Krefeld 90 Jahre singende Straßenbahner

Die 30 Aktiven des SWK-Chores proben Opern-, Pop- und Musicalmelodien fürs Jubiläumskonzert.

Krefeld: 90 Jahre singende Straßenbahner
Foto: Andreas Bischof

Kempener Feld. Ein paar Salz- und Pfefferstreuer und die Suppenwürze-Flaschen auf den Tischen lassen ahnen, dass normalerweise Geschirr- und Besteckgeklapper und vielleicht das ein oder andere „Mahlzeit“ den Raum erfüllt. Doch jetzt schallen „Jajajaja“, „Hahehihohu“, „Mamimamima“ durch den Raum. Die knapp 30 Männer im Stuhlhalbkreis, die schon beim Einsingen wie mindestens doppelt so viele Sänger klingen, sind in der SWK-Kantine hochkonzentriert bei der Sache.

Lange ist es nicht mehr hin, bis ihr großes Jubiläumskonzert ansteht. Am Sonntag, 30. Oktober, feiert der SWK-Chor sein 90-Jähriges. Seit März proben die Mitglieder intensiv für ihr Programm, zu dem „Va, pensiero, sull’ali dorate“ — der Gefangenenchor aus der Oper „Nabucco“ — genauso gehört wie Hans Sommers Filmmelodie „Jawohl, meine Herr’n“, Spirituals oder auch „Memory“ aus dem Musical „Cats“ und ein Abba-Hit.

„Erst die Tenöre“, bittet Chorleiter Juri Dadiani die Männer des ersten und zweiten Tenors das „Nächtliche Ständchen“ von Franz Schubert anzustimmen. „Und jetzt die Bässe.“ Der erste und zweite Bass kommen hinzu. Der Blick der Herren wandert zwischen den Notenblätter und dem Chorleiter hin und her — keine Zeit für das Panorama, das sich aus der vierten Etage des Stadtwerke-Gebäudes auf dem Betriebshof-Gelände an der St. Töniser Straße 270 im Kempener Feld bietet.

Unten verlassen Busse und Straßenbahnen das Gelände oder werden vor dem Feierabend ins Depot gefahren. Früher saß ein Großteil der Sänger, die hier so fleißig üben, in genau solchen Fahrzeugen — nur wenige der 30 Aktiven waren nicht bei den Stadtwerken (SWK) angestellt. Mittlerweile sind die meisten Mitglieder des Chores, der 1926 von Krefelder Straßenbahnfahrern gegründet wurde, im Ruhestand. Der Jüngste ist 58, der Älteste 91 Jahre alt. Letzterer ist auch am längsten im Chor. Seit 1952 ist Herbert Winkens mit von der Partie und wohl der Einzige, der noch eine Schallplatte im Schrank hat, die der Chor 1981 im Casino der Stadtwerke aufnahm.

Der 91-Jährige kann sich auch noch gut an die Zeiten erinnern, als der Chor an Leistungssingen teilnahm — etwa 30 Jahre lang. „1952 war das erste Wertungssingen nach dem Krieg in Essen“, blickt er zurück. „Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist mit der Zeit eingeschlafen“, sagt Günter Kamperdicks, ehemaliger Bus- und Straßenbahnfahrer, seit 1968 im Chor und seit 37 Jahren erster Vorsitzender.

In die Vorstandszeit des 77-Jährigen fällt der Zusammenschluss des Stadtwerke-Chores mit dem Chor der Verkehrs AG. Nachwuchssorgen gehörten zu den Gründen für diese Fusion. Sie wurde 1990 vollzogen beziehungsweise der Chor neu gegründet — mit dem heutigen SWK-Emblem und dem Zusatz „26/92“ für die beiden Gründungsjahre. Die sinkende Zahl an Mitsängern war auch der Grund dafür, dass die Vereinsstatuten aufgelockert wurden. Musikinteressierte müssen nicht mehr SWK-Beschäftigte sein.

Nicht nur solche Regeln haben sich geändert. Auch das Repertoire hat sich über die Jahre gewandelt. „Mit dem, was früher gesungen wurde, könnte man ja heute keinen hinter dem Ofen hervorlocken“, sagt Horst Görtz, zweiter Vorsitzender, über die Spirituals, Pop- und Musical-Melodien, die dazugehören. „Wir können alles von kirchlich bis weltlich und sind immer in der Lage, zum jeweiligen Anlass etwas zusammenzustellen.“ Nach einem Mal Durchproben müsse man rund hundert Stücke singen können, schätzt er. Zu den festen Terminen der Gruppe gehört die Weihnachtsfeier der SWK-Pensionäre. Immer wieder tritt der Männerchor auch bei Veranstaltungen der Stadtwerke auf. Nie vergessen werden Görtz und seine Mitstreiter allerdings die Chorreise nach Olsztyn (Allenstein) im Jahr 2003. Zehn Tage ging es nach Polen.

In vielen Häusern und Konzertsälen, aber auch bei einer Feldmesse an der Masurischen Seenplatte — mit Gulaschkanone für die Verpflegung — ließen sie ihre Tenöre und Bässe erklingen. Görtz: „Das Pontifikalamt in der Kathedrale wurde sogar im Fernsehen übertragen, das war das Highlight der vergangenen Jahre.“

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