereiche wie Bockum, Hüls oder Traar. Was ist mit der City und dem problematischen Bestand?

Linne: Die vorgenannten Ankaufsaktivitäten orientieren sich einerseits an planungspolitischen Zielen der Stadt Krefeld, insbesondere den Handlungsparametern im neuen Flächennutzungsplan der Stadt Krefeld, und andererseits an marktwirtschaftlichen Gegebenheiten. Etwa der Verkaufsbereitschaft der Eigentümer oder Konsensfindung in der Preisgestaltung.

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