Justiz Abschiebedrama: 30-Jähriger frei

Zum Tatzeitpunkt war Familienvater laut Gutachter schuldunfähig.

 Eine Statue der Justitia.

Eine Statue der Justitia.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Am Ende sah das Landgericht eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Geiselnahme zwar als erfüllt an, trotzdem sprach es den 30-jährigen Mann frei. Der soll gedroht haben, seine Tochter aus dem Fenster zu werfen, um eine Abschiebung zu verhindern. Ein Gutachter hatte ihn für den Tatzeitpunkt als schuldunfähig erklärt. Der Angeklagte leide unter einer paranoiden, schizophrenen Psychose, die in der besonders belastenden Situation der Abschiebung im September des letzten Jahres seine Handlungen bestimmte. Sie habe für Fehlwahrnehmungen gesorgt, dass seine Frau vergewaltigt werden solle oder seine Kinder getötet.

Gutachten überzeugt Staatsanwältin nicht

„Ich habe hier heute eine schwierige Aufgabe, weil ich einen Antrag stellen muss, von dem ich nicht überzeugt bin“, sagte die Staatsanwältin, die ebenfalls für einen Freispruch plädierte. Sie habe das psychiatrische Gutachten nicht überzeugt. Darum hatte sie auch den – vom Gericht abgelehnten – Antrag gestellt, ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Schuldunfähigkeit des Angeklagten sei nicht auszuschließen.

So sah es auch das Gericht. Es hätte auch seine Zweifel, sagte der Vorsitzende. „Aber wir müssen von der Schuldfähigkeit überzeugt sein, und wenn wir da Zweifel haben, geht es eben nicht.“ Das fußt auf dem Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten.

Das Gericht gehe auch nicht davon aus, dass der Angeklagte seine Krankheit nur simuliere. Dafür seien seine Schilderungen zu detailreich gewesen, als dass er sich das nur ausgedacht habe. Eine Entschädigung für die rund achtmonatige Untersuchungshaft bekommt der Mann aus Albanien allerdings nicht. Denn es gibt eine Sondervorschrift, die besagt, dass es diese Geldleistung dann nicht gibt, wenn der Freispruch nur darauf basiert, dass der Angeklagte schuldunfähig ist. „Ohne Gutachten wäre Herr S. verurteilt worden“, sagte der Vorsitzende. Verteidiger Marc André Kaulfuß sagte, dass es darum auch nicht in erster Linie gehe. „Herrn S. geht es darum, dass er die Möglichkeit haben wird, dass er heute nach Hause zu seinen Kindern und seiner Frau zurückgehen kann.“

Wie Verfahren um Abschiebung weiter geht, ist unklar

So war es auch: Am Ende des Prozesses wurde der Haftbefehl aufgehoben. Wie das Verfahren um die Abschiebung weiter geht, ist noch unklar.

Einige Unterstützer des Angeklagten saßen auf den Zuschauerplätzen. Er soll dem Vernehmen nach bereits eine Arbeitsstelle gefunden haben, bei der er auch weiterbeschäftigt werden würde.

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